Oberburgermeister Peter Feldmann 3Tragödie und Untergang der Frankfurter SPD

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main - Die Partei überschlägt sich auf ihrer Homepage mit Gender- und Migrationssymbolik.

Doch selbstbestimmte Frauen scheinen ihr ein Gräuel zu sein. Und Zugewanderte sowie andere Minderheiten überlässt sie der grünen Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt, die jüngst dem diesjährigen Ludwig-Börne-Preisträger Eric Gujer Beifall zollte. Obwohl dessen Gesellschaftsverständnis dem der AfD und dem der Identitären entspricht, was man täglich in der „Neuen Zürcher Zeitung“ nachlesen kann, deren Chefredakteur er ist. Das sollte Anlass für einen Rücktritt sein.

Es hat den Anschein, dass in Frankfurt gegenwärtig jene Umwertung aller Werte stattfindet, die George Orwell in seinem Roman „1984“ vorausahnend beschrieb.

Ja, die Rede ist von der SPD. Und der Ehefrau des Oberbürgermeisters. Selbstverständlich auch von Peter Feldmann, der aus dem Amt gedrängt werden soll. Am 9. Juni forderte ihn die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung zum Rücktritt auf. Ebenso von Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, deren Auftritt in der Paulskirche offenbar eine lässliche Sünde innerhalb der Skala demokratischen Fehlverhaltens darstellt. Ganz im Gegensatz zu den dümmlichen sexistischen Sprüchen Feldmanns gegenüber Flugbegleiterinnen. Oder der angeblichen Missachtung des Europapokalsiegers „Eintracht Frankfurt“. Aber gibt es in der Mannschaft nicht einen Spieler, dem Kontakte zu Identitären Bewegung in Österreich nachgesagt werden?

Blättern wir in der Chronik der Ereignisse kurz zurück. Die Ehefrau des Oberbürgermeisters handelte ein für ihre Position als Kita-Leiterin besonders gutes Gehalt aus sowie einen Dienstwagen. Beide seien ihr nur gewährt worden, mutmaßten die politischen Gegner des Ehemanns, weil sich ihr Arbeitgeber, die AWO, dadurch Einflussmöglichkeiten auf das Stadtoberhaupt versprach. Oder weil der Ehemann die AWO, bei der er selbst vor seiner Wahl tätig war, den Wohlfahrtsverband unter Druck gesetzt hätte. Beweise liegen weder für das eine noch das andere vor. Stattdessen argumentieren die Bedenkenträger und Beckmesser mit dem Hinweis auf die längst außer Kraft gesetzte Rolle des Mannes gegenüber seiner angetrauten Frau. Ohne seine Unterschrift konnte die keinen Arbeitsvertrag eingehen. Das waren rosarote Zeiten für Erzreaktionäre wie den früheren Bürgermeister Uwe Becker (CDU).
In der Amtszeit von Peter Feldmann lässt sich nur eine fragwürdige Vereinbarung zwischen Stadt und AWO nachweisen. Nämlich die Anmietung von Flüchtlingswohnungen zu überhöhten Preisen. Verantwortlich dafür war die christdemokratische Sozialdezernentin, die hierzu nicht die Genehmigung ihres Chefs benötigte. Es ist nicht bekannt, dass der Vorgang rechtliche Konsequenzen hatte.

Wegen der schwachen Beweislage gegen Feldmann wurde die Staatsanwaltschaft von interessierter Seite auf eine Spendenaktion von AWO-Funktionären zugunsten der Wahlkampfkasse des Oberbürgermeisters aufmerksam gemacht. Der dafür mündlich eine wohlwollende Berücksichtigung von AWO-Interessen in Aussicht gestellt hätte. Die auch aus anderen Anlässen mehrfach geprüfte Buchhaltung der Arbeiterwohlfahrt weist jedoch keine entsprechenden Einnahmen und Überweisung nach. Und Projekte, die unter Umgehung üblicher Prüfungsverfahren genehmigt wurden, gibt es ebenfalls nicht.

In einem funktionierenden Rechtsstaat hätte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellen müssen. Deshalb wird von Insidern vermutet, dass es Anweisungen aus dem Justizministerium gab, die Sache weiterzuverfolgen. Nunmehr ist beim Landgericht Anklage erhoben worden. Ein Termin über die erste Verhandlung ist noch nicht bekannt. Geschweige denn, dass ein Urteil gefällt und eine Berufung, von welcher Seite auch immer, angestrengt wäre. Bis ein endgültiges Urteil rechtskräftig wird, kann eine lange Zeit vergehen. Bis dahin gilt Peter Feldmann als unschuldig. Und wenn er freigesprochen würde, erst recht. Doch seine Gegner wollen das von ihnen inszenierte Verfahren nicht abwarten. Sie drängen auf Rücktritt und, falls Aufforderung nicht folgt, auf Abwahl. Doch auch deren Ergebnis ist offen. Denn 30 Prozent der Wahlberechtigten müssten sich gegen Feldmann aussprechen.

Die Atmosphäre im Römer gilt bereits jetzt als vergiftet. Erstes Opfer dürfte die SPD sein. Einige Ortsvereine haben sich zu einem Kreuzzug gegen Feldmann bewegen lassen. Als dessen Strippenzieher gilt der Vorsitzende des Unterbezirks, Mike Josef, der auch Planungsdezernent ist. Politische Erfolge kann der einstige Vertraute des Oberbürgermeisters jedoch nicht vorweisen.

Vor sechs Jahren scheiterte er mit dem Plan, das Einkaufszentrum „Hessen-Center“ in Bergen-Enkheim zu einem mit marktbeherrschender Stellung auszubauen. Finanzinvestoren hatten dazu gedrängt. Doch die von der SPD regierte Nachbarstadt Hanau protestierte, beharrte auf einem vielfältigen Angebot für Konsumenten.

Josef legte sich, obwohl die Beschaffung von Wohnraum zu seinen Aufgaben zählt, mit der Initiative „Mietentscheid“ an, die das kommunale Wohnungsnehmen zum Bau von deutlich mehr geförderten Wohnungen verpflichten will.

Als Rohrkrepierer gilt auch das Projekt, auf der „grünen Wiese“ zwischen Autobahn 5 und der Nordweststadt ein Wohngebiet aus dem Boden zu stampfen. Ökologische Bedenken hinsichtlich des Erhalts landwirtschaftlicher Flächen und der notwendigen Frischluftzufuhr für Frankfurt wurden vom Tisch gewischt. Ganz zu schweigen vom Klimaschutz. Zudem würde die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr Jahre dauern. Zurzeit liegt das Vorhaben auf Eis.
Vorgeprescht ist Mike Josef unlängst mit einem neuen Mietspiegel, der allem Anschein nach unter völliger Nichtbeachtung der realen Situation erstellt wurde.

Eine solche Serie von Missgriffen befähigt nicht dazu, Frankfurter Oberbürgermeister zu werden.. Dazu bedarf es des Putsches. Und des anschließenden schnellen Handelns. Denn die Konkurrenz soll nicht in die Lage versetzt werden, aussichtsreiche Kandidaten aufbauen zu können. Doch CDU, Grünen und FDP erscheint das als hinnehmbar. Denn Mike Josef ist ein Garant des Neoliberalismus, ganz im Gegensatz zu Peter Feldmann.

Doch im Interessengeschacher scheint der SPD ein traditioneller Bündnispartner abhandengekommen zu sein. Die Gewerkschaften stehen hinter Feldmann. Erst falls dieser tatsächlich und letztinstanzlich verurteilt werden sollte, ergäbe sich für die Arbeitnehmervertreter eine andere Situation. Auch die Fraktion der LINKEN sieht das so. Und unterstützte nicht die Rücktrittsforderung.

Die SPD, die bei der letzten Frankfurter Kommunalwahl von den Grünen auf Platz 2 verdrängt wurde, wird weiter an Zustimmung verlieren. Denn eine Partei, die zu Vorverurteilungen neigt, zerstört das Vertrauen, auf das sie angewiesen ist. In Frankfurt hat sie leichtfertig eine Niederlage heraufbeschworen. Ihr droht für viele Jahre die politische Bedeutungslosigkeit.

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Oberbürgermeister Peter Feldmann
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