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Kategorie: Film & Fernsehen

wi1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Dezember 2025, Teil

Christel Schmidt


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Er klaut Hunde, springt aus dem Fenster, oder lässt sich einfach aus dem Auto fallen, wenn ihn jemand weiter mit Manfred statt mit John anspricht, er hat fettige Haare und eine Art Dauerwelle, er trägt einen biederen Anorak - und ist dabei liebenswert, cool und lässig. Denn - hey - er ist Mads Mikkelsen (Foto rechts)! Der vielfach ausgezeichnete Star Schauspieleler, eine Art dänischer Kultur Exportschlager, hat seine Wandlungsfähigkeit in vielen Filmen bewiesen. Er war der Bösewicht in James Bond ‚Casino Royal‘, der sanfte Landpfarrer und penetrante Gutmensch in Adams Äpfel, er war selbstzerstörerisch-intensiv in ‚Der Rausch‘, unerbittlich im Kampf in ‚King’s Land‘, er überzeugt in Dogma Filmen genauso wie in ‚Indiana Jones‘.

 

wi2Mads Mikkelsen ist natürlich ein Pfund, mit dem ‚Therapie für Wikinger‘ absolut‘ wuchern kann. Muss der Film aber garnicht. Denn hier sind alle Schauspieler eine Wucht. Die Figuren schräg, aber genau gezeichnet, die Tonlage so pointiert, stilsicher und perfekt zwischen spannendem Thriller und Krimikomödie mit Tiefgang, dass es eine Freude ist. Filmemacher Anders Thomas Jensen, der auch das hervorragende Drehbuch verfasst hat, ist preisgekrönt, Oscar prämiert, und einer der berühmtesten und erfolgreichsten Regisseure und Drehbuchautoren Dänemarks.

Beste Voraussetzungen also für ein Kinoabenteuer der besonderen Art. Und anders als im Film, der auf eine sehr kluge und vergnügliche Art ständig die Erwartungen unterläuft und neue Überraschungen präsentiert, ist diese Kritik schlicht durchgängig positiv. Und das kommt so. 

wi3Schon in dem ungewöhnlichen Prolog wird das Thema gesetzt. Wie gut und genau - das merkt man aber erst am Ende der Geschichte. Der Film beginnt also tatsächlich mit Wikingern. Eine mit kindlichen Figuren gezeichnete Story erzählt davon, dass die Schwäche und Verletzung eines Mitglieds keine mehr ist, wenn alle anderen der Wikingergemeinschaft sich auch diese Verletzung zufügen. Erst am Ende des turbulenten Films werden wir merken, dass alle skurrilen Stränge und Figuren und alle hakenschlagenden Wendungen auf ein zutiefst menschliches, philosophisches Thema hinauslaufen: Identität. Wer bin ich - und wie werde ich von den anderen akzeptiert. Aber erst sind wir in einem klassischen Thriller: Ein Schließfach, eine Tasche, ein Mann auf der Flucht. Anker (Nikolaj Lie Kaas), so heißt der Mann, ist der Bruder von Manfred (Mads Mikkelsen), und vertraut ihm vor seiner drohenden Verhaftung noch den Schließfach Schlüssel an, mit dem Auftrag, die Tasche am Elternhaus auf dem Land zu vergraben. Ein riskanter Auftrag. Denn Manfred, soviel wird gleich klar, lebt in seiner eigenen Welt. Irgendwo zwischen Autismus und Wolkenkuckucksheim. Wieviel er wirklich verstanden hat, wissen wir nicht. Und als Anker 15 Jahre später aus dem Gefängnis entlassen wird, hat er zwei Riesenprobleme: Sein ehemaliger Komplize, skrupellos und brutal, ist hinter ihm und dem Geld in der Tasche her. Und Manfred hat seine Persönlichkeitsstörung in den vergangenen 15 Jahren hübsch ausgebaut. Er ist jetzt John, eine Reinkarnation von John Lennon, was später noch zu sehr lustigen Komplikationen führen wird.

Anker schafft es, mit Manfred/John in die Wälder zum einsamen Elternhaus zu fahren. Das Haus ist jetzt ein einsames AirBnB. Betrieben von einer Boxerin und ihrem durch einen Unfall versehrten Mann. Gleich am ersten Abend erleben wir eine Szene mit dem Ehepaar, die eine herrliche Variante von ‚Wer hat Angst vor Virginia Wolfe‘ ist. Klug geschrieben und genial gespielt. Noch dazu kommt eine Truppe aus der Psychiatrie zu Besuch, die sich - wie Manfred - als Beatles Members fühlen. Und von denen jeder noch seine eigene irrwitzige Geschichte mitbringt, was natürlich zu einigen sehr lustigen Szenen führt. Aber wir sind ja auch in einem rasanten Thriller, und so  findet auch der böse Kumpel das Haus. Es wird schwarzhumorig brutal (die Coen Brothers lassen grüßen) und zunehmend tiefgründig tragisch. Denn es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die beiden Brüder Anker und Manfred/John von ihrem der gewalttätigen Vater schwer traumatisiert wurden. Fast unmerklich öffnet sich die Geschichte zu einem berührenden Familiendrama. 

Die überraschenden Wendungen, die sprühenden Einfalle, die Situationskomik und die durchweg grandiosen Schauspieler -  dazu die einsame Winterlandschaft, viel Schnee und ein Baum, der im richtigen Moment umfällt, und die anrührenden Rückblenden in die Kindheit der unterschiedlichen Brüder - alles ein Fest. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Aber gerade jetzt, wenn es einfach ein bisschen zu süß und kitschig werden sollte, ist ‚Therapie für Wikinger‘ genau das Richtige! Und hilft auch gegen den Winterblues.


Foto:
©Verleih

Info:
Therapie für Wikinger

Ein Film von Anders Thomas Jensen

Mit MADs Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, Lars Brygmann, Sofie Gräbol

Dänemark 2025, ca. 116 Minutren