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Kategorie: Alltag
LKW blockiert eine private HauszufahrtSind wir einer in Teilen inkompetenten Justiz ausgeliefert?

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main – Einem Bürger in Frankfurt-Sachsenhausen wird die Einfahrt zur privaten Tiefgarage durch einen LKW mit aufgeladenem Müllcontainer versperrt, der hierzu keine behördliche Genehmigung besitzt.

Der in seinen Rechten Beeinträchtigte, der von einem Einkauf zurückkommt und anschließend seine gehbehinderte Ehefrau abholen will, um sie zu einem Termin zu chauffieren, glaubt an einen Irrtum des Fahrers und hupt mehrmals, um diesen auf den offensichtlichen Fehler aufmerksam zu machen. Doch der rührt sich nicht. Daraufhin eilt der Genötigte aus seinem PKW, geht auf den LKW zu und spricht den Fahrzeugführer an, der gelassen am Steuer sitzen bleibt. Und der die Ansprache völlig ignoriert. Insbesondere die Hinweise, dass für das Haus, dessen Zufahrt er blockiere, keine Entsorgung in Auftrag gegeben worden sei. Mutmaßlich verwechsele der LKW-Fahrer die Häuser. Denn vor der sich anschließenden Liegenschaft, unmittelbar neben der dortigen Ein- und Ausfahrt, befände sich ein Container, der allem Anschein nach ausgetauscht werden solle. Und er appelliert an die Einsicht des Fahrers, als er zusätzlich auf die Situation seiner gehbehinderten Frau aufmerksam macht.

Doch der Mann erweist sich als borniert, rücksichtslos und aggressiv. Er verwahrt sich gegen das Hupen und kündigt an, seinen Container exakt vor die Einfahrt stellen zu wollen. Der Anwohner, der sich zunehmend als Opfer einer illegalen Aktion sieht, greift daraufhin zu seinem Smartphone und macht deutlich, dass er die Polizei verständigen werde. Daraufhin verlässt der Fahrer seine Kabine, tritt auf den Gehweg und nimmt eine drohende Haltung ein.

Der Bedrängte hält die Situation in Fotos fest, was auf den Protest des LKW-Fahrers trifft. Dann geht er rasch zu seinem Auto, um die Polizei zu rufen. Der Fahrer stellt ihm nach und verlangt mehrfach durch die halbgeöffnete Seitenscheibe hindurch, das Foto zu löschen. Als er damit keinen Erfolg hat, kehrt er in sein Fahrzeug zurück und beginnt damit, den Container herunterzulassen. Das erfordert ein mehrmaliges Rangieren nach vorn und hinten. Der Anlieger erkennt die Gunst der Minute, fährt vorsichtig an dem LKW vorbei, denn der verbleibende Fahrweg ist extrem eng, biegt vor dessen Front eilig in die kurzzeitig frei gewordene Lücke in die Einfahrt ein und bringt sich in der Garage in Sicherheit.

Vom Balkon seiner Wohnung verfolgt er das weitere Manöver auf der Straße, das noch etwa eine Viertelstunde andauert. Der leere Container wird abgesetzt, dann fährt der LKW zum gefüllten Container, hebt diesen auf das Fahrzeug, setzt zurück, greift sich den leeren Behälter, hebt ihn hoch, so dass dieser an der Aufhängung pendelt (was auf öffentlichen Straßen während der Fahrt verboten ist), fährt wieder ca. 20 Meter nach vorn und setzt den leeren Behälter ab, was erneut ein aufwändiges Rangieren erfordert. Die Garagenzufahrt des Nachbarhauses, die ein eleganteres Auf- und Abladen ermöglicht hätte, übersieht er konsequent. Auch die immer länger gewordene Schlange wartender Fahrzeuge scheint ihn nicht zu interessieren.

Der genötigte Anwohner sendet eine E-Mail an das zuständige 8. Polizeirevier, der ein Strafantrag samt ausführlicher Schilderung des Vorgangs sowie mehrere Fotos als Beweismittel hinzugefügt werden. An den folgenden Tagen hat der ermittelnde Polizeibeamte noch Rückfragen, die unverzüglich beantwortet werden. Dem Antragsteller wird sogar empfohlen, die Anzeige wegen Nötigung um den Straftatbestand der Bedrohung zu erweitern, was auch geschieht.

Mit Datum vom 19. Mai 2022, 13 Wochen nach dem Vorfall, teilt die Amtsanwaltschaft Frankfurt dem Bürger jedoch mit, dass das Verfahren (Verdacht auf Nötigung und Bedrohung) eingestellt worden sei. Die Angaben von Antragsteller und Beschuldigten zum Vorgang widersprächen sich in wesentlichen Teilen und schlössen sich gegenseitig aus. Es seien keine Gründe zu erkennen, den Angaben einer Seite mehr Gewicht beizumessen. Zeugen und objektive Beweismittel seien nicht vorhanden. Auf die digital übermittelten Fotos, die Metadaten hinsichtlich Zeit und Ort aufweisen, wird im Einstellungsbescheid nicht eingegangen.

Nun ist es in Strafsachen dieser Art durchaus üblich, das Aussage gegen Aussage steht und folglich die Kunst des professionellen Ermittelns notwendig ist. Allein das Verweigern von Persönlichkeitsrechten (selbstbestimmtes Ein- bzw. Ausfahren aus einem Privathaus einschließlich der Diskriminierung einer Behinderten durch vorsätzliches Blockieren der Fahrbahn) hätte Anlass zu einer exakten Recherche des Sachverhaltes sein müssen. Jetzt steht vielmehr zu befürchten, dass ein Nachwuchskrimineller ermuntert wurde, weiterzumachen. Das Aktenzeichen des Vorgangs lautet 443 Js 19101/22.

In einem anders gelagerten Fall vom Oktober 2016, der denselben Bürger betrifft, hatte die Frankfurter Amtsanwaltschaft ebenfalls ein Verfahren eingestellt. Damals wurde der Erwähnte unmittelbar vor seiner Garage, also im Bereich seiner Privatwohnung, von einem Unbekannten niedergeschlagen und erheblich verletzt. Der Täter hatte die Ausfahrt versperrt und auf die Aufforderung hin, sich zu entfernen, zugeschlagen.
Die Amtsanwaltschaft erkannte in der Auseinandersetzung lediglich eine gegenseitige Körperverletzung, wobei sie offen ließ, auf welche Weise der Überfallene hätte Gewalt ausüben können und was er sich schulden kommen ließ. Die Beamten einer per Notruf 110 zur Hilfe geholten Polizeistreife hatten bereits erhebliche Zweifel an der Darstellung des Täters geäußert. Eine zweite Streifenwagenbesatzung, zwei Polizistinnen, nahm dann einen formellen Strafantrag auf und kündigte eine Vernehmung an, zu der es aber nicht kam. Der geschädigte Bürger hat sich dann ohne Aufforderung per E-Mail beim zuständigen Polizeirevier gemeldet, ein Protokoll sowie Beweisfotos übermittelt.

Die Amtsanwaltschaft berücksichtigte die übergebenen Beweisstücke nicht, darunter ein ärztliches Attest über Art und Umfang der zugefügten Verletzung. Der behandelnde Arzt, von seiner Schweigepflicht entbunden, wurde nicht befragt. Stattdessen wurde der Antragsteller im Einstellungsbescheid belehrt, dass es sich nicht um ein unbefugtes Eindringen in eine Privatwohnung (die normalerweise unter dem Schutz des Grundgesetzes steht), gehandelt hätte. Unberücksichtigt blieb auch der Sachverhalt, dass zeitlich parallel zu dem Angriff rechtsradikales und antisemitisches Werbematerial in den Briefkasten des Betroffenen eingeworfen worden war. Der in der ehrenamtlichen Bildungsarbeit Aktive wird seit August 2016 mit rechten Pamphleten überschüttet, in denen er auch bedroht wird.
Dieser Fall wurde bei der Amtsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 752Js 60110/16 geführt.

Möglicherweise ist die Amtsanwaltschaft Frankfurt mit Fällen der dargestellten Art, strukturell überfordert. Die Aufgaben der Staatsanwälte werden dort von Rechtspflegern übernommen, die eine Zusatzausbildung absolviert haben. Nicht selten werden auch Rechtsreferendare, die sich auf das Richteramt vorbereiten, dazu verwendet. Als selbstständige Behörde existiert eine Amtsanwaltschaft in Hessen nur in Frankfurt am Main. Ihre Einrichtung wurde von der seinerzeitigen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) gefördert. Ihr Zweck sollte die zügige Bearbeitung von Strafsachen im Bereich der Alltagskriminalität sein. Nun hat es den Anschein, als erfolge die Erledigung solcher Fälle vorwiegend durch Nichtbefassung. Frau Kühne-Hörmann wurde mittlerweile als Justizministerin entlassen. Das von ihr zu verantwortende Desaster in der hessischen Rechtspflege war dem neuen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) offenbar zu groß.

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LKW blockiert eine private Hauszufahrt
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