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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Dezember 2025, Teil 9

Christel Schmidt

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ja, ich merk‘s selbst, der Gedanke erscheint etwas abwegig. Aber ‚Stromberg - Wieder alles wie immer‘ würde für mich gut in den Oberstufen Lehrplan passen. Leistungsfach Politik. In einer Welt, in der Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten ist, kann man auch Bernd Stromberg als politische Figur betrachten. Und präziser und pointierter kriegt man die großen Themen unserer Zeit - Polarisierung, Rechtsruck, Wokeness und Cancel Culture, Social Media Gefahren, Diskriminierung, Intoleranz, Orientierungslosigkeit - nicht analysiert und erklärt. Und weil Analyse so gekonnt mit Comedy kombiniert wird, hat man auch noch Spass. Also meistens. Obwohl das Lachen doch etwas schwerer fällt im Laufe des Films. Aber so weit sind wir ja noch nicht.

 

Zurück zu den Anfängen.

2004 bis 2012 war ‚Stromberg‘ ein absolutes Highlight im Deutschen Fernsehen. Die erste adaptierte Serie, die besser war als das englische Original!

Der miese, fiese Abteilungsleiter Bernd Stromberg, der immer nur austeilen und nix einstecken konnte, der seine MitarbeiterInnen runtermachte und sich opportunistisch durch die Verwaltung der Versicherungsgesellschaft Capitol schleimte, dieser Bernd Stromberg war natürlich letztlich ein armes Würstchen, und die Form einer Mockumentary war perfekt dafür geeignet, ihn zu demaskieren, ohne ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Aber gelacht haben wir schon sehr über ihn und sein Scheitern. Das lag auch an Christoph Maria Herbst, der diesen Stromberg zu einer Ikone gemacht hat: die hilflosen Gesten des Krawatte-glatt-Streichens, die beifallheischenden Blicke (nach einem peinlichen Witz), dem klebrigen Bemühen um die Aufmerksamkeit des Kamerateams, den misslungenen (aber dadurch treffenden) Sprachvergleichen und den unbeholfenen, aber total übergriffigen Annäherungsversuche an die Frauen im Büro. Diese Meisterschaft ging soweit, dass im Medienformat ‚Switch reloaded‘ mit ‚Obersalzberg‘ eine Mockumentary parodiert wurde, die die Stromberg Personage in Hitlers Führungsbunker übernommen hat. Hitler natürlich mit Gesten und Gehabe von Stromberg. Brillant!

 

In meiner Begeisterung für das Phänomen Stromberg kann ich mir nur schwer vorstellen, wie der neue Kinofilm bei ZuschauerInnen ankommt, die dieses Universum und die Vorgeschichte nicht kennen. Denn in ‚Stromberg - Alles wie immer‘ bezieht sich alles aufeinander: Die alte Bürogemeinschaft, die wieder zusammentrifft, ihre Entwicklung und ihr aktueller Platz in der Welt. Und als wären noch nicht genug Ebenen im Spiel gibt es noch eine Rahmenhandlung. In einem Fernsehstudio wird ‚Stromberg - das Wiedersehen‘ produziert - und natürlich wie in alten Zeiten von einem Kamerateam begleitet. Also als Mockumentary. Wie immer halt.

 

Die Produktion der Fernsehsendung bietet nicht nur den dramaturgischen Rahmen, sondern auch die Gelegenheit gleich zu Beginn eine junge Produktionsassistentin und die altbewährte Regisseurin im Studio darüber diskutieren zu lassen, ob ‚ sowas wie Stromberg‘ heute überhaupt noch geht. Und prompt formieren sich vor dem Studio zwei Lager. Aktivistinnen mit Plakaten (Nehmt die Glatze aus der Glotze) und die (männliche) Fangemeinde, die mit Klobrillenbart, Halbglatze und Trenchcoat als Stromberg lookalikes auftreten und ihr Idol frenetisch beklatschen.

 

Damit ist noch eine neue Ebene eingezogen, vor der sich die weiteren Ereignisse abspielen. Spaltung und Polarisierung.

 

Und jetzt wird es aber auch dringend Zeit, sich der Geschichte des Wiedersehen zu widmen. Auftritt Ulf und Tanja: Der immer noch sehr infantile Ulf und die ehrgeizige, strebsame Tanja, deren traurige Ehe wiederum einen sentimentalen Ton setzt, und für berührende Momente im Schnellfeuer der Pointen sorgt.

Und da ist Jenny ‚Schirmchen‘ Schirmann, die mit einem jugendlichen Influencer als Freund die Social Media Welt in die Runde bringt. Und damit die moderne Form des rücksichtslosen Ausbeutens. Statt Arschloch Chef Stromberg also nun das ‚digitale Arschloch‘ Julian, der für seinen Kanal erbarmungslos auf alles draufhält, was passiert, und damit die Entwicklung eskaliert, bis alles völlig aus dem Ruder läuft.

 

Und natürlich der Ernie - Berthold Heisterkamp - das ewige Mobbing Opfer. Er hat aus seiner Rolle ein Geschäftsmodell gemacht und ein Buch geschrieben. ‚Du bist kein Opfer‘. Als selbständiger Coach hat er von allen die größte Entwicklung durchlaufen. Wenn auch nicht durch wirklichen Erfolg gekrönt. Das Loser Image scheint auch im neuen Outfit noch durch.

Die Runde, immer wieder auch einzeln befragt vom stets anwesenden Kamerateam, wird von Jenny treffend auf den Punkt gebracht: Ein Klassentreffen, von einer Klasse, in der alle sitzen geblieben sind.

Überhaupt zünden die Pointen, Sprüche, Zitate schnell und zielsicher wie eh.

LBG XYZ - ist er einer von den Buchstaben? Sowas kann nur Stromberg fragen.

Und sich beschweren, dass man über nix mehr Witze machen darf - nur über MachoMänner. Und, mit Unschuldsmine über seine frauenfeindlichen Sprüche:‚das wusste man doch damals nicht, das mit den Frauen‘ ….. bedeutungsvoller Blick in die Kamera, Krawatte glattstreichend.

 

Die ständigen posts der Stromberg‘schen Ausraster eskalieren die turbulente Handlung so, dass es zu einer Art Amoklauf des orientierungslosen, an der neuen Welt verzweifelnden Stromberg kommt. Dieser düstere Grundton verstärkt die Frage, wie das Publikum den Film aufnehmen wird. Die Fangemeinde könnte enttäuscht sein, weil ihre Erwartungen nicht erfüllt werden.

Das ‚Kanu des Manitu‘, auch eine Neuauflage eines Erfolgsformats, wurde zum Kassenerfolg. Der Film hat nur harmlose Anpassungen vorgenommen. Drehbuchautor Ralf Husmann und sein Regisseur Arne Feldhusen waren da mutiger und konsequenter. Bei ‚Stromberg - wieder alles wie immer‘ tut‘s richtig weh. Der Schlusssong ‚Gestern ist jetzt‘ hat mich mit einem beklemmenden Gefühl entlassen. Trotzdem oder gerade deswegen - empfehlenswert!

 
Foto:
©Verleih

Info:
BESETZUNG
Bernd Stromberg Christoph Maria Herbst
Ernie (Berthold) Heisterkamp Bjarne Mädel
Ulf Steinke Oliver Wnuk
Tanja Steinke Diana Staehly
Jennifer Schirrmann Milena Dreissig
Julian László Branko Breiding
Sascha Anna Mateur
Luna Sophia Burtscher
Marvin Carlo Stolle

STAB
Drehbuch und Produzent Ralf Husmann
Regie Arne Feldhusen

Bild 1:1,85
Ton Dolby Atmos
Länge 100 Minuten
FSK Ab 12 Jahre