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Kategorie: Bücher
Bildschirmfoto 2022 05 08 um 11.09.23Thriller von Rebecca Fleet und Krimi von Christian Buder, Teil 3/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mit dem Dachs im Krimi-Titel fängt das Geschehen an und mit ihm endet es auch. Da zeigen sich die guten, ethischen Seiten von Ronan Prad, der der Gendarmerie Maritime angehört. Dieser Dachs, der in seinem Bau seinen Nachwuchs schützen will, wird von drei wilden Jägern angestochen, was der hinzukommende Prad nicht erträgt, die drei erst entwaffnet und dann mit Gewalt erreicht, daß diese mit dem verwundeten Dachs den Tierarzt aufsuchen. Der Krimi endet, daß der von den Bösen verfolgte Prad in der Dachshöhle im Wald die gefährliche Nacht übersteht.

Dann kommt die Welt wieder in Ordnung, in die schlechte Ordnung, aber immerhin sind die mafiösen Verbrecher an der bretonischen Küste, die mit den Flüchtlingen des kriminellen Lagers „La Jungle“ in Calais, ihre tödlichen Geschäfte machten, aus dem Verkehr gezogen. Diese Geschichte ist so komplex, es passiert ständig so viel, an dem zudem viele Personen beteiligt sind, daß man sie nicht adäquat wiedergeben kann.

Entwerfen wir also das Szenario. Prad ist ein harter Bursche, dem Gerechtigkeit über alles geht. Er leidet noch immer massiv daran, daß seine Frau Camille vor 13 Jahren mit ihrem Boot auf dem Meer verschwand. Das Meer, die Küste, die Boote, die Schiffe spielen die eigentliche Hauptrolle im Roman, die tödliche Hauptrolle, denn es verschwinden ständig Menschen in ihren Booten, die manchmal Jahre später am Meeresgrund tot gefunden werden, wie das Schiff, das uns den Roman über beschäftigt, das Prad entdeckt und in ihm unzählige Leichen findet, darunter auch die eines vor Jahrzehnten verschwundenen Ehepaares mit ihren Kindern. Alle Leichen tragen ein T-Shirt mit der Aufschrift LONDON TOURS. Hier darf man nicht zu erwähnen vergessen, daß Prad beim Tauchen von einem Personenschützer des örtlichen Bürgermeisters angegriffen wurde, eindeutig mit Mordabsicht, was aber der gestählte und einfach kluge Prad abwendete. Der Tote ist also der andere.

Dieser Bürgermeister bildet das politische Zentrum des Geschehens, doch Prad ist einer der wenigen, der erkennt, daß dieser zwar nach außen derjenige ist, der alles in der Hand hat, der alles kontrolliert, auch millionenschwer geworden ist, weil er alles aufkauft, Mafiaboß eben, aber längst dement ist und von einem im Hintergrund gesteuert wird, der mit dessen Renommee seine üblen Geschäfte macht, die mit den Flüchtlingen, aber auch mit allem zu tun hat, wo Geld herauszuschlagen ist.

Das Pikante ist, daß Prad einst Legionär der französischen Fremdenlegion war, aber die Mafia um den Bürgermeister herum auch. Nur so kann man dem Leser die so brutale wie auch clevere Vorgehensweise dieser Gruppe erklären, die der im selben Umfeld der Fremdenlegion geschulte, deshalb überlebende Prad kennt und gut erwidern kann.

Worum es geht: zwei Stränge. Die Suche nach Vermißten in ihren Booten, ganz neu: ein Fischer, was daran denken läßt, wie vor vielen Jahren eine ganze Familie verschwand. Da kommt die Neue an der Gendarmerie, Marie, gerade recht. Auch weil gerade eine junge tote Frau mit ihrem toten Baby an Land gespült wurde, was direkt mit dem zweiten Strang verbindet. Der ist nämlich das Verfolgen dessen, was das alles mit LONDON TOURS zu tun hat, einer Organisation, die für viel Geld von Geflüchteten bezahlt wurde, nach England zu kommen, die aber stattdessen ermordet in gesunkenen Schiffen gefunden werden.

Hier geht es rund. Warum mir dieser, aha, am Anfang steht: „Der Roman beruht auf wahren Begebenheiten“, gut gefallen hat, hat nicht mit besonderer Schreibkunst zu tun, erst recht nicht mit dem moralisch integren, aber brutalen Ronan Prad, sondern mit einem Klima von Wahrheit. Ja, man kann sich diese schwierigen Verhältnisse in dieser Fischerstadt sehr gut vorstellen. Dem Krimi haftet etwas von Wahrhaftigkeit an. So ist das Leben. So rau und gemein an der Küste, wo Wasser nicht für die Touristen zum Schwimmen da ist, sondern durch Fischen das Überleben der Familien versucht wird, das Meer aber immer wieder hart zurückschlägt, doch am härtesten die Menschen, die durch den Mord an anderen daran verdienen.

Harte Kost, die das Gefühl zurückläßt, wir hätten uns vor der bösen Wahrheit nicht versteckt, sondern sie zumindest lesend zur Kenntnis genommen.

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Info:
Rebecca Fleet, Die Stiefmutter, Goldmann Verlag, Februar 2022
ISBN 978 3 442 49222 0

Christian Buder, Der Dachs, Aufbau Verlag, 2022
ISBN 978 3 352 00963 1