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Kategorie: Film & Fernsehen
Bildschirmfoto 2025 11 01 um 00.35.30Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Oktober 2025, Teil 16

Rolf Giesen

Berlin (Weltexpresso) - Vorbemerkung Heinrich Sabl Mitte der Achtziger Jahre erkundete ich Ost-Berlin mit einer Super 8 Kamera, immer auf der Hut, nicht von der örtlichen Polizei entdeckt zu werden und so den Verlust meiner geliebten Kamera zu riskieren. Die war Goldstaub. Gleichzeit gierte ich nach Wissen über das Filmemachen. Und so schmuggelte mir ein Schweizer Tourist das Buch „Special Effects“ des Autors Rolf Giesen in die DDR.
Auch dieses Buch wurde Goldstaub und begleitet mich bis heute und bestimmte meine Berufswahl. Nach der mehrfachen Lektüre des Buches drehte ich mit meiner Super 8 Kamera meinen ersten Film mit einer Puppe. Der Weg in die Animation war geebnet. Es war unvermeidlich, dass wir uns kennenlernten. Rolf Giesen ist ein unermüdlicher Beobachter, Kommentator und Fürsprecher der weltweiten Animationsfilmszene. Ich habe ihm im Dezember 2024 den Film „Memory Hotel“ gezeigt und er hat nachfolgende Zeilen geschrieben.


Puppenfilme, zumal abendfüllende, haben es nicht leicht. Das hat zuerst mit einem Vorurteil zu tun, das in der englischen Sprache leichter ausgedrückt werden kann: Puppets werden oft mit dolls verwechselt. So wird die Stop-Motion-Animation zur Unterhaltung von Kindern abkommandiert. Außerdem geistert ein weiteres Vorurteil durch die Filmlandschaft, nämlich dass Puppenfilme bzw. Stop-Motion-Produktionen keine lange Metrage vertragen und dass sie durch reale Darstellerinnen und Darsteller ergänzt werden müssten.

Tatsächlich ist das Puppenspiel – und um ein solches, wenn auch filmisch animiert, handelt es sich hier – eine der ältesten Künste der Menschheitsgeschichte, im Fall des Schattenspiels gar ein Vorläufer der moving images. Die erste Puppenspielaufführung einer Faust-Inszenierung zum Beispiel ist im Jahre 1746 in Hamburg urkundlich belegt.

Jan Švankmajer, Phil Tippett und andere haben bewiesen, dass Stop Motion auch und gerade im digitalen Zeitalter nicht obsolet ist, sondern in der ihr eigentümlichen Form der figürlichen Einzelbild-Animation eine Bewegungsform erschafft, die einem Ballett gleichkommt. Für den Animator ist es die Auseinandersetzung mit handfester, nicht virtueller Materie, sozusagen die Wiederholung eines biblischen Schöpfungsakts aus Lehm.

In der Erzählung einer kindlichen Kriegs- und Nachkriegssozialisation im Labyrinth eines Berliner Hotels, das Ähnlichkeit hat mit Franz Kafkas Schloss, ist Heinrich Sabls Memory Hotel ein zutiefst humanistischer Film, ein Appell an die Menschlichkeit und die Hoffnung auf Frieden, derer wir heute mehr denn je bedeuten. Ist es nicht seltsam, dass es beide, Sabls Puppenfilm und das Wort Friede in einer aufrüstenden Welt, gleichermaßen schwer haben?

Heinrich Sabl hat für seinen Beruf und seine Überzeugung in Jahren aufopferungsvoller Tätigkeit alles gegeben. Die Zuschauer werden es fühlen.

Foto:
©Verleih

Info:
Memory Hotel
Ein Film von Heinrich Sabl mit den Stimmen von Dagmar Manzel, Milan Peschel, Milton Welsh u.v.m. Figurenanimationsfilm, Deutschland 2024, 101 Minuten

Entwurf und Bau der Figuren und Sets
Charakterdesign Figuren     Frank Michel
Formbau / FoamArtist Figuren.      Gesine Richter, Peter Schnaak
Figurenbau und Kostüm         Kerstin Borchardt, Franck Michel,  Gesine Richter, Peter Wächtler    
Mechaniken der Figuren.        Marcel Caspers, Thomas Vogel
Kulissen und Setbau.              Matthias Mücke, Harald Csipai, Stefan Waltz, Marius Dreger, Daniela Petrozzi, Kathrin May, Tristan Blust, Heinrich Sabl, Anja Schulinus, Gesine Richter
Requisiten und Accessoires.            Friederike Sommerfeldt, Harald Csipai, Gunnar Wassermann, Anke Gruß, Ingo  Mewes, Carsten Welzel
Hintergründe und Illustration.     Simone Haack, Katrin Michel
 
Abdruck aus dem Presseheft