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Kategorie: Zeitgeschehen
Bildschirmfoto 2022 06 15 um 00.27.58Orbach zu Bennett: «Ich betrachte mich nicht mehr als Koalitionsmitglied»

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Einst galt er als enger Vertrauter und Assistent von Regierungschef Naftali Bennett, doch jetzt befindet er sich auf dem Sprung aus der stets wackligeren Regierungskoalition: In einer stürmischen Sitzung am Montag im Büro des Premierministers eröffnete Nir Orbach (Yamina) Bennett, dass er sich nicht länger als Mitglied der Regierungskoalition betrachte. Er beabsichtige nicht länger, mit ihr zu stimmen, außer im Falle des Notstandsgesetzes für Judäa und Samaria.

Orbach verließ das Gespräch mit Bennett aber, wie die «Jerusalem Post» es am Dienstag berichtete, in einer Wut im Bauch und ließ sich auch von den Mitarbeitern des Regierungschefs nicht aufhalten. In einer gleichzeitig veröffentlichten Erklärung verkündete Orbach, die Koalition könne nicht länger so existieren wie sie derzeit geführt werde, nämlich im Vertrauen einzig auf die Vereinigte Arabische Liste (Raam) von Mansur Abbas.

Der gar nicht mehr nur im Hintergrund auf die Entwicklungen wartende ex-Premier (und vielleicht auch der nächste) Binyamin Netanyahu frohlockte: «Bennetts Koalition liegt auf ihrem Totenbett». Jetzt konzentrieren sich die Spekulationen in den Jerusalemer Wandelgängen auf das mutmaßliche Datum der nächsten Knessetwahlen:  Sie dürften frühestens, wenn nicht doch noch eine Lösung für das Überleben der Koalition gefunden werden kann, am 25. Oktober nach den jüdischen Herbstfeiertagen stattfinden. Sollte es der Koalition allerdings gelingen, bis zum Beginn der Knessetferien am 27. Juli auszuharren, könnten Wahlen erst  irgendwann im kommenden Februar stattfinden. Wie dem auch sei: Die Nation steht erneut vor einem Scherbenhaufen des israelischen Parlamentarismus. Und das Zukunftsbild ist nicht weniger trübe, denn die Vorstellung einer Rückkehr ins Amt des abgetakelten Netnayanu entspricht auch nicht gerade der Idealvorstellung des ganzen Volkes.

Foto:
Nir Orbach
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 14. Juni 2022