Nachtrag: Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. Mai 2025, Teil
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Erst einmal war der Beifall groß, denn die 144 Minuten Film waren im ziemlich vollbesetzten durch ziemlich ältere Zuschauer und Zuschauerinnen auf großen Widerhall gestoßen. Einzelne gaben sich später als persönliche Bekannte aus dem jeweiligen beruflichen Umfeld von Vater und Sohn zu erkennen, aber auch diejenigen, die noch nie von den beiden namens Pause gehört hatten, blieben sitzen, um im sehr langen Gespräch nach dem Film noch mehr über die beiden, über das Kabarett und über die Bedingungen beim Drehen zu hören.
Zwei Ausgangspunkte wurden deutlich. Wenn einer beruflich extrem engagiert ist, wenn einer einer künstlerischen Arbeit verfällt und dann diese auch noch organisieren muß, ein typisches Künstlerschicksal also, ist es mit dem Vatersein schwer.
Wenn einer als Kind keine Sicherheiten erhält, keine Regelmäßigkeit, aus dem Vertrauen erwächst, ist sein Schicksal ungewiß. Aljoscha Pause gelang es, aus Defizitärem für sich persönlich den Gegenentwurf zu leben. Früh geheiratet, Familie ernst genommen, zwei, inzwischen schon große Töchter, worauf der Vater stolz und zufrieden ist, auch froh und dankbar. Dann hat man auch die Kraft, sich mit dem eigenen schmerzhaften Werden zu beschäftigen und einen Film darüber zu drehen, worüber die Hauptrolle: der Vater Pause gar nicht glücklich war. Nein, erst war er sehr distanziert, erzählt er, ganz und gar nicht davon begeistert, doch sein Sohn überzeugte ihn, worüber er heute froh ist, sehr froh, denn er findet sich im Film wieder, aber auch alle Probleme, die so ein Künstlerleben mit sich brachte. So sei es gar nicht gewesen, ergänzt der Sohn. Er war gar nicht die treibende Kraft. Erst einmal. Denn seine Hauptschwierigkeit lag nicht darin, den Vater zu überzeugen, sondern sich selbst zu überzeugen, diesen Film zu wagen.
Viele Fragen richteten sich an Rainer Pause und sein Pantheon-Theater, das früher auch mit Frankfurter Kleinkunstbühnen regen Kontakt hatte und hiesige Künstlern auftreten ließ. Daß dabei auch des so früh verstorbenen Matthias Beltz gedacht wurde, der dieses Jahr 80 Jahre geworden wäre, aber plötzlich 2002 starb, versteht sich von selbst. Aber auch andere Frankfurter Größen wurden genannt und die Freude an den historischen Kurzauftritten von Dieter Hildebrandt und anderen Größen von früher spielte genauso eine Rolle, wie die Kommentare derer, die heute auf der Bühne des Pantheon stehen: Michael Mittermeier, Bastian Pastewka, Sebastian Pufpaff, Georg Schneider und der besonders umjubelten Altstars Gerhard Polt und Helge Schneider, die alle die wundersame Funktion des Pantheon und das tatkräftige Wirken des Rainer Pause lobten . Mit dabei am Mikrofon: Carolin Cebekus.
Und damit kam endlich einmal eine Frau zu Wort. Dieser Dokumentarfilm ist, wie schon der Titel sagt, ein Film von Vater und Sohn. Von daher ist einsichtig, dass eine gewisse Männerlastigkeit in der Natur der Sache liegt, wenn ein Film von den Zweien handelt. Da er aber gleichzeitig eine Geschichte der damals so jungen und von heute her der alten Bundesrepublik erzählt, verwundert das Fehlen von Frauen schon. Daß die Mutter des jungen Aljoscha sich früh vom Kind lossagte und in Hamburg eine neue Familie gründete, muß ein Schmerz sein, den ein Kind kaum kompensieren kann, auch wenn unter den späteren Frauen des Vaters eine bestimmte die Kinder- und Jugendjahre erträglicher machte, und deshalb im Film eine große Rolle als Geschichtenerzählerin über damals, über den jungen Aljoscha erhält.
Wenn nach Frauen gefragt wird, sind es aber nicht die mütterlichen Eigenschaften, die hier angesprochen sind, sondern die erotischen. Der Film ist eigenartig geschlechtslos, Liebe in ihrer leidenschaftlichen Form kommt überhaupt nicht vor, war aber offiziell in den Kommunen und Wohngemeinschaften vorhanden und hoffentlich auch im späteren Leben des Vaters. Denn eigentlich braucht’s die Liebe, um solchen Streß wie Kabarettmachen durchzustehen.
Die Fragen aus dem Publikum waren zuallererst Danksagungen für den Film, Bestätigung für den Filmemacher, dass nämlich dieser so persönliche Film gleichzeitig einer sei, mit dem jeder etwas anfangen könne. Wie sich das Verhältnis von Vater und Sohn durch diesen Film, bzw. die Dreharbeiten verändert habe, interessierte viele. 18 Stunden persönlicher aufgenommener Gespräche zwischen Vater und Sohn waren die Grundlage für die Jugenderzählungen von Aljoscha und die Kindheitserinnerungen und entsprechende Aufwachsensszenen vom Nachkriegs-Rainer. Denn man darf nicht vergessen, dass dieser Dokumentarfilm gleich zwei Leben dokumentiert. Denn die unmittelbare Nachkriegszeit wird durch das Schlaglicht auf das Aufwachsen des Vaters in einer typischen kleinkarierten Familie deutlich und zeigt auch, dass der Vater wenig an emotionaler Wärme mitbekommen hatte , sich der Familie entschieden entzog und sich selbst durch die berufliche Festlegung auf Kabarettist sein ‚retten‘ konnte. Da blieb wenig für den Sohn übrig, ein Motiv, ja das Motiv für diesen Film.
Foto:
©Verleih
Info:
Technische Details & Credits
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
Laufzeit: 144 Minuten
FSK: 0 (angefragt)
Buch & Regie: Aljoscha Pause
Kamera: Robert Schramm
Ton: Hendrik Büttner, Lenin de los Reyes
Schnitt: Claudia Spoden, Jan Richter
Musik: Roland Meyer de Voltaire
Animation Director: Alireza Darvish
mit:
Rainer Pause, Aljoscha Pause, Carolin
Kebekus, Oliver Masucci, Michael
Mittermaier, Bastian Pastewka,
Gerhard Polt, Sebastian Pufpaff,
Helge Schneider, Georg Schramm,
Florian Schroeder u.v.m.