Bildschirmfoto 2020 12 26 um 23.26.36Richter Andres Basso hatte keine klare Begründung dafür, warum der Angeklagte Carlos Alberto Telleldin freigesprochen worden ist

Jacques Ungar

Buenos Aires (Weltexpresso) - Jüdische Gruppen in Argentinien zeigten sich am Mittwoch zusehends empört nach dem Freispruch für einen Automechaniker, der im Verdacht gestanden hatte, vor 26 Jahren an der Herstellung der Bombe massgeblich beteiligt gewesen zu sein, die 1994 im jüdischen Gemeindezentrum in der AMIA explodierte. Allgemein hatte man eine Verurteilung für Carlos Telleldin erwartet, doch ein Bundesgericht sprach den Angeklagten nun frei.

Das Gericht könne, wie es erklärte, seinen Beschluss nicht vor dem 26. März begründen. Richter Andres Basso beschränkte sich auf die lapidare mündliche Erklärung, dass der Angeklagte Carlos Alberto Telleldin freigesprochen worden sei. Laut der Anklageschrift hatte er für den Anschlag einen Renault-Lieferwagen mit Explosivstoffen gefüllt. Telleldin hatte das Fahrzeug nach dessen Präparierung auf einem Parkplatz gelassen und es nicht näher identifizierten Personen übergeben, die den Anschlag verübt hatten. Dabei starben 85 Menschen und 300 erlitten Verletzungen.

Die jüdischen Dachorganisationen AMIA und DAIA wollen Berufung gegen das Urteil einreichen. Die jüdische Seite hatte für Telleldin eine Haftstrafe von 20 Jahren gefordert. Der Freispruch ist der vorläufige Höhepunkt eines Kampfes auf der Suche nach einem Schlusspunkt des Falles, der die jüdische Gemeinde des Landes (und auch Israel, nota bene) während Jahrzehnten in Rage gebracht hatte.

Telleldin war nur eine Woche nach dem Anschlag verhaftet worden und hat bereits zehn Jahre in Haft verbracht. Im Gefängnis hatte Telleldin ein Jus-Studium gemacht und auch Rechtswissenschaften praktiziert! Seit langem schon stehen die Hizbollah und Iran in Verbindung mit dem Verbrechen, doch klare Beweise fehlen immer noch. Alberto Nisman, der jüdische Strafanwalt, starb 2015 unter mysteriösen Umständen in seiner Wohnung, nur wenige Stunden bevor er dem argentninischen Kongress seine Beschuldigungen unterbreiten wollte. Der Tod des Anwalts war als Selbstmord kaschiert worden, doch argentinische Bundesgerichte sprachen später offen von einem Mord.

Foto:
Eine Aufnahme vom Anschlag von 1994 in Buenos Aires
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. Dezember 2020

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