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Kategorie: Kulturbetrieb
Rapunzel 4887„Rapunzel“ bei den Grimm-Festspielen

 Hanswerner Kruse

Hanau (Weltexpresso) – "Rapunzel“ bei den Grimm-Festspielen ist ein großartiges Theaterstück für die ganze Familie – auch für Erwachsene. Im Amphitheater beginnt die Geschichte wie im Märchen: Weil seine schwangere Frau voller Gier auf Rapunzel-Salat ist, stiehlt ihr Mann die Pflanzen aus einem Zaubergarten. 

 

Die Besitzerin erwischt ihn und fordert zur Strafe das Kind. Nach der Geburt des Mädchens verwandelt die Zauberin die Eltern in Steine und nimmt die Mutterrolle ein. Doch das Märchen entwickelt eine neue, überraschende Dynamik. Die Hexe ist menschenfeindlich, umweltbewusst und will „ihr Kind“ vor der bösen Welt bewahren. Später verirren sich der sensible Königssohn Ludwig und sein kleiner Bruder Kaspar in den Garten. Rapunzel – benannt nach dem Gelüst ihrer leiblichen Mutter – und der Kronprinz verlieben sich. Wütend stößt die Zauberin einen Fluch aus, der die Liebenden das Erlebte vergessen lässt.

Rapunzel wird in den treppenlosen Turm gesperrt, dort lebt sie mit zwei Rapunzelweibern in Töpfen (Bild oben). Seit Beginn der Aufführung sind sie ihre innigen, aber widersprüchlichen Gefährtinnen: Pinz ist die romantische Rapunzelpflanze, Punz die nörgelige, pessimistische. Die Gefangene glaubt, sie lebe schon immer im Turm. „Zu ihrem Schutz“, behauptet die Alte. Dagegen schwärmen die Gewächse: „Wir waren mal frei und nicht im Topf.“ Bevor die Magierin die Tochter besucht, ruft sie: „Rapunzel, lass dein langes Haar herab“ und klettert daran hoch.

Zur gleichen Zeit soll Ludwig mit der sinnlichen Infantin Dolores aus Spanien verheiratet werden, die viel besser zum kleinen Bruder passen würde. Als er eines Tages Rapunzel im Turm singen hört, steigen Erinnerungen in ihm auf, auch bei dem Mädchen, als er mitsingt. Die Rapunzeln sollen den Kronprinzen holen und protestieren empört: „Wir sind doch keine Kletterpflanzen“, während sie von ihrer Herrin aus dem Fenster geschubst werden. Dann kommt es zum heftigen Streit mit der Mutter, die ihr wütend die Haare schert. 

Rapunzel 4974Ludwig sucht im Wald nach seiner Angebeteten, die Magierin stellt ihm eine Falle. Sie lässt das abgeschnittene Haar herab, lockt ihn mit verstellter Stimme und stößt ihn in die Tiefe. Geblendet von Dornen bleibt er liegen. Nun kommt es zum großen Showdown der Zauberin gegen die empörte Rapunzel, die von den Gewächsen und den Königsbrüdern unterstützt wird (Bild links). „Das ist mein Leben“, erkennt sie endlich. Im Kampf bleibt die Hexe machtlos, ihre Kräfte sind geschwunden. Wie bei den Grimms heilen Rapunzels Tränen die Augen des Geliebten. 



Rapunzel 4937Es war eine geniale Idee des Trios – Adisat Semenitsch (Regie) sowie Anja Kömmerling und Thomas Brinx (Buch) – das lebende Pflanzenpaar zu kreieren und dem Prinzen einen Bruder zu geben. Dadurch gewinnt die Inszenierung durchgängig eine nicht vorhersehbare Dramatik mit viel Humor. Die Salatgewächse Pinz (Rosa Abruscato) und Punz (Barbara Seeliger) kommentieren grotesk das Geschehen, beeinflussen Rapunzel, streiten sich untereinander – und sorgen für Slapstick und absurde Pointen. Spannung entsteht auch durch das ungleiche Prinzenpaar: hier der introvertierte Ludwig (Malte Flierenbaum), dort der draufgängerische Kaspar (Moritz Reinisch). Überzeugend zerrissen zwischen boshafter Überbehütung und Weltkritik, ist die misanthropische Hexe (Valerija Laubach). Rapunzel (Hannah Sophie Schad) schwebt sanft durch das Schauspiel und wächst langsam und glaubwürdig zur Kämpferin
In weiteren Rollen Königin Therese (Ulla Wagener) und Infantin Dolores (Larissa Grosenick).

Eine Aktion unter dem Motto: „Ein Zopf für Hanau!“ 
„Häkelst du auch?“ Die Frage wird im Stück zum Running Gag zwischen Rapunzel und Ludwig. Denn der lange Zopf, der jedes Mal Szenenapplaus bekommt, wurde von 50 Leuten – ausgelost aus über 1000 – gemeinschaftlich gehäkelt.

Fotos
© Hanswerner Kruse

Service
Weitere Aufführungen und das gesamte Programm siehe festspiele-hanau.de