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Kategorie: Zeitgeschehen
Bildschirmfoto 2022 06 06 um 01.54.15TEL AVIV  mit dem Disapora-Museum

Redaktion tachles

Tel Avis (Weltexpresso) - Wer sich früher das Diaspora-Museum oder auf Hebräisch Beit Hatefutsot angesehen hat, hatte als Galut-Jude häufig das Gefühl, «nicht ganz richtig» zu sein. Denn einerseits erzählte das Museum die Geschichte der jüdischen Diaspora, andererseits war der Tenor jener Ausstellung früher ganz klar: Diaspora ist Mist. Die Zukunft des jüdischen Volkes ist in Zion. Punkt. Aus. Basta.
Doch während das (nun auch nicht mehr so ganz neue) Konzept von Yad Vashem mit seinem Museum genau das insinuiert, hat das ANU-Museum, wie Beit Hatefutsot heute heisst, den Ton verändert.

Es gibt verschiedene Formen jüdischen Lebens und keine ist besser oder schlechter als die andere, der Zionismus ist nicht mehr als einzig wahre und richtige Lebensform jüdischen Lebens im 21. Jahrhundert definiert. Im dritten Stock des Museums gibt es den Raum «Mosaik», dort stellen viele Juden ihr Judentum in Videoclips vor – diverser kann es nicht sein.

Der zweite Stock ist dann historisch. Die Ausstellung da aber heisst nun: «Ein Volk unter Völkern» und nicht mehr «Ein Volk im Exil» oder «Ein Volk, zerstreut», was natürlich viel mehr auf Zion zielte als der neue Titel. Da gibt es aber auch hebräischen Rap zu hören und sehen und jüdische Schriftsteller werden ebenso vorgestellt wie «hebräische» Schriftsteller. Der Blick nach Zion ist also durchaus vorhanden, natürlich. Denn Zionismus ist ja eine wesentliche Form jüdischer Identität heute, das kann und will das Museum natürlich als Lebensmöglichkeit nicht verleugnen.

Aber insgesamt findet man sich als Diaspora-Jude inzwischen im ANU-Museum besser aufgehoben als früher. Dass die aktuelle Regierung inzwischen auch einen Diaspora-Minister hat, zeigt, dass das israelische Establishment allmählich begreift, dass Israel nicht die alleinseligmachende Alternative für viele Juden ist. Selbst wenn man tief im Herzen dennoch glaubt, dass es in Israel besser sei als «dort draussen».

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 3. Juni 2022