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Kategorie: Kulturbetrieb
med alzheimerZum internationalen Alzheimertag:  Rudolf Dederers Autorenlesung über die erste Alzheimer Patientin 1901 im Frankfurter Gesundheitsamt

Hans Weißhaar

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es ist der 25. November 1901, vormittags. Karl D. bringt seine Frau Auguste in die Frankfurter Psychiatrische Klinik „auf dem Affenstein“. Er weiß sich anders nicht mehr zu helfen. Es ist ein Schicksalstag, der für die Medizingeschichte große Bedeutung erlangen soll.

In seiner biografischen Erzählung „Frankfurt am Main, 25. November 1901, vormittags 10 ½ Uhr“ stellt der Autor und Stadtteilhistoriker Rudolf Dederer Leben und Schicksal der ersten Alzheimer-Patientin Auguste D. aus der Perspektive des Novembertages 1901 dar. Alzheimer-Patientin wurde sie genannt, weil sie bei dem Arzt namens Alzheimer vorstellig wurde, der an ihr ein Phänomen der Moderne diagnostizierte, was der Krankheit ihren Namen gab: Verwirrung, öfter Aggressivität und stärkeres Vergessen als es die allgemein bekannte Demenz mit sich bringt. Der "Affenstein", so wurde seit dem Mittelalter dieses große grüne Gebiet außerhalb des Stadtrings genannt, wo der weltberühmte Heinrich Hoffmann sein 'Irrenschloß' errichtet hatte. Denn er, der als Gynäkologe angefangen hatte, hatte in den licht- und luftarmen engen Behausungen in der Stadt die Ursache dafür gefunden, daß Menschen, die geistige Schwächen hatten, noch schlimmer dran waren. Beginn der modernen Psychiatrie.

Das war also eine ausgesprochen liberale, ach was, fortschrittliche  Position für einen Arzt. Aber weltberühmt? Nun ja, nicht als Arzt, aber als Verfasser des STRUWWELPETER und anderer Bildergeschichten, die er deshalb niederschrieb und illustrierte, weil er für den eigenen Sohn kein geeignetes Bilderbuch zum Weihnachtsfest fand. Aber das ist nicht alles. Denn der Affenstein wurde dann populär und später sogar umstritten, und dann geheim und derzeit ist dies Gebiet in aller Munde und von Tausenden täglich besucht. Es ist nämlich dort die Goethe-Universität eingezogen, in das IG Farben Hochhaus und das Casino, zu dem inzwischen unglaublich viele Gebäude hinzukamen - und dies herrliche aufsehenerregende leicht gebogene Gebäude, das Hans Poelzig 1928 für die IG-Farben erbaut hatte, konnte entstehen, weil das erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so toll und luftig gebaute 'Irrenschloß' leider durch Schwamm verfiel.

Die gerade zu einer dominierenden Wirtschaftsmacht zusammengeschlossenen IG Farben kauften das Gebiet auf, ließen das repräsentative Gebäude errichten, das nach dem von den Alliierten gewonnenen 2. Weltkrieg und der Auflösung der IG Farben zum europäischen Headquarter der USA wurde. Und als die Amerikaner endgültig als Besatzungsmacht aus Deutschlands nach 1989 abzogen...da wurde es durch Beschluß der damaligen SPD-Landesregierung zum Sitz der Universität erklärt. Das war völlig gegen die Interessen der Wirtschaft, denn die wollten ihre neue Macht in diesem dominanten Gebäude gerne wieder zur Schau stellen.

Aber vordergründig war es auch gegen die wirtschaftlichen Interessen des Landes Hessen, denn es wurden immense Summen für den Gebäudeverkauf angeboten. Aber dies ist ein gutes Beispiel dafür, daß nicht das Geld das Wichtigste ist, sondern daß man aus der Geschichte lernend das Gebäude umwidmete, der Jugend und der Zukunft übergab. Vielleicht sollte man noch hinzufügen, daß die IG Farben nicht nur Hitler finanzierten, sondern daß das Mitglied der IG Farben, die benachbarten Farbwerke Hoechst, das Vergiftungsgas Zyklon B nach Auschwitz und die anderen KZs geliefert hatte. 

Das nur als lokaler Hintergrund, den auch in Frankfurt nur wenige kennen. Zurück zur Veranstaltung: Am Mittwoch, 20. September, um 16 Uhr liest Dederer im Gesundheitsamt aus seinem Buch vor. Er wird außerdem zu seiner im Gesundheitsamt ausgestellten Installation „Denk mal an Auguste! – Scherben der Erinnerung“ führen. Rudolf Dederer ist gebürtiger Frankfurter, pensionierter Jurist, Stadtteilhistoriker der Stiftung Polytechnische Gesellschaft und Vorleser im Projekt Lesefreuden des Bürgerinstituts.

Die Autorenlesung findet im Gesundheitsamt in der Breite Gasse 28 im vierten Stock statt. Die Veranstaltung wird anlässlich des Welt-Alzheimertags vom Gesundheitsamt, Abteilung Psychiatrie, in Kooperation mit dem Bürgerinstitut, Bereich HILDA (Hilfe für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen) organisiert. Vertreterinnen von HILDA stehen für Fragen zu Demenz, zum Umgang mit Patienten und ähnlichen Fragen zur Verfügung.

Foto: © flexikon.doccheck.com