JY OtO Image RGB Original Credit Brian Hamill Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Juni 2025, Teil 1
 

Hanswerner Kruse

New York City (Weltexpresso) – New York, 30. August 1972. John Lennon ist im ausverkauften Madison Square Garden – zwei Shows an einem Tag, jeweils rund 20 000 Zuschauer. Doch „One to One: John & Yoko“ erzählt das nicht als Rückblick, sondern als Zeit-Collage: Konzert, Politik, Alltagsmaterial wechseln ohne erklärende Kommentare, ohne Einordnung aus dem Off.

 


Der Film besteht aus Konzertmitschnitten, TV-Berichten, FBI-Telefonüberwachungen und privaten Aufnahmen. Musik, Geschichte und persönliche Situationen stehen gleichwertig nebeneinander.

Ziemlich zu Anfang hört man Lennon am Telefon sagen: „Die Beatles gibt es nicht mehr, ich will ich sein.“ Dann folgen erste musikalische Ausschnitte aus dem Konzert: „Power to the People“, „New York City“ – Songs, die den Ton setzen, bevor Fernsehbilder den politischen Rahmen eröffnen. Nixon wird als reaktionärer Präsident gezeigt, es folgen Szenen vom Aufstand im Attica-Gefängnis, der ein Jahr zuvor in einem Blutbad mündete.

„Come Together“ erscheint in neuer Schärfe: Lennon ruft „Stop the war!“, das wiederholte „shoot me“ steht im Raum. Die Bühne wird zum politischen Ort. Dazwischen geschnitten: Interviews mit Jerry Rubin, Ausschnitte aus Talkshows, Auftritte bei Protestveranstaltungen. Lennon engagiert sich für John Sinclair, einen radikalen politischen Aktivisten und Dichter, der wegen einer geringen Menge Marihuana zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Lennon singt für ihn – wenige Tage später wird Sinclair freigelassen.

Die Arbeit an einer von Yoko geplanten Kunstausstellung zieht sich leise durch den Film. In wenigen Szenen ist sie mit dem Besorgen von Fliegen (!) beschäftigt oder spricht über Konzepte. An einer Stelle sagt John: „Es geht uns vor allem um unsere Liebe.“

Zwischendurch: „Cold Turkey“ und „Mother“. Lennons Songs aus einer anderen, inneren Wirklichkeit – Entzug, Verlust, Kindheitstrauma. Die Kamera blickt lange auf ihn und den weißen Flügel. Die Songs wirken direkt, ungebremst.

Lennon und Ono reagieren auch auf eine TV-Reportage über Willowbrook, eine staatliche Einrichtung für rund 5000 Kinder mit Behinderungen. Die Zustände sind katastrophal. Aus dieser Erschütterung heraus organisieren sie das „One-to-One“-Benefizkonzert. Willowbrook nimmt Raum ein – nicht durch Länge, sondern durch Intensität – und bewegt.

JY AT GUITAR HI RES Credit Brian Hamill copyright Ben Ross Photography
Ein Moment in der Mitte des Films bündelt Vieles. Lennon sagt: „Wir wollen die Apathie der Jungen verändern.“ Kein großer Auftritt, sondern ein Satz in einer Gesprächsszene. Eine Haltung. In dieser Phase – politisch extrem aktiv, öffentlich aufsässig, musikalisch unbequem – geraten die Lennons ins Visier der US-Behörden. John droht zeitweise die Ausweisung aus den Vereinigten Staaten.

In einem Song schreit Yoko im Konzert ihren Schmerz und den Namen ihrer Tochter Kyoko ins Mikrofon: „Ky–o–to“ – ein langer Ausbruch voller Verzweiflung und Wut. Unüberhörbar. Die Sorge um ihr Kind, das sie damals nicht bei sich haben durfte, zieht sich sonst eher leise durch den Film. Der Hass, der ihr entgegenschlug, wird ungeschönt gezeigt. Auf offener Straße ruft man ihr „Dein Baby soll sterben“ entgegen oder „Du hässliche Japse“. Traurig erzählt sie von diesen demütigen und aggressiven Übergriffen.

Die Struktur des Films bleibt konsequent: Musik, Dokumente, Musik, Alltag, ohne Moderation, ohne Erklärung. Die Präsenz beider – Lennon und Ono – ist politisch, öffentlich, aber auch brüchig. Sie halten dem Blick stand. Der Film beobachtet. Und überlässt die Deutung dem Zuschauer.

Fotos
Oben © Brian Hamill
Unten © Ben Ross Photography

Über den Film:
„One to One: John & Yoko“, Dokumentarfilm, 1 Std. 41 Min., Filmstart in Deutschland 26. Juni 2025
Regie & Drehbuch: Kevin MacdonaldSam Rice-Edwards
BesetzungJohn LennonYoko OnoAndy Warhol

Eine schlampige Filmbetreuung, weitere Infos und Pressefotos waren nicht zu bekommen.