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Kategorie: Alltag
wiwo.deCorona-Newsletter des hr

Sven-Oliver Schibat

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Iin den ersten zwei Jahren der Pandemie hörte ich zwar immer mal von irgendwem, der oder die von irgendwelchen Corona-Infizierten im näheren oder weiteren Familien- und Bekanntenkreis berichten konnte, darunter waren auch einige schwere und leider auch ein paar Todesfälle. Aber die meisten Menschen in meinem Umfeld hatten nicht direkt etwas mit Corona zu tun. Doch dieses Jahr ist das anders. Die Omikron-Variante wird ihrem Ruf voll gerecht und infiziert gefühlt alle, die nicht bei drei isoliert im Homeoffice sind - was für die schwierig ist, bei denen Homeoffice keine Option ist oder die Kita- oder Schul-Kinder haben.

Rekordwerte - und warum sie wenig aussagen

Bundesweit werden aktuell täglich Rekorde gebrochen, die man nie brechen wollte. Am Mittwoch wurden erstmals mehr als 10.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden registiert. Mehr Neuinfektionen, als in den ersten drei Monaten der Pandemie zusammen!

Heute haben fünf Kreise und Städte in Hessen eine Inzidenz über der 1.000er Marke und natürlich ist auch die Sieben-Tage-Inzidenz in Hessen insgesamt auf einem neuen Höhepunkt angelangt: 827,7 gegenüber 739,6 am Vortag. Der Omikron-Anteil liegt inzwischen bei 92 Prozent. Aufgrund technischer Probleme bei der Übermittlung der Zahlen könnten die Werte womöglich sogar noch höher sein.

Bis auf den Werra-Meißner-Kreis ist ganz Hessen ein einziger Corona-Hotspot. Und auch da dürfte es nicht mehr lange dauern, denn die Inzidenz dort liegt aktuell bei 338,8. Die Corona-Fälle in hessischen Altenheimen haben sich innerhalb einer Woche mehr als verdoppelt: Von 325 auf 607 am Donnerstag. Auch die Hospitalisierungsinzidenz steigt seit einigen Tagen deutlich und liegt heute bei 4,24 - vor einer Woche lag sie noch bei 2,62. Der Höhepunkt der Welle wird voraussichtlich in einigen Wochen erreicht. Und der könnte ziemlich heftig werden.

Die Sieben-Tage-Inzidenz muss man jedoch mit Vorsicht betrachten, da sie aktuell nur PCR-bestätigte positive Fälle enthält. Wer also ohne PCR-Test mit leichten Symptomen einfach zuhause bleibt und sich auskuriert, wird nie in dieser Statistik auftauchen. Und Infizierte ohne Symptome erst recht nicht. Außerdem bildet sie nicht die Schwere der Fälle oder das Alter der Infizierten ab.

Eine Infektion mit Corona in der ersten Welle bedeutete einfach etwas anderes als jetzt in der Omikron-Welle, schon alleine weil wir die Impfstoffe haben und über 71 Prozent aller Menschen in Hessen doppelt geimpft sind, während über 46 Prozent sogar geboostert sind.

Auch lassen sich die Inzidenzen nicht vergleichen: 2022 wird viel mehr getestet, als es 2020 der Fall war. Zu Beginn der Pandemie hatten wir keine Selbsttests - viele symptomlose Infektionen dürften unbemerkt geblieben sein.

Auf die leichte Schulter nehmen darf man die Inzidenz aber auch nicht: Sie zeigt, dass das Virus ein enormes Tempo vorlegt, Omikron wesentlich ansteckender als Delta ist und selbst mit leichten Verläufen aufgrund der Masse der Infektionen ein Problem für die sogenannte kritische Infrastruktur werden kann.

Und trotzdem könnte es theoretisch sein, dass die Inzidenz demnächst aufhören könnte zu steigen. Da nur so viele PCR-Tests ausgewertet werden können, wie Laborkapazitäten vorhanden sind, kann sie nicht beliebig wachsen. Schaut man dann nur auf die Inzidenz, bekommt man ein falsches Bild geboten. Mein Kollege Jan Eggers hat das Problem in diesem Artikel ausführlich behandelt.

Zusammengefasst bedeutet das: Die Zahl der Neuinfektionen ist zwar beunruhigend, aber für sich nicht so aussagekräftig, wie es auf den ersten Blick scheint. So gilt auch weiterhin das, was seit zwei Jahren gilt: Bleiben Sie entspannt und besonnen, aber vorsichtig. Und nicht die AHA+L-Regeln vergessen!

Übrigens: Wenn Sie wissen wollen, wie zuverlässig der Selbsttest im Supermarkt mit Blick auf Omikron ist, können Sie entweder in dieser langen Liste vom Paul-Ehrlich-Institut nachschauen oder auf der Seite schnelltesttest.de ganz einfach per Smartphone den Strichcode einscannen. Die Suche per Text funktioniert auch, allerdings hat sie bei meinem Selbsttest nur über den Zahlencode das richtige Produkt gefunden. Die Suche nach Hersteller oder Produktname funktionierte nicht.


Kommt jetzt die Endemie? Und was bedeutet das?

Von einer Endemie spricht man dann, wenn in einer Bevölkerung eine ausreichende Grundimmunisierung gegen einen Erreger vorhanden ist. Das kann durch Impfungen geschehen, aber auch durch überstandene Infektionen.

Da es momentan danach aussieht, dass am Ende dieser Welle jeder in irgendeiner Form Kontakt mit Omikron gehabt haben könnte, taucht immer häufiger die Frage auf: Ist Omikron der Weg raus aus der Pandemie in die Endemie? Die Antwort ist: Vielleicht.

Am Ende wird es nämlich darauf ankommen, wie es mit Corona weitergeht. Zum Beispiel, ob auf Omikron eine Variante folgt, mit der sich auch Omikron-Genesene wieder anstecken können. Virologe Christian Drosten sagte zu solchen Mutationssprüngen in einem Interview mit dem "Tagesspiegel": "Das wird in Zukunft weiter passieren, alle paar Jahre oder jetzt, zu Beginn der Pandemie, vielleicht auch öfter." Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer zeigte sich im Interview mit uns recht optimistisch, dass nicht nur der kommende Sommer, sondern auch der nächste Herbst und Winter wieder normal sein könnten. Einziger Haken: Die Impfquote müsste dafür steigen.

Einig sind sich die Experten übrigens in dem Punkt, dass man die Pandemie jetzt nicht "einfach laufen lassen" sollte. Bedeutet: Alle Maßnahmen aufzuheben und das Virus wie eine Grippe zu behandeln wäre bei der recht niedrigen Impfquote in Deutschland der falsche Weg. Das Risiko, damit zu viele schwere Fälle in kurzer Zeit zu generieren, ist noch zu hoch.


Neue Änderungen rund um Corona

In Hessen gelten seit dieser Woche neue Corona-Regeln. Die Änderungen betreffen die Quarantänedauern, die 2G-Plus-Regel in der Gastronomie und für Schülerinnen und Schüler, Veranstaltungsgrößen und FFP2-Masken. Im Detail können Sie alles in unserem Fragen&Antworten-Artikel nachlesen.

Da fast ganz Hessen inzwischen ein Hotspot ist, gilt nun auch an vielen Orten wieder eine Maskenpflicht in Innenstädten. Aus diesem Grund finden in den nächsten Tagen in einigen Städten verstärkt Kontrollen statt. Bei zwei Verstößen an einem Tag können in Frankfurt zum Beispiel 300 Euro fällig werden. Denken Sie also beim Bummel durch die Innenstadt unbedingt an Ihre Maske!

Und diese Änderung dürfte einige Geimpfte ziemlich kalt erwischen: Wer mit dem Impfstoff von Johnson&Johnson geimpft wurde, galt bereits nach einer Impfdosis als vollständig geimpft. Das hat sich nun geändert: Aufgrund der geringen Schutzwirkung gegenüber der Omikron-Variante müssen auch Johnson&Johnson-Geimpfte zwei Impfdosen für die Grundimmunisierung und insgesamt drei Impfdosen für den Booster bekommen. Sollte man für die 2G-Plus-Regel im Hinterkopf haben. Die gilt jetzt aber auch für zweifach Geimpfte als erfüllt, wenn die zweite Impfung weniger als drei Monate her ist.

Ebenfalls geändert hat sich die Dauer des Genesenen-Status: Der erlischt nach einer überstandenen Infektion nun nicht mehr nach sechs, sondern bereits nach drei Monaten.

Wenn Sie mich fragen: Allmählich wird es unübersichtlich.

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