DAM Stadt Bauen Heute HafenCity Hamburg Moritz BernoullySerie: STADT BAUEN HEUTE? Herausforderungen neuer Quartiere in Deutschland, Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt, Teil 3

Claudia Schulmerich


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wo, in welchem Stadtteil, in welchem Viertel, welchem Quartier, welcher Straße würden Sie am liebsten in der Stadt, in der Sie zu Hause sind, wohnen? Solche Fragen stellt man sich auf einmal, wenn man sich die neue Ausstellung im Frankfurter Architekturmuseum anschaut. Das eigene Wohnen ist oft von so vielen Zufällen abhängig. In dieser Ausstellung kann man an acht Beispielen im Kopf und Herzen spazieren gehen und sich die Wohnung in der Umgebung aussuchen, in der man am liebsten leben möchte. Nicht nur wohnen.

 

Läßt man sich erst einmal darauf ein, diese acht Quartiere – hier werden die für einige Tausend Menschen gedachten Wohngebiete einschließlich sozialer Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten, kleine Gewerbebetriebe, Quartiere genannt, man sagt auch Viertel, Siedlungen sind einförmiger, Stadtteile dann größer, also mehrere Quartiere umfassend – unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, zu erforschen, ob man selbst so wohnen möchte, werden die gezeigten Quartiere, ihre Zahlen, Worte und Bilder an der Wand auf einmal lebendig. Das gilt auch für die Vergangenheit. Denn es beginnt als historische Referenz – in Frankfurt angesichts des hundertjährigen Jubiläums des Neuen Frankfurt – natürlich mit der Römerstadt, dem Vorzeigeprojekt vom in Frankfurt 1886 geborenen Ernst May, Siedlungsdezernent  in Frankfurt am Main von 1925 bis 1930, dem es gelang, in diesen fünf Jahren rund 12 000 neue Wohnungen zu schaffen. Das wäre heute nie und nimmer möglich, denn damals, nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs, waren die demokratischen Beteiligungsrechte einzelner und von Gruppen noch überhaupt nicht entwickelt und auch nicht die entsprechende Bürokratie in den Abteilungen der Stadt.

 

Damals konnte also Ernst May sich erstens die Architekten aussuchen, von denen er modernes Bauen erwarten durfte, zweitens die Gebiete in der Stadt Frankfurt aussuchen, die ihm geeignet für ganze Siedlungen schienen. Gerade was die Römerstadt angeht, damals Wiesen und landwirtschaftliche Flächen, die deshalb Römerstadt heißt, weil der Grund und Boden das alte römische Nida beheimatete, würden heute Denkmalamt und die gesamte Öffentlichkeit HILFE schreien, denn heute weiß man, wie rücksichtslos man in diesem so wichtigen archäologischen Areal wütete. Die Vorstellung, dass beispielsweise die Frankfurter römische Silberinschrift , die vor einigen Jahren geborgen in einem Schutzamulett im Grab eines Römers ausgegraben wurde und inzwischen auf die Mitte des 3. Jahrhunderts datiert und als ältestes Zeugnis des Christentums nördlich der Alpen entziffert wurde, dass die also damals verloren gegangen wäre, tut weh.

Andererseits ist der Mut, die Konsequenz und Arbeitswut, mit der May und seine Mannschaft in so kurzer Zeit Wohnraum, meist mit Garten, für Menschen schuf, die teils vom Krieg noch traumatisiert, auf jeden Fall aber eingeengt gelebt hatten, einfach bewundernswert, ganz unabhängig davon, dass es sich lichter und luftiger leben ließ, als in den enggebauten Straßenzügen der Altstadt beispielsweise, die der zweite Weltkrieg dann ausbombte. Die Mehrzahl sind kleine Häuser, aber auch größere Wohneinheiten haben alle von Anfang an Zentralheizung, Bad und die Frankfurter Küche. So war die Römerstadt die erste vollelektrisierte Siedlung Deutschlands, auf den überall vorhandenen Radioanschluß wird extra verwiesen, wobei der erste Radiosender Ende erst 1923 in Betrieb ging!

Das ist gut mit dem Beispiel Römerstadt anzufangen, weil es historisch aufweist, warum heute innerhalb von fünf Jahren noch nicht einmal Bauprojekte durchgewinkt werden können, von der Fertigstellung von Wohnraum ganz zu schweigen. An den Wänden im ersten Stock des Architekturmuseums kann man die einzelnen Schritte verfolgen, die heute nötig sind, bis aus dem Wunsch, der Absicht ein Projekt wird und wie lange es dauert, bis aus dem Projekt dann tatsächlich Wohnraum entsteht.

Und das dann auch noch unter der Prämisse, wie man bezahlbaren Wohnraum schaffen kann, denn es geht nicht um teuere Wohntürme für reiche Leute, sondern um bebauten Raum für Familien und einzelne, die mit ihrer Wohnung auch eine Lebensumgebung erhalten, wo man einkaufen kann, die Kinder schulisch versorgt sind, Sportmöglichkeiten vorhanden sind, Ärztezentren, vielleicht auch Gewerbebetriebe, Lokale etc. und in Frankfurt auf jeden Fall in einem Quartier auch ein Wasserhäuschen vorhanden ist, was woanders Kiosk heißt, hier nicht! Ein positiver sozialer Brennpunkt sozusagen!

Außerdem versucht man heute weit stärker als in den Zwanzigern das Wohnen mit Arbeiten zu verbinden. Auch in der Römerstadt waren Schulen und Geschäfte eingeplant, aber sie blieben reine Wohnsiedlungen. Die heutige Quartierprojekte versuchen Wohnen und Arbeiten zu verbinden, was sich schon in den Planungszahlen ausdrückt, wenn beispielsweise HafenCity, Hamburg, von einer Fläche von 157 Hektar ausgeht. Im zweiten Schritt liest man: Landfläche 127 Hektar. Klar, Hafen ist Wasser. Die Römerstadt umfaßt ca. 50 Hektar zum Vergleich. In ihr geht man von 2.500 – 3. 000 Bewohnern aus. In Hamburg wurde seit 1999 für ca. 16 000 Bewohner gebaut, wobei auch 45.000 Arbeitsplätze entstehen sollten.

Sehr detailliert sind den acht Modellen aus Deutschland die Zahlen von Hektar, Menschen und Arbeitsplätzen angegeben, die in der Redaktion von WELTEXPRESSO zur Diskussion führten, dass hier einmal Material für die Presse als Abbild der Ausstellung so vorbildlich vorgelegt wurde, dass wir die acht Modelle von Hamburg über HeidelbergHeilbronn, Bad Aibling, München Riem, Berlin, Rostock und einem bisher gescheiterten Projekt in Frankfurt am Main, den Günthersburghöfen, nachveröffentlichen werden.

Fortsetzung folgt

Foto:
HafenCity Hamburg
©Moritz Bernoully

 Info:
STADT BAUEN HEUTE? Herausforderungen neuer Quartiere in Deutschland, Ausstellung im DAM in Frankfurt
28. Juni bis 2. November 2025