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Kategorie: Film & Fernsehen
flamingoSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Dezember 2025, Teil 2

Diego Céspedes

Berlin (Weltexpresso) - DER GEHEIMNISVOLLE BLICK DES FLAMINGOS ist wie ein Teil von mir selbst, entstanden aus verschiedenen Einflüssen. Ich bin in einem Vorort von Santiago aufgewachsen. Meine Eltern hatten einen kleinen Friseursalon, in dem drei schwule Männer arbeiteten. Einer von ihnen war Alexo, der Liebling meiner Mutter. Alexo war seit seiner Kindheit allein. Meine Mutter kaufte ihm alle Arbeitsgeräte, damit er arbeiten konnte, und mit der Zeit entstand eine Freundschaft.

Nur wenige Jahre später starb er an einer Folgeerkrankung seiner HIV-Infektion. Meine Eltern hatten ein schreckliches Bild von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken entwickelt, das mich ängstigte und mit dem ich aufgewachsen bin. Erst als ich mich als schwul geoutet habe und diese ganze queere Welt entdeckte, die so leuchtend, so strahlend ist, und ich viele Menschen mit AIDS kennenlernte, begann ich besser zu verstehen und die Vorurteile zu begreifen, die diese Krankheit umgeben. Auf diesen leuchtenden, strahlenden Teil der Figuren wollte ich mich in meinem Film konzentrieren.

DER GEHEIMNISVOLLE BLICK DES FLAMINGOS spricht damit zu uns aus meiner eigenen queeren Geschichte. Er erzählt gleichgeschlechtliche Liebe als entmenschlichten Mythos und möchte all den wunderbaren Menschen, die durch die HIV-Pandemie ums Leben gekommen sind, das Menschsein zurückgeben. Er zeigt die Mitglieder dieser queeren Familie als liebende Paare, Mütter, Schwestern, deren Leben zerbrochen sein mag, deren Strahlkraft aber niemals versiegt.

Alls Verknüpfung dieser persönlichen Welt mit den aktuellen Problemen der modernen Gesellschaft findet sich Chiles Bergbau-Geschichte als weiterer Einfluss auf den Film. Gerade die Kupfervorkommen führten im 20. Jahrhundert im Norden Chiles zu einem enormen Bergbauboom. Es wurden für Arbeitende eigene Städte errichtet, seinerzeit die modernsten Südamerikas. Als der Boom abflachte, vereinsamten die Siedlungen zu Geisterstädten. Interessant daran war, dass dort nur Männer gelebt und gearbeitet haben. Auch ihre Geschichten von Liebe und Sehnsucht sind in den Film eingeflossen und haben sich mit meinen persönlichen Motiven verbunden.

Damit erzählt DER GEHEIMNISVOLLE BLICK DES FLAMINGOS von verschiedenen Arten der Liebe und von einer Familie, die nicht durch Blutsverwandtschaft verbunden ist. Es ist eine Familie, wie sie diskriminierte Menschen gründen, um zu überleben und um Zärtlichkeit zu finden. Vor allem aber soll die Darstellung der Paranoia in diesem Ort und das damit verbundene Leid, das Lidia und der queeren Familie widerfährt, an die Homophobie unserer Gesellschaft erinnern – wie HIV-Infizierte und AIDS-kranke behandelt werden, wie sie wahrgenommen und zu einem Tabu gemacht werden.


Foto:
©Verleih

Info:
BESETZUNG
Lidia: Tamara Cortés
Flamingo: Matías Catalán
Boa: Paula Dinamarca
Yvoni: Pedro Muñoz
Clemente: Luis Tato Dubó
Julio: Vicente Caballero
u.v.a.
STAB
Regie, Drehbuch: Diego Céspedes
Bildgestaltung: Angello Faccini
Montage: Martial Salomon
Szenenbild: Oscar Ríos
Kostümbild: Pau Aulí

Abdruck aus dem Presseheft