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Kategorie: Film & Fernsehen

der tod ist ein arschloch 2025 118. LICHTER FILMFEST FRANKFURT INTERNATIONAL  vom  22. – 27. April 2024, Teil 9


Claudia Schulmerich


Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Abgesehen vom Tod in der eigenen Familie bekommen wir den Tod von Menschen, ob wie sie kannten oder nicht, nur über die Todesanzeigen in den Tageszeitungen mit, die meist mit Beerdigungsdaten einhergehen. Öffentlich bekannte Tote werden zudem in Funk und Fernsehen gewürdigt, wie gerade, intensiv ob seiner Bedeutung, der öffentliche Tod von Papst Franziskus.

 

Immer wieder gibt es Filme und Artikel über den selbstbestimmten Tod und vor allem auch TV Serien über Bestatter, die ihren Anfang nahmen in einer US-amerikanischen Fernsehserie SEX FEED UNDER, die von 2001 bis 2005 in über 60 einstündigen Sendungen mit schwarzem Humor und schrägen Fällen Begeisterung auslöste und den Bestatter auch heute noch Rollen in TV-Krimis beschert.

Aber das Wissen um den eigenen Tod, der naht, das Sterben selbst, von dem Schwerkranke, meist Krebspatienten genau wissen, bleibt ein Tabu-Thema, wieder: solange man niemanden kennt. Wie man sich auf den eigenen Tod vorbereiten kann und wie Menschen das voraussichtliche und dann eintretende Sterben dieser begleiten können, ist Inhalt dieses Films, der um den Bestatter Eric Wrede und die, die mit ihm das Bestattungsinstitut führen, kreist: die tägliche Beschäftigung mit dem Tod auf humane Weise.

Roter Faden sozusagen ist Gabi aus Kreuzberg, was wichtig ist, weil es ein bestimmtes Milieu meint. Eric Wrede ist mit ihr befreundet, die mit ihm und einem Freund über ihr Ende und die möglichen Formen ihre Beerdigung spricht. Da kriecht einem schon ein Schauer über den Rücken, Tränen in die Augen und auch der inzwischen professionelle Bestatter Eric Wrede erkennt den Unterschied zwischen den ihm Anvertrauten, wenn man welche schon länger kennt und nun beim Sterben hilft. Denn genau um Hilfe geht es, die hier Gabi im Gespräch erfährt, wo Wrede durch seine Fragen Gabi erst dazu bringt, zu überlegen und zu entscheiden, wie sie sich ihre Beerdigung vorstellt. Aus dem Nichts, das dies erst einmal für sie war, wird später dann eine Feier für den ganzen Kiez. Als Wrede im Gespräch sie befragt, an wen, an welche Personen, Adressen ihr Tod dann versandt werden soll, sagt sie schlicht: „Das spricht sich herum.“

Daß man diese Gesprächsszenen sogar gerne anschaut, liegt sicher an der selbstironischen, ja gewitzten Gabi, die uns und sich selber immer wieder zum Lachen bringt, was eine Lebensrolle ist, hinter die man gar nicht weiter gucken will. Sie lebt alleine, für einen Kerl hätte sie überhaupt keine Zeit und Kraft, angesichts des Gebärmutterkrebses sowieso nicht, sagt sie. Sie lebt aber eben nicht ganz alleine, da sie sich in ihrem Viertel aufgehoben fühlt und – wie die spätere Beerdigung zeigt, auch aufgehoben ist. Diese Menschen werden sie nicht vergessen und so abgestanden das auch klingt, ist ein Mensch erst ganz tot, ganz vergangen, wenn niemand mehr an ihn denkt.

Den Sequenzen mit Gabi entlang vertieft der Film, - den Regisseur Michael Schwarz und Kameramann Alexander Griesser dem Publikum vorstellten und beim anschließenden Gespräch mit dem Publikum auch Melanie Dietz hinzuholten, die den Film geschnitten hatte, - unsere Kenntnis von der Arbeit in diesem besonderen Bestattungsinstitut. Hier geht es nicht nur um die sachlichen Entscheidungen der Beerdigung, vom Sarg angefangen, sondern in den Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen wird der Unterschied zu herkömmlichen Beerdigungen deutlich. Es geht hier schlicht um den individuellen Bezug zwischen den Mitarbeiterinnen und den Toten, den sie herstellen und so jedem Toten ein ganz individuelles Begräbnis schaffen.

Wieviel Zeit das beansprucht, bekommen die Zuschauer auch mit, aber auch, mit welcher Hingabe des Beerdigungsteams dies geschieht. Das gilt insbesondere für die Einbettung in den Holzsarg, einfach und schlicht, Geldverdienen an Särgen will Wrede auf keinen Fall. Wenn später im Film einer Toten von zweien die Kleidern, in denen sie beerdigt werden wollte, angezogen werden, hoffte ich, dass dies eine Schauspielerin war und keine echte Tote, weil Wrede ja immer betont, der Respekt vor dem Leben endet nicht mit dem Tod.

 

Im Ernst, dies ist ein fesselnder, absolut gelungener Film über alles Mögliche, was mit dem Sterben von Menschen zu tun hat, sei es, dass dies unter unseren Augen abläuft oder ganz plötzlich. Was professionelles Umgehen für die Beerdiger bedeutet, zeigt sich dann an einer kleinen, völlig verständlichen Szene, wenn eine Mitarbeiterin darauf verweist, dass sie für die Gestaltung der Beerdigung eines Kindes besonderes Material zur Verfügung habe, das sie gerne gezeigt hätte, was aber hier nicht zum Tragen kam, weil im Zeitraum der Dreharbeiten kein Kind beerdigt wurde, fügt in Gedanken die Zuschauerin fort und ist froh darum.

Der Film besteht aus sehr vielen Einzeldrehs, die dann zusammengeschnitten uns den besonderen Alltag beim Beerdigen zeigen, das bedeutet ein ständiger Wechsel der Orte und Drehbedingungen, also auch eine ständig wechselnde Kamera, die oft unter nicht optimalen Bedingungen, seien es kleine Räume oder viele Menschen aufnimmt. Aber das bedeutet keinen ästhetischen Abstrich, sondern dient eher der Glaubhaftigkeit des Inhalts. Gedreht wurde von Dezember 2022 bis April 2024. Wie man in dieser Zeit so viel Haarschnitte und Veränderungen am Bart hinbekommt, wie Eric Wrede das tut, muß er mir einmal persönlich erklären. Auffallen tut es.

Foto:
©Verleih

Info:

Deutschland | 2025 | 79 Min.
Deutsch mit englischen UT
Berlin-Premiere

Regie, Buch Michael Schwarz 
mit Eric Wrede, Maria Schuster, Katja Seydel, Siv-Marie Wrede, Gabi Kohn, Marco Ammer 
Kamera Alexander Griesser 
Schnitt Melanie Dietz 
Ton David Rudolph, Nestor Clavería 
ProduzentAlexander Griesser, Michael Schwarz 
Produktion nachtschwärmerfilm 
Verleihmindjazz pictures 

Berlin Regie

Uraufführung 46. Filmfestival Max Ophüls Preis

hängte 2014 seinen Beru f als Musikmanager an den Nagel, heute neben Berlin Oepzig, bonn und Potsdam. Kundenzugewandtheit, wobie die Kunden sowohl Verstorbene