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Kategorie: Bücher
doktorDer Doktor und der liebe Mord. Ein Tierarzt-Krimi von René Anour aus dem Rowohlt Verlag

Roland Keller

W Der Titel Der Doktor und der liebe Mord klingt wie ein Zielgruppen-Anpeiler für alle, die noch wissen, was die „Schwarzwaldklinik“ ist oder sich heute von der heilen Serienwelt der Götter in Weiß bei ARD und ZDF sedieren lassen. Das brave rororo-Cover mit einem Pferd, das freundlich auf die Beine eines Mordopfers blickt, samt dem Untertitel Ein Tierarzt-Krimi, ist ein klares Versprechen: Freigegeben für Herzpatienten, der Nachtschlaf ist auch ohne Baldrian gesichert. Keine Metzeleien stören, deren Blutströme geistige Auswürfe auf Bestsellerlisten schwemmen.

Damit wäre eigentlich fast alles gesagt. Dennoch lohnt sich ein tieferer Blick in das Buch, das mehr als nur ein harmloser Krimi mit tierischer Note ist, sondern ein schräger, morbider Streifzug durch Wien, gepaart mit tiefer Kenntnis des fachlichen Metiers. René Anour ist nicht nur forschender Veterinärmediziner, der in seinem Sachbuch „Das Arche-Noah-Prinzip“ das Zusammenspiel von Mensch, Tier und Umwelt im Bereich der Gesundheit untersucht – von ihm stammen auch historische Krimis, etwa die Krimireihen mit dem französischen Commissaire Campanard und mit der Wiener Totenärztin Fanny Goldmann, die um 1900 spielen.

Nach langem Vorlauf zur Sache: In „Der Doktor und der liebe Mord“ ist eine fröhlich-morbide Weltsicht spürbar, die zu Wien gehört wie der Prater. Auch die Absurdität, die man in Wien „das Leben“ nennt und in der sich Wolf Haas’ Figuren so wohlfühlen, ist präsent. Einen kräftigen Schuss davon haben auch Anours Personen abbekommen. Im Mittelpunkt steht der naiv-schusselige Tierarzt Severin, der aus Versehen seinen korrupten Gnadenhof-Chef ins Jenseits befördert. Was folgt, ist ein absurd-komisches Szenario: Die resolute osteuropäische Putzfrau erkennt sein Talent und will ihn als Killer vermarkten. Ihr schwebt nichts weniger vor, als ein Apple für Auftragsmorde zu gründen.

Um den wenig tötungsfreudigen Tierarzt in der Spur zu halten, stellt sie ihm eine Schrankwand aus Muskeln, krimineller Vergangenheit und kindlichem Gemüt zur Seite. Was auch nötig ist – denn Severin verliebt sich ausgerechnet in seine Zielperson und bringt damit die geplanten Erlöse des Killer-Start-ups und die Rettung des Gnadenhofs ins Wanken. Spannend ist vor allem, wie Severin aus dieser Nummer rauskommt, nicht zum Mörder wird – und auch noch den Gnadenhof rettet. Autor Anour führt mit echtem Wiener Schmäh durch die Handlung und setzt zum Finale tierische Kräfte frei.

Fazit: ein morbid-grotesker Ausflug in die dunklen Seiten der Wiener Tier- und Menschenwelt.

René Anour: Der Doktor und der liebe Mord. Ein Tierarzt-Krimi, Rowohlt Verlag, Hamburg 2025. 384 Seiten, 14 Euro.

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