Drucken
Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. September 2015, Teil 2

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) – Das ist ein schöner Film, obwohl oder besser: weil er vom Sterben handelt. Und alle die, die gerne leben, sollten sich ihn besonders intensiv anschauen. Er ist lustig, er ist nachdenklich, er ist klug, er ist schräg, er ist traurig, ein Film, in dem das ganze verrückte Leben zumindest eines zeigt: alt zu werden, kann auch freimachen, damit man der oder die wird, die man eigentlich ist.

 

Warum wir so begeistert sind, hat auch mit der Inszenierungskunst der Regisseure Sharon Maymon und Tal Granit zu tun, die auch das Drehbuch schrieben. Schon der Beginn haut einen um, auch deshalb, weil man erst einmal beim Thema: alte Leute und Sterben an Traurigkeiten denkt. Und dann erleben wir, wie eine des Lebens überdrüssige Alte in einem Altersheim von Gott persönlich angerufen wird. Der teilt ihr mit, nein, nein, noch sei es nichts mit dem Sterben, sie müsse, dürfe, könne, solle noch eine Weile auf der Erde verbleiben, so sei sein Plan. Was kann eine alte Frau schon gegen den Willen Gottes haben. Natürlich gibt ihr das Auftrieb zum Weiterleben.

 

So ist das mit dieser alten Frau. Der Zuschauer aber hat mitbekommen und entschlüsselt es dann vollends, daß der Nachbar Yehezkel (Ze'ev Revach) an seinem vorsintflutlichen Telefon irgendetwas so verändert hat, daß seine normale Stimme das Volumen und die Tiefe eines Gottes angenommen hat. Er steckt also hinter diesem Anruf und was sich hier als witziger Beginn zeigt, wird im Verlauf immer wieder verstärkt. Humor ist eine lebensnotwendige Haltung, das zeigt dieser Film auch. Denn Fehler macht auch Gott. Dieser Lebensmüden hat er suggeriert, er lasse sie von ihrem Mann im Himmel schön grüßen. Da wird sie wach: „Ich war nie verheiratet“.

 

Das eigentliche Thema des Films ist aber das freiwillige Sterben, das freiwillige aus dem Leben scheiden, was für manche eben selbstbestimmt dann gilt, zu gehen, wenn es am Schönsten ist, was nicht ganz genau ist, besser: wenn sich abzeichnet, daß es nun rapid bergab geht. In unserem Gedächtnis ist derzeit Gunther Sachs derjenige, der diesen freiwilligen und selbst herbeigeführten Tod am deutlichsten als Haltung auch durchgezogen hat. Darum auch der Titel, denn das Ende vom Leben soll sich für die hier versammelten Menschen nicht ausschleichen, es soll als Fest enden. Keine Sekunde hat man im Film alle die Probleme vor Augen, die Sterbehilfe schon als Begriff bei uns in den letzten Jahren begleitet. Es gibt ja auch gute, sprich ethische oder religiöse Gründe dagegen, aber es gibt eben auch gute Gründe dafür.

 

Hier wird so selbstverständlich vom Recht des einzelnen, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, ausgegangen, daß mit Leichtigkeit und freudig sozusagen gestorben wird, dem jedoch niemals etwas Leichtfertiges anhaftet. Darum sind wir von diesem Film so begeistert, weil er mit leichter Hand schwierige Stoffe zu lebendigem, nachdenklichem Leben macht. Derselbe Yehezkel, der gerade die todessüchtige Alte zum Weiterleben verpflichtet hatte, wird in einer der nächsten Szenen seinem Freund Max (Shmuel Wolf) zu Hand gehen müssen. Denn der liegt im Krankenhaus, die Ärzte geben ihm noch ein paar Monate, vor den Schmerzen können sie ihn nicht bewahren. Darum will er sterben und gerade, als Yehezkel der Frau seines Freundes verspricht, seinen Tod maschinell herbeizuführen, da kommt seine eigene Frau Levana (Levana Finkelstein) ihm auf die Schliche, verbietet dies – das ganze artet in eine derartige Komödie der Irrungen und Wirrungen aus, weil dann noch der Tierarzt sich zum Menschenarzt erklärt und mit einem Schlag alles, was unter das Thema Sterbehilfe gehört, in Dialogen zwischen dieser Freundesgruppe erörtert wird, tatsächlich mit allen Aspekten, die man sich nur denken kann. Dabei passieren aber unentwegt Mißverständnisse und Sonstiges, so daß man sich als Zuschauer lachend im Kino vorfindet, wo es doch um solch ernste Sachen geht.

 

Das wäre noch alles zu wenig, man müßte dieses Schauspielensemble im einzelnen vorführen, denn eine überschaubare Gruppe von alten Menschen bilden hier den Kosmos des Alters, der Schmerzen, des Überlebens und des Sterbenwollens ab. Wie beide Regisseure zugleich mit wunderbaren Bildern aus dem Ende des Lebens tatsächlich für uns Zuschauer ein Fest des Films machen, fordert unser Bewunderung heraus und auch die Anregung, sich diesen Film unbedingt anzuschauen. So einen Film sahen Sie noch nie.

 

Info:

Schauspieler/Protagonisten
Yehezkel  Ze’ev Revach
Levana  Levana Finkelstein
Yana  Aliza Rosen
Dr. Daniel  Ilan Dar
Raffi Segal  Rafi Tabor


Stab
Buch und Regie
Sharon Maymon, Tal Granit
Kamera
Tobias Hochstein

Kinostart 24. September 2015