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Kategorie: Bücher
YrsaWiedergesehen, Wiedergelesen, Wiedergehört, 2025/26, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) –Wir beginnen von vorne! Die Redaktion des WELTEXPRESSO hatte immer mal wieder angefangen, liegen gebliebene Bücher, DVDs, CDs zu besprechen, aber darunter waren dann auch immer wieder vereinzelt doppelte Besprechungen, weil Kollegen die Bücher, Schallplatten, Filme auch gelesen, gehört, angeschaut hatten und gerne dazu eine Meinung äußern wollten. Dann aber kurz, damit der Berg abgetragen wird, der in der Redaktion Platz wegnimmt und die Bücher etc. anschließend in der Redaktionsbibliothek unter ABC eingeordnet werden können. Dann nämlich sind sie wieder für alle verfügbar, was wichtig wird, wenn Fortsetzungen von ihnen erscheinen. Diesmal beginnen wir mit dem hohen Norden. 
Wie es kommt, daß im Norden sehr viel stärker literarisch gemordet wird als im Süden, ist zwar häufig Thema. Aber wirklich erklärt werden kann es nicht, warum Eis und Schnee mordsüchtiger machen sollte als heiße Winde und hohe Temperaturen im Süden. Aber so ist es und hinzu kommt, daß im Norden die Frauen bei den Krimis sehr viel stärker ins Rennen gehen als im tiefen Süden. Das allerdings ist eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte und eigentlich hat man sofort Lust, dieses Thema zu vertiefen, aber jetzt geht es ja um Yrsa Sigurdardóttir, die immerhin ein Bauingenieurstudium, ein abgeschlossenes vorzuweisen hat. Nicht nur ein Studium. Sie arbeitet als Ingenieurin am Kárahnjúka-Staudamm im Osten Islands. Seit 2005 schreit sie Kriminalromane. Diesmal geht es um ihre Serie mit Karólina und T´yr, erschienen im btb-Verlag. Leider sind alle ihre vielfachen Kriminalromane mit Ein-Wort-Titeln ausgestattet. Das macht es schwieriger, die verschiedenen Reihen, also verschiedene Ermittler auseinanderzuhalten. 


NACHT von Yrsa Sigurdardóttir
 
Da ist der Titel wortwörtlich zu nehmen. Tiefste Nacht, psychologisch gesprochen: tiefstes Schwarz bestimmt diesen Krimi, der einem doch zuviel der Toten auf einmal serviert. Da werden vier Frauen ermordet aufgefunden. Die Mutter, die zwei Töchter und eine Haushaltshilfe dazu. Wer fehlt, ist der Vater. Ist er automatisch der Mörder? Er heißt Reynir und eigentlich kann er nicht der Täter sein, so funktioniert doch kein Krimi, daß eine Ermittlung so einfach wäre. Es beginnt spannend, wenn die neue Haushaltshilfe Sóldis ankommt und nur weiß, daß sie Vorgängerinnen hatte, die ganz schnell wieder verschwanden. Unheimlich ist es hier schon auf dem abgelegenen Anwesen, das aber alle Angenehmlichkeiten aufweist. Wir erleben die Gegenwart, aber auch die Vergangenheit. Die Autorin hat dies als bewährtes Schreibmuster, das Hin- und Hergleiten zwischen den Zeiten. 

Schnell weiß man vom Grauen und wer daran glauben muß, wird aber hingehalten mit den Tätern sowie, warum die Morde geschehen. Da hält die Spannung, aber irgendwann denkt man sich, die Methode ist durchsichtig, wie die Autorin mit dem Stoff verfährt und das turnt ab. Spannend bleibt es trotzdem, aber andere Krimis der Autorin wären vorzuziehen. Was wichtig bleibt, in diesem Krimi stößt T´yr zum Ermittlungsteam dazu. Das tut der Aufklärung und dem Lesen darüber gut. 


RAUCH von Yrsa Sigurdardóttir

So eine Krimiautorin hat es gut. Die kann machen, was sie will. Kann die Ermittlertemas zusammenstellen, nach gusto und so geschieht es auch hier. Haben im ersten Krimi - NACHT - noch die aus Reykjavík mit den örtlichen Behörden zusammenarbeiten müssen, so ermitteln sie diesmal alleine. Aber dabei gibt es eine Besonderheit. Nachdem ja, wie wir wissen, der junge T'yr dazugestoßen ist, geht es diesmal auf Ermittlerseite am allermeisten um die Rechtsmedizinerin Iðunn. Denn wie es der Zufall oder die Schreibstrategie der Autorin will, stammt sie genau von der Insel, auf der grausliche Morde entdeckt worden sind, die das Team aufklären soll. 

Rechtsmedizinerin Iðunn stammt von Heimaey, wo ein grauslicher Fund die Öffentlichkeit aufschreckt. Eigentlich waren die ehemalige Studentengruppe von fünf Freunden auf die Westmännerinseln gekommen, um  eine der Damaligen, die verstarb, gemeinsam zu beerdigen. Sie können, weil einer den Schlüssel hat, sogar das Haus der Verstorbenen nutzen. Doch wäre es ihnen im Nachhinein lieber gewesen, sie hätten das nicht getan, denn als sie dort das Haus erforschen, stoßen sie auf....ja, das genau werden wir jetzt. nicht verraten. Aber der Fund hat mit den alten Studentenzeiten zu tun und die Autorin führt uns ganz schön an der Nase herum, wenn sie in alter Manier die Gegenwart durch die Vergangenheit aufmischt. Denn die Vergangenheit ist eben nicht vergangen, sie setzt sich in der Gegenwart fort. Das gibt dem Ermittlerteam genug Möglichkeiten zu glänzen. Ein gut durchkonstruierter Krimi. 


Ingar Johnsrud, Echokammer. Ein Fall für BEnjamin & Tong

Diesmal verschlägt es uns nach Norwegen. Und der Autor ist ein Mann. Hat dies damit zu tun, daß nicht persönliche Zwiste mit tödlichem Ausgang den Krimiplott ausmachen, sondern der als Thriller angekündigte Roman tatsächlich einer politischer Natur ist. Das liegt seit den schrecklichen Ereignissen vom norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik auch eher nahe. Es geht um den Wahlkampf, es geht um die Wahl des norwegischen Parlaments, zu dessen Ablauf ein Attentat angekündigt ist. Dies ist der erste Krimi eines neuen Ermittlerpaares namens Liselott Benjamin und Martin Tong, die alles tun, um den angekündigten Anschlag zu vereiteln. Nur, wo anfangen? Dann kommen die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Parteien dazu, die sich in einem einig sind. Jeder will mehr Stimmen gewinnen als die anderen. Im übrigen ist dies der Auftakt zu einer auf drei Bänden angekündigten Abfolge, warum man genauer liest, denn vielleicht wird manchen später wieder aufgewärmt? 

angefangen hat es ganz harmlos. Denn Liselott soll bei einem Autounfall ermitteln, dessen Ursache ein Elch war. Aber im Auto finden sich Hinweise, die auf ein politisches Attentat innerhalb der nächsten fünf Wochen bis zur Parlamentswahl hinweisen.  Was erst einmal so privat aussah, weitet sich zu einer Staatsschutzaktion aus, in die der Chef der Antiterroreinheit des Inlandsnachrichtendienstes (PST) involviert ist. Die Funde im Auto weisen auf einen Giftanschlag mit Rizzin durch eine Terrorgruppe hin. Da wäre Martin Tong richtig, doch der ist ausgeschieden, wird aber erneut aktiviert, weil er Fachmann ist. Er hatte genug davon, wie seine ungewöhnlichen Methoden kritisiert wurden, obwohl er erfolgreich war. Er ist ein Außenseiter, der im Wohnwagen im Grünen lebt. Da muß. man doch gleich an den Fernsehkrimi aus Zürich denken, wo der - dort ist es ein Rechtsanwalt - auch im Wohnwagen residiert. 

Es geht also um zweierlei: Politik und Verbrechen. Und Tong macht erst wieder mit, als die Verbrecher ihn im Visier haben. Letzten Endes ist er die entscheidende Figur, die aufräumt mit dem Dreck, den diese Politk  in Norwegen verursacht. ECHOKAMMER ist ein gegenwärtig häufig benutzter Begriff und meint, daß man sich in einer Umgebung aufhält, wo alle am selben Strang ziehen und seine eigene Meinung wie ein Echo durch andere zurückschallt. Gleichgesinnte unter sich. So aber können weder Parteien, noch Gesellschaften überleben. Interessant ist dieser Thriller auf jeden Fall. 

Foto:
Umschlagabbildung

Info:
NACHT von Yrsa Sigurdardóttir, btb 2023
ISBN 978 3 442 76241 5

RAUCH von Yrsa Sigurdardóttir, btb 2022
ISBN 978 3 442 76243 9

Ingar Johnsrud, Echokammer. Ein Fall für BEnjamin & Tong, Droemer 2025
ISBN978 3 426 56268 0