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Kategorie: Film & Fernsehen

Therapie fuer Wikinger Szene 3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Dezember 2025, Teil

Redaktion


Kopenhagen (Weltexpresso) - Woher kommt die Idee, Identität zu erforschen?

ATJ: Nun, ich nehme es aus meinem Umfeld, besonders der letzten 10 bis 15 Jahre, meine Kinder, die Medien – es ist überall um uns herum. Die Menschen verbringen sehr viel Zeit damit, herauszufinden, wer sie sind. Also dachte ich, es sei das richtige Thema und habe mich darauf gestürzt.



Sofie, Sie beide haben zuletzt vor 25 Jahren zusammengearbeitet in BLINKENDE LICHTER. Warum wollten Sie zurückkehren in die verrückte Filmwelt von Anders Thomas Jensen?

SG: BLINKENDE LICHTER war ein großartiger Film. Ist es wirklich schon 25 Jahre her? Die Filme, die Anders Thomas dreht, sind so beliebt. In Dänemark gelten sie fast schon als nationales Kulturgut. Sowohl das Publikum als auch alle Schauspieler lieben seine Filme sehr. Ich denke, das ist der Grund, warum jeder mit ihm zusammenarbeiten möchte und ich natürlich auch. Ich hatte schon zugesagt, bevor ich das Drehbuch las. Er ist nicht nur ein brillanter Regisseur, sondern auch ein genialer Drehbuchautor. Es scheint, als hätte jede seiner Figuren, auch die Nebenfiguren, ihre einzigartige, interessante Welt. Ich spiele zwar in diesem Film keine Hauptrolle, aber THERAPIE FÜR WIKINGER ist für alle Schauspieler so gut geschrieben, dass wir alle das Gefühl haben, „Hamlet“ zu sein. Alle Figuren tragen so viele Widersprüche in sich und haben eine aberwitzige Seite – sie haben einfach alle ihre eigene Welt, genau wie Margrethe, die ich in diesem Film spiele.


Was ist interessant an Margrethe und ihrem Mann? Warum brauchen wir sie in diesem Film? Stellen sie ein Gleichgewicht zu den anderen her?

ATJ: Jeder in diesem Film belügt sich selbst. Alle leben in dysfunktionalen Beziehungen. Ich brauchte eine Reflexion für einen anderen Weg, Dysfunktion zu zeigen. Bei den beiden ist es auf den ersten Blick nicht gleich zu erkennen. Es befindet sichunter der Oberfläche. Dennoch findet man schnell heraus, wie dysfunktional ihre Ehe ist. Es war also nochmal ein anderer Weg, um große Konflikte und Probleme zu zeigen, neben den Hauptfiguren. Das war der intellektuelle Gedanke dahinter. Dazu liebe ich verheiratete Paar, die sich nicht rechtzeitig getrennt haben. Das ist immer lustig.


Dieser Film hat absurde Komik, echten schwarzen Humor, den wir lieben, aber er setzt sich auch mit Traumata und sehr ernsten Emotionen auseinander. Wie versteht man das zunächst anhand des Drehbuchs? Wie schafft Ihr es, beides zu vereinen, auch in der Darstellung?

ATJ: Es ist ein fortlaufender Prozess. Man schreibt einfach weiter, während man versucht, die Balance in der Geschichte zu finden. Es ist wirklich eine Frage der Ausgewogenheit. Wenn es kippt, dann ist es entweder überhaupt nicht lustig oder nicht gut. Es hat auch viel mit dem Bauchgefühl zu tun, aber natürlich spielen auch die Schauspieler und Proben eine entscheidende Rolle, um herauszufinden, wie weit man gehen kann – streichen wir eine lustige
Zeile hier, um mehr Emotionalität zu erzielen oder andersherum… Der Prozess ist schwer in Worte zu fassen und ich bin mir dessen auch oft nicht bewusst. Die Balance ist aber das einzige, womit ich beim Schreiben, und meiner Meinung nach auch bei den Schauspielproben, die meiste Zeit verbringe, um die Übergänge zu schaffen.

SG: Es gibt eigentlich keinen Konflikt zwischen Komödie und Drama, zumindest für die meisten Schauspieler. Damit etwas lustig ist, muss es irgendwie auch wahrhaftig sein. Und das sind die Filme von Anders Thomas. Sie bewegen sich oft in einer Balance zwischen sehr ernsten Themen, die auch im dänischen Kontext irgendwie unüblich sind. Wir Dänen neigen dazu, sehr große Dramen zu vermeiden. Und Anders Thomas macht das, seitdem er begann, Geschichten zu erzählen. Der Grund, warum das lustig ist, liegt darin, dass es etwas in uns auslöst und berührt. Mit Material zu arbeiten, das sowohl eine tiefe Wahrheit als auch Schmerz, Frustration und Verletzungen beinhaltet, was so überdehnt wird, dass es absurd und lustig wird, ist für mich die optimale Art des Geschichtenerzählens.


Sophie, Sie haben einen der brillantesten Momente im Film, weil Sie eine ziemlich physische Rolle spielen. Wir sehen Sie joggen, und Sie dürfen auch jemanden schlagen. Wie befreiend ist es für eine Frau, einem ungezogenen Mann ins Gesicht zu schlagen?

SG: Ich durfte tatsächlich Mads schlagen, also seine Filmfigur Manfred. Mads würde ich niemals schlagen. Es ist eines dieser Dinge, die mir beim Lesen auffallen, wie eine Stuntszene oder eine sehr physische Szene, und ich denke, das kann ich. Ich muss aber gestehen, als ich dann damit konfrontiert war, erschien es extrem schwierig auf einmal. Ich war von den ganzen männlichen Schauspielkollegen umringt und alle 4 – 5 begannen plötzlich Regie zu führen.

ATJ: Es war nicht leicht für dich, jemanden zu schlagen. Sie haben alle gerufen: ‚Komm, los! Mach es so oder lieber so?‘

SG: Es war auch das ganze technische Gerede darüber. Wie man die Faust im richtigen Winkel zur Kamera hält, damit es so aussieht, als würde man wirklich jemanden schlagen. Nein, ich fand es wirklich extrem schwierig. Und tatsächlich gab es eine Szene, in der Mads als Manfred eine Brille trägt und seine Brille quer durch den Raum flog. Ehrlich gesagt sind wir uns immer noch nicht einig, ob ich ihm tatsächlich die Brille vom Kopf geschlagen habe. Ich glaube eher, sie ist durch seine Ausweichbewegung weggeflogen. Es hat Spaß gemacht (lacht).



Was soll das Publikum aus dem Film mitnehmen?

ATJ: Zunächst einmal hoffe ich, dass es unterhalten wird. Man bekommt oft diese Frage, und wenn ich eine klare Botschaft hätte, hätte ich nicht zwei Jahre damit verbracht, einen Film zu drehen und mich mit der Verpackung beschäftigt, sondern hätte die Botschaft direkt vermittelt. Ich werde den Leuten nicht sagen, was sie daraus mitnehmen sollen. Wenn mein Film dazu beitragen kann, darüber nachzudenken, was Realität ist und wie wir
alle unterschiedliche Wahrnehmungen von Realitäten haben, finde ich das gut. Das ist es, was man heutzutage tun kann, sich umschauen. Es gibt viele Sichtweisen auf die Realität, und manchmal sollte man darüber nachdenken, wie die andere Person die Dinge wahrnimmt.

SG: Ich möchte nicht zu großspurig klingen, aber ich denke, dass ein großartiges Drama die Fähigkeit hat, uns zu reflektieren, wie ein Spiegel. Und das Tolle an diesem Film ist, dass er nicht nur das Publikum zum Nachdenken anregt, sondern auch dazu bringt, über uns selbst und über Dinge zu lachen, die wir vielleicht sehr, sehr ernst nehmen.



Foto:
©Verleih

Info:
Stab

Regie & Drehbuch.   Anders Thomas Jensen

Besetzung
Manfred.    Mads Mikkelsen
Anker.      Nikolaj Lie Kaas
Margrethe.    Sofie Gråbøl
Werner.       Søren Malling
Freja.       Bodil Jørgensen
Lothar.      Lars Brygmann
Hamdan.     Kardo Razzazi
Flemming.   Nicolas Bro
Anton.      Peter Düring
Father.     Lars Ranthe

Abdruck aus dem Presseheft