Nachtrag: Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. Juli 2025, Teil 6
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die erste Filmszene beginnt 1951 und spielt auf ein Gemälde von Max Ernst an, auf dem er im französischen Exil 1940 seine damalige Geliebte Leonora Carrington (1917- malt und dem Bild den Titel: Leonora im Morgenlicht gibt. Der Film beginnt also in der unendlichen grünen Berglandschafts Mexikos, wo Leonora aus dem Auto steigt, sich sofort eine Zigarette anzündet, erst dann über die Landschaft schaut, während der Fahrer, ihr Mann, der ungarische Fotograf Emérico Weisz, sie im Morgenlicht fotografiert will, was sie harsch abwehrt.
Als Max Ernst sie malte, war sie schon lange innerhalb der Surrealisten ganz ohne sein Zutun eine bekannte Künstlerin. Das Problem bestand nur darin, dass er nicht nur der weitaus bekanntere Künstler war, sondern zudem Frauen als eigenständige Künstlerin nicht ernst genommen wurden. Später wird sich Carrington gegen die Lesart, er habe sie als Künstlerin zum Surrealismus gebracht und gefördert, wehren. Aber das ist nicht Thema des Films, der überhaupt nicht die künstlerische Entwicklung der Malerin zeigt, auch nicht ihre Bilder, die, wie es heißt, aus rechtlichen Gründen nicht auf der Leinwand erscheinen dürfen. Das ist für einen Künstlerfilm fatal, ergab übrigens die selbe Situation beim kürzlich angelaufenen Film über das erste Jahrzehnt von Niki de Sant Phalle, war dort aber nicht so fehlend, weil diese Künstlerin mit ihrem mittleren und Spätwerk einfach bekannt ist. Bekannt ist Leonora Carrington bisher nur in Mexiko gewesen, denen, die sich mit Surrealismus beschäftigen, ein wenig in der Frauenbewegung und wer den Roman über sie von der Mexikanerin Elena Poniatowska kennt, dem der Film folgt.
Von 1951 geht es zurück in die Zeit der Besetzung Frankreichs durch die Nazis, Schauplätze und Zeiten wechseln, was man gut mitbekommt, weil man es an der jeweiligen Frisur der Hauptdarstellerin Olivia Vinall erkennen kann. Die hat es schauspielerisch schwer, denn es werden aus dem letzten Endes glücklichen und erfolgreichen Leben der Malerin die Jahre auf die Leinwand gebracht, als diese auf der Flucht vor den Nazis in Spanien einen totalen Zusammenbruch erlebte und in einer Nervenklinik mit den grauslichen Elektromethoden der Zeit gequält wurde. Olivia Vinall wird allzu sehr auf die Leidensrolle festgelegt, was sich in Mimik und Körperhaltung auf die Dauer lähmend auswirkt. Dabei erfahren wir in Szenen - hier geht es also in ihre Kindheit zurück - wie sie in England großbürgerlich aufwuchs und von ihrem Vater ob ihrer Überzeugung, mit Tieren sprechen zu können, bestraft wurde. Zwei Tiere sind es, die sie ein Leben lang begleiten: Pferde und Hyänen. Als Pferd sah sie sich selber und die schrillen Schreie der Hyäne hört sie immer wieder und wir mit ihr. Wirklich durchdringend. Unter die Haut gehen auch die schrecklichen Methoden, mit denen in der spanischen Klinik in Rücksprache mit ihren Eltern ihr angeblich geholfen werden soll, was ihre Seele auf keinen Fall heilen kann.
Das kann letzten Endes dann nur ihr Leben in Mexiko, wo wir wieder 1951 einsetzen und nun ihren Mann und den älteren Sohn kennenlernen, vor allem aber, wie ihr Leben als Künstlerin mit einer erfolgreichen Ausstellung einsetzt und Schriftzüge darauf verweisen, dass sie diesen Weg weiterging und in Mexiko ein erfülltes privates und Künstlerinnenleben führt.
Zwei Sachverhalte spielen noch eine Rolle. Der eine wird filmisch nur unzureichend geklärt: die Freundschaft mit Remedios Varo (Cassandra Ciangherotti), mit der sie nach Spanien fliehen will, die sie aber unterwegs verliert und Jahrzehnte später in Mexiko wiedertrifft. Das wären ja wichtige Ereignisse, laufen aber völlig unbedeutend ab. Das andere ist ihr Förderer Edward James (Ryan Gage), der in vielen Szenen auftritt und in dessen künstlichem Paradies, einer traumhaften Landschaft mit einer Wendeltreppe nach oben wir Leonora beglückt hochsteigen sehen. Da wäre man gerne dabei.
PS. Man ist nicht gerne Kritikaster. Aber es stört einfach, wenn im Film die Malerin, die in Wirklichkeit Linkshänderin war, hauptsächlich rechts malt. Auffällig, als sie in der Klinik fast manisch die Kreiszeichnungen mit links beginnt, abtörndend, wenn sie in der letzten Einstellung, die ihre Erlösung als Künstlerin zeigen soll, eine weiße Leinwand mit Schwung in Sonnengelb grundiert - mit der Rechten.