Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Dezember 2025, Teil 1Redaktion
München (Weltexpresso) - Ein Gespräch mit dem Filmemacher: Die Fortsetzung des ersten Films, „Der Medicus“, ist ebenfalls als großes Unterhaltungskino angelegt.
Die Trennung von ernster Kunst und unterhaltender Kunst, das klassische E und U, finde ich immer schon aufgezwungen. Ich habe das nie verstanden. Jede Art von Geschichte, die wir
uns erzählen, löst etwas in uns aus. Wenn sie dazu noch etwas hat, das einen fesselt, aufwühlt, das einen begeistert oder fasziniert, zum Lachen oder Weinen bringt, einen lebendig
fühlen lässt, dann kann ich das nur gut finden. Bei den Filmen oder Theaterstücken, die ich inszeniere, erkenne ich immer eine große Sehnsucht in mir, mich emotional mit den
Zuschauenden zu verbinden. Dabei entsteht auch etwas zwischen Leinwand bzw. Bühne und Auditorium. Mir ist es wichtig, stets den Stoffen entsprechend empathisch und warmherzig zu erzählen, weil ich mir wünsche, dass man diese Geschichten mit lebt und nicht einfach nur aus der Distanz betrachtet. Das Kino lebt von Illusion und Emotion, und man will, dass dieser Zauberkasten auch aufgeht, man einen Mehrwert bieten kann: Man soll etwas mitnehmen, wenn man aus dem Kino kommt.
Was Ihnen bereits mit „Der Medicus“ ausgezeichnet gelungen ist.
Ich habe „Der Medicus“ als sehr schöne Arbeit in Erinnerung. Ich konnte mit tollen Schauspielern arbeiten und bekam die Gelegenheit, das komplette Füllhorn des Kinos auszubreiten. Das mag ich. Und ich denke, das ist es, was ich auch kann: das Kino als Konzert mit entsprechender Bildgestaltung und Storytelling, Kostüme, Bauten, Licht, Musik, Ton – alles, was dazugehört; eine kraftvolle Kunstform mit vielen verschiedenen Schichtungen, mit denen man arbeiten kann. Ein Film kann gleichzeitig prächtig aussehen und ein großes Illusionstheater sein, wie auch in die Tiefe gehen. Es ist einmal alles. Für „Der Medicus“ traf es zu und wurde gekrönt dadurch, dass er ein großer Erfolg beim Publikum war.
Wie sehr konnten Sie es sich erlauben, den Stoff in eine neue Richtung zu entwickeln?
Weil wir in DER MEDICUS 2 frei erzählen konnten, haben wir eine klassischere Konstruktion gewählt, um der Handlung mehr Zug und Spannung zu geben, die, wenn man so will, tatsächlich filmischer ist. Es ist kein Reisebericht, der durch die Welten und Themen zieht, der zweite Film lässt sich eher als Abenteuerfilm beschreiben, der einen auch emotional stärker
abholt, eine in meinen Augen aufregendere und konfliktreichere Arbeit. Natürlich sind die beiden Filme auch allein dadurch schon sehr verschieden, weil der erste Film nur zu Beginn
in England spielt, dann aber die Reise nach Persien beschreibt, mit viel Licht und Sonne und Sand, der zweite nun aber ausschließlich das keltische England zum Schauplatz hat, im
Mittelalter des elften Jahrhunderts ein durchaus ruppiger, schroffer Ort mit entsprechenden Landschaften. Die Architektur und die Farbwelt sind völlig anders, und im Grunde ergibt sich
daraus wie von selbst auch ein ganz anderer Film, eine andere Geschichte. Als Regisseur habe ich zwar durchaus einen eigenen Stil, eine Handschrift, aber jeder Film ist für mich eine5
Entdeckungsreise, in der ich in eine neue Welt eintauche. Form follows function, heißt es. Auf die beiden MEDICUS-Filme trifft das ganz bestimmt zu. Das London des elften Jahrhunderts
ist ein Moloch, England ist eine grüne Insel mit viel Regen. Da zwingt sich eine Geschichte, die Anklänge an Shakespeare hat, regelrecht auf, mit blutigen Intrigen, wie man sie auch
„Richard III“ kennt. Oder vielmehr: Es ergibt sich in diesem Kosmos wie von selbst. Aber ich finde auch: Bei aller Unterschiedlichkeit sind die beiden Filme, wenn man sie hintereinander
ansieht, wie aus einem Guss. Es ist eine große Saga, die sich immer weiterentwickelt, aber mangels entsprechender Vorlage im zweiten Teil von uns erdacht wurde.
Es gibt aber auch einen neuen thematischen Schwerpunkt …
Diesmal geht es um die Seele, das Innere des Menschen. Im ersten Film wurde die Heilung des Körpers behandelt, nun richten wir den Blick nach innen, stellen Fragen zur Heilung des
Geistes. Wo endet die Schulmedizin, wo beginnt das Unerklärliche, das noch nicht untersucht wurde? Wie können uns dabei womöglich Naturreligionen oder schamanistische Dinge
helfen? Man könnte es vielleicht mit einem Sinfoniekonzert vergleichen. Der erste Satz klingt anders als der zweite Satz. Das neue Kapitel wird in einer anderen Tonalität erzählt.
DER MEDICUS 2 wäre kaum vorstellbar ohne Tom Payne in der Hauptrolle als Rob Cole. Stand immer fest, dass er mitmachen würde?
Es war überhaupt nicht schwierig, ihn dafür zu begeistern. „Der Medicus“ ist ein wichtiger Meilenstein in seiner Karriere, die Rolle des Rob Cole gehört ganz unmittelbar zu ihm. Das
Problem war vielmehr sein prall gefüllter Terminkalender. Das vergangene Jahrzehnt hat er primär in den USA in Serien mitgespielt, erst in „The Walking Dead“, danach „Prodigal Son“.
Bekanntlich ist der Dreh von Serien mit großem zeitlichem Aufwand verbunden. Insofern war es für ihn alles andere als einfach, einen entsprechenden freien Zeitabschnitt zu finden. Covid
hat es nicht einfacher gemacht. Wir blieben aber in Kontakt. Und schließlich konnten auch die organisatorischen Hürden genommen werden.
Ansonsten sehen wir weitestgehend Darsteller und Darstellerinnen, die im ersten Teil noch nicht dabei waren.
Ähnlich wie im ersten Teil setzt sich der Cast aus deutschen Schauspielenden mit ausgezeichneten Englischkenntnissen und englischen Muttersprachlern zusammen. Damit hatten wir gute Erfahrungen gemacht, deshalb wollten wir es diesmal wieder so halten. Emily Cox ist Halbengländerin und beherrscht die Sprache perfekt, ebenso Francis Fulton-Smith. Und auch Malick Bauer und Leonard Scheicher sprechen nahezu akzentfrei. Das war mir wichtig. Anne Ratte-Polle wollte ich gerne dabeihaben, weil sie eine so wahnsinnig gute Schauspielerin ist. Und bei den Muttersprachlern war es mir einfach wichtig, die Rollen so gut wie möglich besetzt zu wissen. Wenn man einen Aidan Gillen oder Liam Cunningham im Cast hat, die man beide aus „Game of Thrones“ kennt, weiß man, dass nichts schiefgehen kann. Das sind Vollprofis, allesamt theatererfahren. Die Arbeit mit ihnen ist eine reine Freude.
Wie haben Sie den Dreh erlebt?
Es war ein Ritt. Aber auch eine durch und durch erfreuliche Erfahrung. Mit Produzent Wolf Bauer hatte ich bereits den ersten Film gemacht, seinem produzentischen Geschick und seiner
Hartnäckigkeit war es zu verdanken, dass wir den neuen Film finanzieren konnten in einer Zeit, in der es sehr viel schwieriger geworden ist, Budgets zu stemmen, wie sie nötig sind, um
eine große historische Erzählung mit der entsprechenden visuellen Wirkkraft zu realisieren. Zur Umsetzung kam Till Derenbach mit seiner Zeitsprung Pictures an Bord. Ich hatte davor
noch nicht mit ihm gearbeitet, war aber begeistert, mit welcher Entschlossenheit und großen Findigkeit für Umsetzbares er ans Werk gegangen ist – ein unerschrockener Produzent mit
dem Credo „Geht nicht, gibt’s nicht“, immer lösungsorientiert und dabei realistisch in seiner Abschätzung. Wir waren ein gutes Gespann. Weshalb es uns dann sehr gut gelungen ist, mit
geringeren Mitteln einen Film zu machen, der dem ersten Teil in punkto epischen Atems in nichts nachsteht. Wir haben größtenteils in Ungarn gedreht, wo wir mit Teams arbeiten konnten, die eine große Expertise haben für diese Art von Film: Hollywood ist dort regelmäßig zu Besuch, um aufwändige Genrewerke zu drehen, ob es Science-Fiction- Stoffe sind oder Ritterfilme. Entsprechend findet man auch viele atemberaubende Bauten vor, die wir für unsere Ansprüche adaptieren konnten. Und die Außenmotive sind spektakulär. Es ist ein tolles Filmland für diese Art von Kino. Auch was die Crews anbetrifft. Ich habe aus Deutschland nur Kameramann Frank Griebe mitgebracht, der eine absolute Bank ist. Ansonsten haben wir ausschließlich ungarische Heads of gehabt. So etwas kann ich nur empfehlen. Das Niveau dort vor Ort ist ungemein hoch.
War es eine rückblickend schöne Erfahrung?
Es hat sehr lange gedauert, bis wir an dem Punkt waren, den Film wirklich zu realisieren, nahezu zehn Jahre. Es war nicht ganz einfach, die Geschichte zu entwickeln, ebenso war die
Finanzierung ein regelrechter Husarenritt, gekoppelt mit einer aufwändigen Suche nach
Drehorten und einer komplexen Vorbereitung. Als es dann aber an den Dreh ging, lief alles
verblüffend glatt ab, wenn man die schiere Größe der Produktion bedenkt. Ich habe es sehr
genossen. Wir haben die Szenen bekommen, die wir uns erträumt hatten. Gewiss hilft, dass
ich mittlerweile eine gewisse Erfahrung mitbringe, nicht zum ersten Mal einen so üppigen Stoff
verfilmt habe. Man wird nicht so leicht aus der Ruhe gebracht. Und man weiß, dass sich auch
für vermeintlich große Probleme immer Lösungen finden lassen, wenn man denn gemeinsam
an einem Strang zieht. Das war bei uns immer gegeben. Wolf Bauer und Till Derenbach waren
ausgezeichnete Mitstreiter, die an meiner Seite waren, damit wir den Film umsetzen konnten,
wie wir ihn uns vorgestellt hatten.
Foto:
©Verleih
Info:
Besetzung (Auszug)
Rob Cole Tom Payne
Mercia Emily Cox
Ilene Áine Rose Daly
Odwin Owen Teale
Rebecca Emma Rigby
Abu Malick Bauer
Izak Jaouhar Ben Ayed
Duff Harry Redding
Weasel Rosie Boore
Morrigan Sara Kestelman
Rose Evelyn Craven
Harthacnut Leonard Scheicher
Bischof Edgar Máté Haumann
Schwester Mary Finty Williams
Leofric Francis Fulton-Smith
Aemma Anne Ratte-Polle
Knute Liam Cunningham
Hunne Aidan Gillen
u.v.a.
Stab (Auszug)
Regie Philipp Stölzl
Drehbuch Stewart Harcourt
Caroline Bruckner
Philipp Stölzl
Jan Berger
Marc O. Seng
Nach einer Geschichte von Jan Berger
Philipp Stölzl
Abdruck aus dem Presseheft