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Kategorie: Film & Fernsehen
IMG 2704Im Wettbewerb – Berlinale-Tagebuch (3)

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) – Spätestens heute, nach dem großartigen österreichischen Streifen „Teufels Bad“ mit Anja Plaschg (Foto), ist es mal an der Zeit, an die Gold- und Silberbären im Wettbewerb zu denken. Die Musikerin und debütierende Schauspielerin nimmt uns mit ins 18. Jahrhundert, in dem sie als Frau an den Zwängen und Anforderung ihrer Zeit scheitert. 


Auf der Pressekonferenz wurde sie von einem Kollegen bereits als Gewinnerin des Goldenen Bären angesprochen, obwohl die, na gut, immer für den gesamten Film an die Produzenten vergeben werden. Mit der gleichen Power zeigt uns Liv Lisa Fries im Streifen „Alles Liebe, Eure Hilde“, die eigentlich schüchterne und zurückhaltende Widerstandskämpferin gegen die Nazis, Hilde Coppi. Beide Filme haben einen realen dokumentarischen Hintergrund, sind aber Spielfilme. Deutschsprachige übrigens, ebenso wie auch der Dreistünder „Sterben“ mit Corinna Harfouch, die zentral mit ihrem Sohn einen extrem langen, dramatischen Dialog über ihre kalte Beziehung führt. Jede der drei Schauspielerinnen hätte mit ihrer Leistung den Silberbären für die beste weibliche Darstellung verdient. Und dazu gesellt sich noch die persische Darstellerin Lily Farhadpour in "My favorite cake", die als alte Dame im Iran für ihr Recht auf erotische Liebe kämpft.

IMG 2692Nicht vergessen sollte man bei dem Lob weiblicher Darstellerinnen übrigens die jungen Josefa Heinsius und Lilith Grasmug, die ihre Annäherung und Zuneigung glaubwürdig und berührend in „Langue Étrangère“ verkörpern. Und die wir
nach Pressekonferenz in der Garderobe treffen (Foto links).

Leider hat sich ja der scheidende Leiter Chatrian, in seinen ersten Aktionen als Festspielleiter, dem fragwürdigen Zeitgeist an den Hals geworfen und nur noch Bären für die beste schauspielerische Leistung verleihen lassen. Die Jury darf nicht mehr zwischen Männern und Frauen trennen, es gibt ja so viele Menschen dazwischen…



Selbst in dem, ansonsten uninteressanten südkoreanischen Film „Yeohaeng“, ist wohl die aufgedrehte Isabelle Huppert nur dabei, damit man in dem Machwerk nicht vor Langeweile einschläft. Alle hier angesprochenen Wettbewerbsbeiträge sind ausführlich im Weltexpresso rezensiert worden. Einige Filme mit starken Frauen werden bis Freitag sicher noch folgen. Übrigens hatte ich hier auch in der Vorabschau bereits auf die starken Leistungen der weiblichen Akteure in den Sektionen Forum, Panorama oder Generation hingewiesen.

Die kommende Berlinale-Leiterin Tricia Tuttle hatte ja neben ihrer Absicht Deutsch zu lernen, vor allem die Idee betont, Frauen auf der Berlinale stärker zu fördern. Damit rennt sie bei den Berliner Filmfestspielen offene, oder fast offene Türen ein. Denn der ehemalige Leiter Dieter Kosslick hat die Beteiligung der Frauen in den Berlinale Teams oder als Filmschaffende entschieden gefördert. Im Vergleich mit anderen großen Festivals, etwa Cannes oder Venedig, waren die Frauen - die Minderheit der Nichtbinären lassen wir hier mal höflich weg - im Schnitt überall mit mindestens einem Drittel präsent. Seit 2004 wird alljährlich zur Berlinale die vielseitige, hochdifferenzierte „Gender Evaluation“ herausgegeben.

Kleine Auswahl daraus: In diesem Jahr sind 83 Regisseurinnen (39 %) und 122 Regisseure (57 %) in allen Sektionen vertreten. Da sich die Filmschaffenden ja für die meisten Bereiche bewerben müssen, wird sogar festgestellt, dass prozentual mehr Frauenfilme angenommen wurden als eingereicht…

Foto:
© Hanswerner Kruse