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Kategorie: Kulturbetrieb
Gabriele d Annunzio 1Serie: DIE EWIGE FLAMME - Gabriele D'Annunzio und sein unvergänglicher Einfluss auf Kultur und Politik, Teil 2/15

Davide Zecca

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Gabriele D'Annunzio bereicherte durch seine sprachliche Innovation nicht nur die Welt der Literatur, sondern ebenfalls das Vokabular der italienischen Alltagssprache. Im Sprachbewusstsein der Italiener „italienisierte“ er als Sprachchauvinist das Wort „Sandwich“ zu „Tramezzino“; was nota bene diese Turiner Erfindung, bekannt für seine befreite Brotkruste und weichen Pancarré, auch kulinarisch mit dem Sandwich aus dem englischsprachigen Raum gleichzog. Auch der „Cognac“ wollte der Sprachchauvinist als „Arzente“ verstanden wissen, abgeleitet vom Lateinischen „ardens“.
Begriffe, wie etwa „beni culturali“ („Kulturgut“/“kulturelles Erbe“), „vigili del fuoco“ („Feuerwehrleute“), „folla oceanica“ („Menschenmasse“), „velivolo“ („Flugzeug“), „scudetto“ („Sportschild; die Trophäe für die gewonnen Profimannschaft in Italien“) oder „fraglia“, ein Kofferwort zusammengesetzt aus „fratellanza“ („Bruderschaft“) und „famiglia“ („Familie“) gehen ebenfalls auf seine Person zurück. Der in Italien populäre Frauenname „Ornella“, den er für den Roman „La Figlia di Jorio“ aus dem Jahre 1904 („Die Tochter von Jorio“) erfand, ist also auch sein Ding. Ferner löste ein „elegantes und präzises“ Geschenk wie der Fiat 509 von Fiat-Mitgründer und Senator Giovanni Agnelli (1866-1945) an Gabriele D'Annunzio 1926 beim „Vate“ eine genderpolitische Debatte aus – die man heute in dieser Form als sexistisch bezeichnen würde – sprich, ob der Begriff „automobile“ durch einen männliches oder weibliches Pronomen gerechter dargestellt wird: Für den „Vate“ ist „automobile“ ganz klar „femminile“, da es „die Anmut, die Schlankheit und die Lebendigkeit einer Verführerin hat; sie hat auch eine Tugend, die Frauen unbekannt ist: vollkommener Gehorsam. Aber andererseits haben Frauen die lässige Leichtigkeit, jede Rauheit zu überwinden“.

Diese sexistische Charakterisierung, die u.a. eine genderpolitische Debatte tangiert, bezeichnete D'Annunzio im Jahre 1926 als einen „schrägen Fortschritt.“ Die Kreativität des weltberühmten Mannes blieb nicht nur auf die sprachliche Ebenen begrenzt, sondern schuf für die Filmwelt  einen Filmhelden, namens „Maciste“. Eine fiktive Figur, welche über eine übermenschliche Stärke verfügt, tugendhaft handelt und dessen Aufgabe darin bestand, die Menschheit und insbesondere die schönen Mädchen in Gefahr zu beschützen. Heute zählt „Maciste“ zu einer italienischen Ikone und gilt im italienischen Sprachgebrauch als Metapher für einen Mann mit muskulösem Körperbau und übermenschlichen Kräften. Seine schöpferische Kraft blieb jedoch nicht nur auf die Sprache und die Filmwelt beschränkt. Verschiedenen Unternehmen Italiens war stets bewusst, dass D'Annunzio schöpferische Kraft gepaart mit seiner unangefochtenen Popularität in der Bevölkerung den Marken zu einem positiven „Spin“ verhelfen können.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war er einer der ersten „Influencer“ seiner Zeit, insbesondere für die Kulinarik aus seiner Region: so schlug der Dichter dem Gründer und Unternehmer Amedeo Pomilio den Namen für den aus Pescara stammenden Orangenlikör „Aurum“ vor, für den europaweiten bekannten Amaro Montenegro war er der „Testimonial“, den er als „liquore delle virtudi“ („Likör der Tugenden“) bezeichnete sowie für die Kekse Oro Saiwa den Werbespruch kreierte: „mattino ha l’oro in bocca“ („Der Morgen hat Gold im Mund“). Seine egozentrische Persönlichkeit, die mit großem Geschäftssinn einherging, machte sich schon im jugendlichen Alter bemerkbar. So dachte er sich im Sinne des Guerillamarketings im November 1880, im Alter von siebzehn Jahren, seinen eigenen Tod aus. Unter dem Pseudonym „G. Rutini“ schrieb er der Zeitung Il „Fanfulla della Domenica“, dass der junge Poet der erhabenen Verse des „Primo vere“ durch einen „Sturz vom Pferd auf dem Weg nach Francavilla“ gestorben sei. Als die Kondolenzbriefe das Elternhaus in großer Zahl erreichten, klärte der junge Poet die Geschichte auf.

Der selbstverliebte Ästhet musste jedoch auch für sich selbst etwas erfinden. Neben seinen optischen Sinnen wollte er in gleichem Maß auch sein olfaktorisches Bedürfnis befriedigt sehen, sodass er die Parfümserie „Acqua Nunzia“ erfand. Seine sprachliche Stärke erkannten auch Historiker, so etwa der australische Faschismus-Historiker R. J. B. Bosworth: "Seine Fähigkeit, Worte zu nutzen, um Gefühle zu wecken, war beeindruckend. D'Annunzio war ein Meister der Sprache."
 
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©gedenkseiten.de

Info:
Die bisherige Serie
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/30992-sein-leben-als-kunstwerk
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/31000-wort-und-schoepferkraft-als-seine-unangefochtene-dynamik-einer-der-ersten-influencer