F Gedenken an Befreiung von Auschwitz Erbrich Feldmann Korn copyright Stadt Frankfurt Salome RoesslerGedenken in Frankfurt: Veranstaltung in der Paulskirche in Anwesenheit von 300 Frankfurter Schülern erinnert an die Befreiung von Auschwitz, Teil 3/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das war eine kurze, klare, wichtige Gedenkstunde in der Frankfurter Paulskirche, die mit der Niederlegung von den Kränzen, die während der Veranstaltung die Bühne der Paulskirche schmückten, endete. Niedergelegt wurden sie an der Ecke der Paulskirche, an der westlichen Ecke an der Berliner Straße, wo ein Mahnmal, das man im Bild leider nicht sieht, das ganze Jahr über an die Naziverbrechen erinnert, weil dort alle KZs namentlich eingraviert sind. Immer wieder liegen davor auch Rosen oder Nelken. Auf unserem Bild sind mit dem OB Feldmann in der Mitte an seiner Rechten die Rednerin des Tages und KZ-Zeitzeugin Edith Erbrich, an seiner Linken Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeine Frankfurt.  

Uns hat die als Musikalische Einleitung bezeichnete Gesangsdarbietung WIEGALA von ....Ilse Werner (1903-1944) steht im Programm, es muß aber heißen... Ilse Weber!!!!, besonders beschäftigt. Erst einmal wegen der drei Musiker und ihren Instrumenten: Amira Memarzadeh an der Harfe, Jessica Poppe Gesang und Hesham Mamra mit der Oud. Dieses arabische, besser orientalische Zupfinstrument hat es in sich. Eigentlich müßte man es nämlich persische Laute nennen, diese Oud, die aber in ihrem Siegeszug durch die arabischen Länder die Form veränderte und deshalb im Iran heute arabische Laute genannt wird, obwohl sie aus Persien stammt. Eindeutig sind alle unsere Lauten, Klampfen, Gitarren Nachkommen der orientalischen Oud, was übrigens übersetzt nur Holz bedeutet. Woher ich das weiß? Erstens hat eine musikalische Studienfahrt durch Marokko das Nötige getan und dann konnte ich bei einem Konzert des wunderbaren Weltmusikers und Klezmerexperten Giora Feidman, der das bevorzugte Klezmerinstrument, die Klarinette, spielt, erstaunt zur Kenntnis nehmen, daß mit ihm die Harfe und die Oud die musikalische Grundlage bildeten. 

Das hat uns interessiert, denn das Wenige, was wir über Ilse Weber wissen, hat mit den zarten Lauten, die durch die Paulskirche schwebten ein größeres Interesse geweckt. Ilse Weber (1903-1944) musizierte diese von ihr komponierten und gedichteten Lieder mit Kindern im Ghetto Theresienstadt zur Gitarre.  Sie war übrigens zu ihrer Zeit eine hoch angesehene deutschsprachige Schriftstellerin, die besonders mit Märchen und Stücken für Kinder reüssierten. "Sie ging mit Kindern der Krankenstation im KZ Auschwitz in den Tod.", heißt es bei ihrer Charakterisierung. Von ihr weiß man überhaupt, weil ihr Ehemann Willi Weber ihre Dichtungen und Lieder in eine Mauer in Theresienstadt einmauerte, die er nach der Befreiung von Theresienstadt mitnahm. Beide hatten einen älteren Sohn, Hanuš Weber, der mit einem Kindertransport nach England flüchten und sich retten konnte. Sie selbst wurde zusammen mit ihrem zehnjährigen Sohn Tommy in Auschwitz ermordet. Sie war dort in der Kinderkrankenstation tätig und war immer den Kindern zugewandt. Das alles hört man in den sanften Lauten, die sie gesungen haben soll, als sie am 6. Oktober die Kinder in die Gaskammer begleitete. Es sprengt einem das Herz. Und man empfindet es also absolut ungerecht, daß man kaum etwas von ihr weiß. Aber wie schön, daß die Gruppe BRIDGES - MUSIK VERBINDET sie mit ihrem berühmtesten Schlaflied WIEGALA hier wiedergibt. Die Gruppe nennt sich 'transkulturelle Musikinitiative'. Es gab für sie, die auch den musikalischen Ausklang mit MORENICA TRADITIONELL SEPHARDISCH brachten, großen anhaltenden Beifall. 

Peter Feldmann sprach wie immer an dieser Stelle als Frankfurter Oberbürgermeister mit großem Ernst. Ihm war die Anwesenheit der rund 300 Schüler besonders wichtig, wie er überhaupt die Paulskirche nicht mehr nur für feierliche Weihen und Preisauszeichnungen nutzen möchte, wo immer dieselben politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten der Stadt anwesend sind, sondern sie für alle Kreise der Stadt öffnen. Peter Feldmann hat  viele Bezüge hergestellt, wobei immer wieder auch Frankfurts Adorno zitiert wurde. Sehr beklatscht wurde seine so eindeutige wie schlichte Äußerung: "Wir haben es nicht vergessen und werden es nicht vergessen!"

Die entscheidende Person war an diesem Tag Edith Erbrich, von der Feldmann berichtete, wie er sie bei der Einweihung der EZB in der alten Großmarkhalle kennenlernte und ob ihrer Widerständigkeit bewundern lernte. Ihre Kraft hilft allen, auch ihm. Diese Großmarkthalle nämlich war der entsetzliche Ort, in deren Keller die Juden Frankfurt seit 1942 zusammengepfercht wurden und dann auf den danebenliegenden Gleisen in die KZs transportiert wurden. Eben auch Edith Erbrich mit ihrer Mutter. Sie war sieben Jahre alt. Und das für uns Unglaubliche ist dabei, daß ihr Abtransport nach Theresienstadt am 14. Februar 1945 stattfand. Wie das, wo wir heute den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee als Gedenken begehen. Und drei Wochen später schicken diese beinharten Nazis noch Kinder nach Theresienstadt!! Am 8. Mai, dem Tag der offiziellen Kapitulation Deutschlands , kam die Rote Armee nach Theresienstadt, das ca. 60 Kilometer nördlich von Prag liegt. Nur 200 Menschen von den aus Frankfurt deportierten tausenden KZ-Häftlingen überlebten. In ihrem Fall ist das Entsetzliche, daß sie längst schon als zukünftige Tote geführt wurde. Sie sollte zusammen mit ihrer Mutter am 7./8. Mai nach Auschwitz weitergeschickt werden, wo ihre Vergasung für den 9. Mai vorgesehen war. Das sagt sie so dahin und erneut gefriert einem sein Inneres. 

Stattdessen ist sie auch mit über 80zig eine, die im letzten Jahr 51 Veranstaltungen bewältigte, meist Schulbesuche, die zusammen rund 5 000 Schüler ausmachen, weil nichts so wichtig ist, wie der persönliche Bericht von den Nazigräueltaten. Das kann kein Buch, kein Film an Unmittelbarkeit ersetzen. 

Edith Erbrich ist eine sich klar artikulierende Frau, die erstmal damit begann, daß es ja einige gäbe, die sagten: "Es muß mal sein Schluß sein!", denen sie "ein großes Nein" entgegenschleudert. Sie berichtete von ihren Besuchen in den Schulen und dem, was an Fragen ihr gegenüber artikuliert wird. Aber auch, was sie antwortet. Darauf gingen dann im Gespräch mit ihr Claire Duda und Valentin Fuchs von der Bildungsstätte Anne Frank ein, die für die Aufklärung über die NS-Verbrechen in Frankfurt eine große Bedeutung hat. 

Fotos:
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Titel:  OB Peter Feldmann mit Zeitzeugin Edith Erbrich und Salomon Korn bei Kranzniederlegung
© Stadt Frankfurt, Salome Rößler