Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen

APurpursegel TV1ls Erstausstrahlung am Montag, 13. Oktober 2025 bei ARTE

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – 1919 kehrt der Tischler Raphaël (Raphaël Thiéry) aus dem 1. Weltkrieg zurück in sein Heimatdorf in der Normandie. Dort ist seine deutlich jüngere Frau Marie kurz nach der Geburt seiner Tochter Juliette gestorben. Raphaël darf als Handwerker auf dem Gehöft ″Cour des Miracles″ am Rande des Dorfs der Bäuerin Adeline (Noémie Lvovsky) arbeiten, die nach dem Tod von Marie schon seine kleine Tochter Juliette aufgenommen hat. Dort wohnen auch noch der Schmid Marek und eine Magd mit Kind, so bildet sich auf Madame Adelines Gehöft eine neue Familie. Alle sind Außenseiter, die im Dorf misstrauisch beäugt werden, doch sie sind eine verschworene, glückliche Gemeinschaft, die zusammen halten und sich zu wehren wissen.


Eines Tages hört Raphaël, dass der allseits beliebte Dorfwirt seine Frau vergewaltigt haben soll. Er stellt diesen zur Rede. Als der Wirt wenig später stirbt, macht seine Familie Raphaël für den Tod verantwortlich. Der verliert dadurch seine Stelle in einem Sägewerk und muss sich und seine Tochter mit dem Schnitzen von Holzspielzeug über Wasser halten.

Juliette wächst ohne Freunde heran, entwickelt sich aber zu einem feinfühligen und musisch begabten Kind, das verträumt und eigensinnig, in innigem Einverständnis mit ihrem Vater, dem begnadeten Drechsler lebt. Sie verkauft dessen gedrechseltes Spielzeug regelmäßig in der nächsten Stadt an einen Händler. Raphaël, lehrt sie nicht nur, mit Holz zu arbeiten, sondern auch zu singen, zu zeichnen und Klavier zu spielen, da ihr Vater für sie ein kaputtes Klavier restauriert. Nebenbei entdeckt Juliette auch die Literatur. Doch mit den Jahren kommen die von Raphaël geschnitzten wunderschönen Holzspielzeuge mehr und mehr aus der Mode, denn Spielsachen müssen nun elektronisch werden.

In einem Sommer begegnet Juliette als Teenager während eines ihrer einsamen Streifzüge im Wald einer seltsamen als Hexe verschrienen alten Frau (Yolande Moreau), die ihr weissagt, dass eines Tages Purpursegel am Himmel erscheinen und sie in die Welt hinaustragen würden.

Juliette ist inzwischen zu einer jungen Frau herangewachsen, und mit ihrem Talent für Musik drehen sich ihre Lieder immer wieder um diese Prophezeiung. Plötzlich sieht es so aus als würde sich für Juliette die Prophezeiung der Wahrsagerin zu erfüllen. Denn eines Tages muss der Pilot Jean (Louis Garrel) mit seinem Doppeldecker in der Nähe des Hofes notlanden.

Purpursegel TV2Ist es wirklich Jean, der Abenteurer und Bruchpilot, den es eines Tages unversehens vor ihre Füße geweht hat, der die verheißenen Purpursegel bringen und sie in die Welt hinaus bringen wird? Doch der junge Pilot verschwindet bald wieder, nachdem sein Flugzeug repariert ist.

Nach dem Tod ihres Vaters, der mit einer – nach dem Bild seiner verstorbenen Frau geschnitzten – Galionsfigur sein letztes großes Werk vollendet hat, ist Juliette auf sich allein gestellt. Um den engen Verhältnissen zu entkommen, muss sie ihren eigenen Weg finden. Wird sie ihre Purpursegel finden?


Das Purpursegel ist ein Roman des russischen Schriftstellers Alexander Grin (1880–1932). Das 1923 zuerst erschienene Werk gilt heute als ein Klassiker der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts und hat weit über die Grenzen Russlands hinaus Anerkennung gefunden. Das Buch wurde erstmals unter dem Titel ″Das purpurrote Segel″ als sowjetischer Fantasyfilm von Alexander Ptuschko im Jahr 1961 verfilmt.

Der hier besprochenen Film ″Die Purpursegel″ ist ein Filmdrama von Regisseur Pietro Marcello nach dem Drehbuch von Pietro Marcello, Maurizio Braucci und Maud Ameline, das im Mai 2022 bei den Filmfestspielen in Cannes seine Premiere feierte. Der Film ist eine sehr freie Adaption des Kinderbuchs von Alexander Grin. Das Drama spielt dabei von kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs bis in die 1930er Jahre hinein im Norden-Westen Frankreichs.

Das Drama wird von dem wunderbaren Ensemble mit Raphaël Thiéry, Noémie Lvovsky, Louis Garrel und der Neuentdeckung Juliette Jouan getragen. Die wunderschöne Geschichte führt dem Zuschauer dabei auch die Bedeutung von Handwerkskunst in allen Lebensbereichen vor Augen.

Purpursegel TV3Pietro Marcello erzählt dadurch auf seine unverwechselbare, einzigartigen Weise die Geschichte einer Emanzipation in der Zeit zwischen den großen Kriegen – eine handfeste, ungestüme Ode an die Imagination, die Kunst und die Liebe, eine Fabel voller Realismus und Utopie, Musik und Magie. Was man Wunder nennt, kann man auch mit den eigenen Händen erschaffen. Der Film ist geprägt von Sehnsucht, einer Sehnsucht nach Liebe, nach Kunst, aber auch einer Vergangenheit. Dabei hilft auch die hervorragende Arbeit von Kameramann Marco Graziaplena, die bei aller Kargheit des Lebens der Figuren eine wunderschöne Atmosphären schafft.

Insgesamt ist ″Die Purpursegel″ ein poetisches und magisches Historiendrama mit atemberaubenden und wunderschönen Bildern, das eine Welt im Wandel zeigt, denn die Purpursegel bedeuten nicht nur eine geglückte individuellen Emanzipation, sondern auch der nicht aufzuhaltende Fortschritt. Es lohnt, sich die zauberhafte Literaturverfilmung als Erstausstrahlung im Fernsehen anzusehen.

Foto 1: Juliette Jouan als Juliette und Louis Garrel als Jean © Piffl Medien / ARTE
Foto 2: Raphaël Thiéry als Raphaël © Piffl Medien
Foto 3: Noémie Lvovsky als Adeline und Juliette Jouan als Juliette © Piffl Medien

Info:
Die Purpursegel (Frankreich, Italien, Deutschland 2022)
Originaltitel: L’envol
Genre: Drama, Literaturverfilmung
Filmlänge: ca. 98 Min.
Regie: Pietro Marcello
Drehbuch: Pietro Marcello, Maurizio Braucci, Maud Ameline
basierend auf dem romantischen Märchen Das Purpursegel (1923) des russischen Schriftstellers Alexander Grin (1880–1932).
Darsteller: Louis Garrel, Juliette Jouan, Noémie Lvovsky, Raphaël Thiéry, Yolande Moreau, Ernst Umhauer, François Négret, Natascha Wiese u.a.
FSK: ab 16 Jahren
″Die Purpursegel″ wird als Erstausstrahlung am Mo. 13.10.2025 um 22:40 Uhr bei ARTE gezeigt. Der Film ist von 12.10. bis zum 19.10.2025 in der ARTE Mediathek abrufbar.