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Kategorie: Bücher
Bildschirmfoto 2023 12 23 um 23.20.19David Safier schlägt zum dritten Mal mit seiner speziellen Hobby-Detektivin zu

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nach dem dritten Band kann man sich schon überhaupt nicht mehr vorstellen, daß diese rüstige Rentnerin, die sich zur Meisterdetektivin mausert, eine andere Person als die, der uns allen bekannten Bundeskanzlerin Schmangela Terkel. Und wie hier gehen die meisten, sehe reichlichen Scherze von David Safier auf und lassen im Lauf der Geschichte auch nach, die sich immer mehr um eine komplizierte Mordermittlung dreht, bei der vor allem diejenigen, die selbst Krimis schreiben wollen, viel lernen!
Damit ist der eigentlich Plot benannt. Miss Merkel will nicht mehr nur ermitteln, sondern selber Kriminalromane schreiben und hat auch zwei formidable englische Vorbilder: Agatha Christie (1890-1976), klar, wer sonst, aber auch Dorothy L. Sayers (1893-1957), die literarisch viel höher angesiedelt vor allem für ihre klassischen Detektivgeschichten berühmt ist. Und genau solche klassischen Krimis sind das Ziel der erst nur in Gedanken Schreibenden, von dem nur sie selbst und nun auch die Leserin wissen.

Darum hat Miss Merkel - die immer von ihrem Hund Pupsi, ihrem Mann Achim, ihrem Personenschützer Mike und ihrer Freundin Marie mit 2jährigem Buben begleitet wird – eine kleine Kreuzfahrt auf der Elegant Princess gebucht: eine Krimi-Kreuzfahrt auf der Ostsee. Die rothaarige Lisa Adler, selbst Krimi-Autorin, hatte die Idee, die ihr Mann, Schiffahrtskapitän , der aussieht wie Bill Clinton, nun mit 412 Personen an Bord durchführt, von denen die allermeisten Watzis sind. Das sind die Anhänger, ach nein, das sind die Anhängerinnen von Florian Watzek, dem Megastar des Psychokrimis, die hier auf dem Schiff ihrem Idol so nahe fast durchdrehen.

Im Programm der dreitägigen Reise mit Schreibseminaren kann man nachlesen, wer noch mit dabei ist. Jochen ‚Jokel‘ Fuchs ist bekannt durch seine Inselkrimi, von denen Band 33 so eben erschienen ist, Detlef Reiter hat den Pathologen Killian Groth erfunden, der in der Nazizeit ermittelt, was ihn vor allem im Ausland so berühmt gemacht hat, daß es eine amerikanische Serie mit
Und dann sind noch Sven Ding alias Jean-Claude Luberon dabei und Gwendolyn Gold. Ersterer schreibt erfolgreiche Provence-Krimis, Letztere schreibt beim Publikum erfolglose Tierkrimis, die aber bei der Kritik als klassische Krimis gut ankommen.

Das macht Safier richtig gut, wie er den Leser in das Geschehen mitnimmt, denn er hat, wie man sieht, viel Stoff, schon jeder der Krimiautoren hat eine aufregende Vita und vor allem ist die Konkurrenz zwischen ihnen das große Thema, nur einer ist konkurrenzlos: Publikumsliebling Florian Watzek. Und gerade der wird schon am ersten Tag ermordet. Besonders fies: Bei seiner Vorstellung vor Publikum mit der Guillotine fällt sein Kopf in einen Korb, wo schon der zuvor als Versuchsballon geköpfte Kürbiskopf liegt. Was ahnungslose erst mal als Selbstmord verkünden, ist in Wahrheit Mord, wie Miss Merkel merkt, die also auch Miss Merker heißen könnte. Denn die beiden Knöpfe, die einmal echt und einmal als Fake das Beil sausen lassen, sind übermalt. Er hat sich also wirklich selbst umgebracht, aber ist nicht sein Mörder. Wer dann?

Unmöglich, die vielen Wendungen wiederzugeben, die die Geschichte nimmt, und noch unmöglicher, hier den Gedankengängen der Merkel zu folgen, die unaufhörlich zwischen Realität und dem inneren Monolog kreisen, den ihre beiden Heldinnen Christie und Sayers in Ägypten führen, wo sie einen altägyptischen Fall aufklären, der auf einmal viel mit dem neudeutschen Krimi zu tun hat.

Das ist gekonnt gemacht und erfordert Aufmerksamkeit beim Lesen, denn es ist wirklich eine fast klassische Kriminalgeschichte und nicht allein ein auf Publikum zielender Gag mit dieser Miss Merkel.

Bildschirmfoto 2023 12 23 um 23.21.09Hat David Safier dazugelernt? Wenn ich diesen komplizierten Krimigang vergleiche mit dem zweiten Band, MORD AUF DEM FRIEDHOF, der ebenfalls eine interessante Geschichte mit individuell gezeichneten Figuren brachte, so fällt  wohltuend auf, daß dümmliche Interpretationen der Gedanken und Gefühle der Ex-Kanzlerin und ihres Ehemannes, auf ihre Beziehung, ihre Ehe bezogen, diesmal fast fehlen. Daß jemand die Ex-Bundeskanzlerin als Heldin seiner Krimis nimmt, muß die aushalten. So ist das mit der Prominenz. Daß sie aber im zweiten Krimi zu einer dümmlichen alten Gans zwischen zwei Männern stilisiert wird, ist einer in der DDR aufgewachsenen und zudem wissenschaftlich orientierten Frau unwürdig. Kleinbürgerlich prüde mit einem Frauenbild von vorgestern war man in Westdeutschland, in der DDR dagegen wuchsen Frauen einfach kerniger auf. Fragen Sie Wolf Biermann!


P.S.
Beim Fehlerdurchlaufprogramm wurde in Rot Watzek angezeigt und als mögliche Korrektur tatsächlich Fitzek aufgeführt.


Foto:
Umschlagabbildung

Info:
David Safier, Miss Merkel. Mord auf hoher See,
Kindler/Rowohlt, 12. 12. 2023
ISBN 978 3 463 00031 2