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Kategorie: Film & Fernsehen

81mruMlbZcL. SY679 Neu auf DVD, und Blu-ray ab 10. April 2025

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Vergessen Sie nicht, die Extras anzuschauen. Kann sein, daß Sie vom Zuschauen mehr haben, wenn Sie das Gespräch von Regisseur und Drehbuchautor vorher anschauen und anhören, denn da geht es genau um das, was nicht wenige dem Film vorwerfen: daß er nicht chronologisch abläuft, sondern in in unentwegten Zeitsprüngen, die insgesamt 10 Jahre umfassen. Stimmt, das ist manchmal im Film schwierig, weil wir die gezeigte Situation selbst ein- und zuordnen müssen. Andererseits liegt darin auch ein gewisser Reiz, der einen den Film hindurch nicht verläßt, uns im Leben von Almut (Florence Pugh) und Tobias (Andrew Garfield) zurechtzufinden.


Der Film folgt einem Buch, das aber chronologisch erzählt: wie Andrew seine Scheidungsschmerzen pflegt, sich dann aber doch zum Unterschreiben der Papiere, wie von seiner Ex gewollt, zwingen will. Und am Schluß wie er mit seiner Tochter lebt.  Dazwischen liegt das Drama von Tobias  und Almut, in dem das Schicksal zuschlägt. Gleich mehrmals. 

Die beiden begegnen sich auf ungewöhnliche Weise. Sie sitzt im Krankenhaus dem lädierten und durch Knochenbrüche auffällig verbundenen Tobias gegenüber und gesteht ihm, daß sie ihn gerade angefahren hatte. Das hatten wir miterlebt und auch, daß - Schicksal eben - er ja nur deshalb auf die Straße gelaufen war, weil er sein Einverständnis mit seiner Scheidung unterschreiben wollte - aber die Stifte leer waren oder abbrachen und er gerade neue gekauft hatte. 

An dieser Szene kann man schon erkennen, wie subtil Regisseur John Crowley mit zwischenmenschlichen Situationen umgeht, die Dramatik und Dynamik in sich tragen. Denn diese doch angesichts der sichtbaren Schmerzen von Tobias und des nichtsichtbaren, aber vorhandenen schlechten Gewissens von Almut dramatische Szene, kommt nicht tragisch daher, sondern gleichsam selbstverständlich, verspielt und geradezu leicht, weshalb auch die Zuschauer lachen, was ja kein Auslachen ist, sondern ein Einverständnis mit der geheimen Komik der Situation, die ja nur Vorbote des eigentlichen Dramas ist: daß Almut zehn Jahre später Krebs hat, fortgeschrittenen Eierstockkrebs.

Diese zehn Jahre werden nun nicht linear erzählt, wie wir dem Gespräch von Autor und Drehbuchschreiber schon entnahmen, sondern wir Zuschauer sind ständig beschäftigt, das, was wir sehen, zeitlich einzuordnen. Ein hilfreicher Trick, nicht nur am Ball zu bleiben, sondern auch mit dem traurigen Ende schon zwischendrinnen umgehen zu lernen. Im Nachhinein könnte man sich diesen Film von Anfang bis Ende erzählt, sogar gar nicht mehr vorstellen.

So erleben wir ein Mosaik an Situationen zwischen den beiden, die alle beide ihre Gefühle vor dem anderen nicht verstecken, sondern ausleben, mal heiter, mal traurig, mal nachsichtig, mal beleidigt, mal glücklich, aber auch mal unglücklich und eher gemein. Tobias erleben wir anfangs als jemanden, der sich anstrengen muß, für eine Müsliwerbung entsprechende Glücksgefühle zu vermitteln, wenn er doch die Einstellung gerade ein siebtes Mal wiederholen muß. Almut dagegen macht praktische Sachen. Sie kocht. Sie will der Welt zeigen, daß nicht nur Männer Kochlorbeeren und Sterne erhalten, sondern sie auch. Dazu gehört nämlich ein totales Zeitmanagement, an dem sie arbeitet. Daß aus den beiden ein Paar wird, zeigen nicht nur die Eheszenen, sondern bald das kleine Mädchen, das sie endlich bekommen. Erst später weiß man, daß sie nicht leicht schwanger wurde und dies geradezu als Sieg feierte. Und es paßt völlig, daß erst viel später die vielleicht komischste Szene, die man so erst mal hinbekommen muß, gezeigt wird, wie nämlich, nachdem Almut der Wehen wegen zu früh ins Krankenhaus kam und wieder heim geschickt wurde, sie dann zu spät losfährt und ihr Kind in der Toillete einer Autobahnraststätte bekommt, unter tatkräftiger Hilfe des dortigen Personals. 

Durch die vielen Einzelszenen entsteht im Zuschauer ein Bild dieses Paares und ihres Lebens, in dem sie sich wirklich aufeinander eingelassen haben, zusammen lernen, zusammen hoffen, auf jeden Fall mit ihrer Tochter zusammen glücklich sind. Da nur am Anfang Tobias der Leidtragende ist und die Tragik bei der erst einmal so gelassenen und lustigen Almut liegt, hat diese schauspielerisch viele Möglichkeiten ihrem wechselnden Gefühlschaos Ausdruck zu geben. Tobias als der Empfänger von schlechten Nachrichten kommt aus der Rolle mit Tränen in den Augen kaum heraus, das trübt ein wenig den Gesamteindruck, wenngleich, wie geschildert, es den Zuschauern - und hier bewußt den Zuschauerinnen  genauso geht.  

Um auf die Extras zurückzukommen, sind nun viele Passagen nach dem Schauen des Films erst recht interessant. Beispielsweise die Art des Drehens. Denn weder hat man chronologisch gedreht und dann den Film zurechtgeschnitten, noch in der Form, wie wir ihn sehen. Man hat ähnliche Szenen aneinandergereiht, heißt es, was einen beschäftigt, denn, was soll das heißen? Viel wird über die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern gesprochen, die einfach stimmte und unser Eindruck beim Schauen, daß es der klaren, manchmal sogar ruppigen, immer direkt ihre Gefühle widerspiegelnden Florence Pugh zu verdanken ist, daß dieser Film, der im Kern traurig ist, so lebensvoll bleibt und dadurch die wichtige Frage, wie man, wenn man weiß, daß man sterben wird, den Rest seines Lebens verbringen will, eindeutig beantwortet. 

Foto:
©Verleih

Info:
108 Minuten
FSK: ab XX
UK Deutsch
Farbe
Stab
Regisseur.    John Crowley
Drehbuch.    Nick Payne

Besetzung
Almut.     Florence Pugh
Tobias.   Andrew Garfield

We Live in Time
DVD7Blu-ray 
Herkunftsland: Großbritannien, 2024
Altersfreigabe: FSK ab 12 freigegeben
Erscheinungstermin: 10.4.2025
Serie: Arthaus
Genre: Drama, Komödie, Romanze
Spieldauer ca.: 103 Min.
Regie: John Crowley
Darsteller: Florence Pugh, Andrew Garfield, Aoife Hinds, Adam James, Douglas Hodge, Marama Corlett
Executive Producer: Benedict Cumberbatch
Sprache: Deutsch, Englisch
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Bild: Widescreen
Untertitel: Deutsch, Englisch f. Hörgeschädigte
Weitere Ausgaben von We Live in Time
We Live in Time (Blu-ray)Blu-ray Disc, (Blu-ray)
©Studiocanal