Rupert Holmes verhilft zu McMasters Handbuch zum Morden
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dreimal schlucken. Und schon nach den ersten Zeilen weiß man, das muß ein britischer Autor sein. In solchem Slang spricht nur einer, der echte Mr. Holmes persönlich. Aber hier spricht er mit weitaus schwärzerem Humor. Und schon verfolgt man den Autorennamen im Internet und findet einen David Goldstein, in England geboren, aber in den USA in der Nähe New Yorks aufgewachsen, mit beiden Staatsangehörigkeiten. Nur - und das ist wichtig: Rupert Holmes ist wirklich sein lebenslanger Name als Komponist, Songschreiber, Musiker, Liedermacher, Comedian, Dramatiker, Drehbuch- und Romanautor, etc. und seine Texte aus dem amerikanischen Englisch übersetzt.
Wer sich noch erinnert an seinen Erfolgsroman WHERE THE TRUTH LIES von 2003, weiß auch, dass dieser zum Film WAHRE LÜGEN wurde. Er ist als Schriftsteller auf jeden Fall ein wahrer Schelm! Folgerichtig setzt er, der sich hier Herausgeber nennt, die Handlung dieses Kriminalromans in den 50er Jahren an, denn so ehrerbietig und geradezu devot seinem Wohltäter gegenüber, der sein Studium des Mordens finanziert, wie in den schriftlichen Ergüssen die Hauptfigur Cliff Iverson formuliert, spricht heute kein Mensch, sprach auch in den Fünfzigern niemand mehr, eher ist sprachlich das 19. Jahrhundert angesagt, aber das ist egal, es soll mit Absicht etwas antiquiert wirken, sowohl die Sprache wie auch die Handlung, die nichts anderes ist als eine Anleitung zum Morden, nicht in kurzen Episoden erzählt, wie in ANLEITUNG ZUM UNGLÜCKLICH SEIN des unvergessenen und genialen Paul Watzlawick, sondern als präzise fortlaufende Handlung über 600 Seiten, eingeleitet und ausgeleitet von den Grundlagen und Lektionen MORDEN – ABER RICHTIG!
Man muß schon einen Hang zu Skurrilem haben, wenn man sich auf McMasters Fernkurs des richtigen Mordens in 52 Kapiteln einläßt, der zum einen aus Lektionen besteht, beispielsweise: Wie ermorde ich meinen Chef?, dann aus dem ausführlichen Tagebuch des erwähnten Cliff Iverson und das alles eingebettet in die Aufzeichnungen von Harbinger Harrow,
Rektor der McMasters-Akademie für
Angewandte Kunst
Vorsitzender der Auswahl-
und Wahrheitskommission
Professor emeritus des Lehrstuhls für
Schöne und Schwarze Künste
Vorstandsmitglied des Internationalen
Fachverbandes Mordiologie
Im GLOSSAR DER ANGEWANDTEN KUNST findet sich nach Erklärungen für Liquidation, Exekutant ...auch Mordiologe. Das sind die Menschen, die zwar das Morden studiert haben, aber kein Diplom erworben haben, wie beispielsweise Viktoria Königin von England und Kaiserin von Indien! Kein Wunder, dass, obwohl im Buch nicht von MORDIOLOGIE die Rede ist, bei der Internetsuche sofort HOW TO MURDER YOUR BOSS auftaucht!
Es geht einmal um drei Personen in den Vereinigten Staaten, die von ihren Chefs gequält werden und es geht um die aufgeführte Akademie, in der man lernt, wie man ihn am besten um die Ecke bringt. Um zu dieser Akademie zu gelangen, werden die von ihr ausgewählten Personen betäubt und wachen erst am Bildungsort wieder auf, der im Nirgendwo liegt. Da gibt es Schilder mit englischer und chinesischer Aufschrift. Öfter kommt auch was Deutsches dazwischen. Und die Namen der dort Lehrenden kommen ebenso aus aller Welt.
Entscheidend sind die Gründe, das Lernen und die Durchführung der Morde vom erwähnten
Cliff Iverson, technisch versierter Angestellter beim Flugzeughersteller Woltan Industries, der seinen perfiden Chef haßt, weil der seine Untergebenen in den Selbstmord treibt,
Gemma Lindley, deren gemeine Vorgesetzte Adele sie mit dem Wissen um den Tod Gemmas Vater erpreßt und auch ansonsten schurrigelt
Doria Maye, begabte und schon berühmte Hollywoodschauspielerin, der ihr sexsüchtiger Studioboß richtige Rollen verweigert und sie nur noch mit Sprechrollen in animierten Filmen abfinden will.
Durch die sehr ausführlichen Tagebücher vom etwas naiven, aufrichtigen und fleißigen Cliff sind wir über die Stationen und Inhalte der Ausbildung und überhaupt über das Geschehen und die personellen Verflechtungen in der geradezu luxuriösen (für von Wohltätern geförderten), aber auch für die anderen Studierenden grundsoliden Hochschule im Nirgendwo bestens informiert. Daß sich Cliff in die etwas gehemmte, moralisch gestimmte Gemma gleich am Anfang verliebt, wird am Schluß eine Rolle spielen. Aber wir können nicht verhehlen, dass uns die Schauspielerin Doria Maye den meisten Spaß machte. Eine tolle Frau, die man gerne kennenlernen würde. Auf gleicher Ebene. Für sexsüchtige Studienbosse – natürlich Metoo in Reinform – bedeutet sie der Tod.
Der größte Teil des Buches spielt in besagter Hochschule, die von den Lehrenden, und ihren Methoden fantasievoll geschildert wird, wo mehr als eine Handvoll Studierende und auch die Lehrenden eine derartige psychologisch ausgefeilte Persönlichkeit verpaßt bekommen, dass das Lesen echt Spaß macht.
Wenn’s dann ans Morden unserer drei Aspiranten geht, wird das sehr filigran, sprich anspruchsvoll umständlich umgesetzt. Aber Halt! Es geht ja eigentlich um die Abschlußarbeit der Akademie, die hier in Planung, Durchführung und Erfolg dezidiert geschildert wird. Darum eine gewisse Umständlichkeit im Mordprozedere, denn es muß ja jeder Schritt erklärt werden. Und wie man sich schon dachte, schaffen es zwei, Doria einfach brillant! Wer durchfällt, fällt selbst dem Tod anheim. Aber es gibt einen Ausweg...auf zur McMasters Akademie für Angewandte Kunst!
Foto:
Umschlagabbildung
Info:
Rupert Holmes, HOW TO MURDER YOUR BOSS, McMasters Handbuch zum Morden.HarperCollins 2024
ISBN 978 3 365 00768 6