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Kategorie: Film & Fernsehen

senti1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Dezember 2025, Teil 15


Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main  (Weltexpresso) - Schauen Sie sich die Besetzungsliste an. Ein Hauptdarsteller fehlt! Das Haus. Das Haus, das zu uns im Film spricht, seine Meinung zum Geschehen äußert und vor allem über seine Geschichte berichtet. Und da gibt es Schauriges, auch Sentimentales. Das Haus, eine Villa am Rande der Stadt, das zudem einen örtlichen Architekturstil repräsentiert, will der norwegische Regisseur Gustav Borg (Stellan Skarsgård) als Drehort für seinen nächsten Film nutzen. Und es wird kein künstlicher Drehort sein, denn es ist sein Elternhaus, in dem sich seine Mutter, eine Widerstandskämpferin gegen die Nazis nach den Folterungen durch diese erhängt hat. Borg war damals sieben Jahre und will seinen Verlust, Defizit seines Lebens, durch einen Film kompensieren, nein, so weit geht auch Borg nicht, aber das Thema filmisch aufarbeiten.

 

Der Zeitpunkt ist günstig. Denn Borg hatte nach seiner Scheidung sein Haus der Exfrau und den Kindern überlassen. Da war er noch der erfolgreiche Regisseur, was jetzt aber 15 Jahre her ist. Und gerade ist seine Exfrau gestorben. Seine Töchter, die erfolgreiche Schauspielerin Nora (Renate Reinsve) hatten wir mit ihrem Lampenfieber und ihrer anschließenden professionellen vielbeklatschten Darstellung schon in der Eröffnungsszene kennengelernt. Sie kann dem Vater die Auflösung der Ehe, der Familie nicht verzeihen. Die Jüngere, Agnes ( Inga Ibsdotter Lilleaas), ist da versöhnlicher. Eine schwierige Situation für alle, die explodiert, als der Vater verkündet, dass das Haus zum Drehort wird und er sich seine Tochter Nora für die Hauptrolle, seine Mutter, wünscht, was diese vehement ablehnt.

 

Da fährt der immer noch berühmte Regisseur doch lieber zu einem Filmfestival nach Frankreich, das ihm eine Hommage widmet, die Retrospektive seiner Filme , wo er auf die ihn anhimmelnde US-Schauspielerin Rachel Kemp (Elle Fanning) trifft und ihr sofort die Rolle seiner Mutter anbietet, die sie beglückt annimmt. Doch als der Dreh beginnt und sich das Haus uns gegenüber dazu äußerst, kommt Rachel mit der Rolle nicht zurecht. Sie fühlt die Person nicht in sich und ihre professionelle Herangehensweise an die Persönlichkeit der Mutter führt zu nichts.

 

Wenn sich Nora schließlich doch bereit erklärt, als Schauspielerin in die Figur ihrer Großmutter zu schlüpfen, ist der entscheidende heftige verbale Schlagabtausch vorbei, in dem sich Borg als jetzt liebevoller Vater an die Tochter einschleimt und auch Nora hat ihr Pulver verschossen, ihre Vorbehalte gegen ihren Vater sind erlahmt. Spätestens jetzt spürt man die Nachwirkungen von Ingmar Bergman, den man jetzt auch in der Rolle des Vaters Borg imaginiert. Allerdings mit gewaltigen Unterschieden. Was bei Bergman dräuend schicksalshaft auf der Leinwand erscheint, als Tragödie, kommt bei Regisseur Joachim Trier zwar nicht als Komödie daher, aber doch mit leichter Hand gestrickt. Wie es ihm gelingt, eine solch tragische Geschichte wie das Leben der Mutter des Regisseurs im Film, die sich umbringt, in eben diesem Haus, was Regisseur Borg als Kind miterlebte, wie es ihm gelingt, dieses Unglück gleichsam als schicksalshaft, aber vom Weiterleben nicht berührt, darzustellen, ist schon Regiekunst.

 

Man folgt den Spuren der einzelnen im Film einfach gerne und ist im Nachhinein verblüfft, wieviel wir über diese Familie erfahren, die doch zerstritten war und nun nach dem Tod der Mutter – jetzt der Mutter der beiden und der Exfrau des Regisseurs im Film – auf eine neue Weise zusammenfindet. Daran hat auch die jüngere Schwester großen Anteil, die hier zu kurz kommt, aber im Familiengefüge eine feine kleine Rolle spielt. Kommen wir zum Spielen. Zum Schauspielen. Da lebt jeder in seiner Rolle und mimt sie gekonnt. Eine Schauspielerin zu spielen, ist für eine Schauspielerin sowieso immer ein Heimspiel. Hier sind es gleich zwei, deren Rollen aber auseinanderdriften. Während sich Elle Fanning als Rachel Kemp mit ihrer Darstellung von Bongs Mutter unzufrieden zeigt, weil sie die Gespielte nicht in sich spürt und immer unsicherer wird, wird Renate Reinse als Nora immer sicherer, dass ihr die Darstellung ihrer Großmutter unter der Regie ihres Vaters im eigenen Heim, das ihr Elternhaus ist, gelingt. Schön verschachtelt und interessant.

Foto:
©Verleih

Info:
Besetzung
Nora Borg Renate Reinsve
Gustav Borg Stellan Skarsgård
Agnes Borg Pettersen Inga Ibsdotter Lilleaas
Rachel Kemp Elle Fanning
Jakob Anders Danielsen Lie
Michael Jesper Christensen
Ingrid Berger Lena Endre
Sam Cory Michael Smith
Nicky Catherine Cohen
Even Pettersen Andreas Stoltenberg Granerud
Erik Øyvind Hesjedal Loven
Peter Lars Väringer

Stab
Regie Joachim Trier
Drehbuch Eskil Vogt  
 

 

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