
Sabine Zoller
Enzklösterle (Weltexpresso) - Chester ist ein reinrassiger Mittelspitz, der in den Vereinigten Staaten geboren wurde, über Umwege in die Türkei gelangte und schließlich nach Deutschland kam. Sein früheres Leben war geprägt von Brüchen und Schmerzen. „Wie genau sein Weg verlief, liegt im Dunkeln. Klar ist nur, dass vieles nicht legal ablief“, so Stefanie Zimmer, die die Spuren seiner Vergangenheit deutlich beschreibt: Angst vor engen Räumen, Unsicherheit bei lauten Geräuschen und tiefsitzende Abwehrreaktionen.
Manche Begegnungen verändern ein Leben. Für Stefanie Zimmer aus Enzklösterle war es der Moment, als sie im Internet auf eine Anzeige stieß, die ihr Herz stocken ließ. Dort wurde ein junger Hund mit dem drastischen Hinweis angeboten, dass er binnen einer Woche abgeholt werden müsse. Andernfalls drohe ihm die Einschläferung. „In dem Augenblick war mir klar: Ich muss diesen Hund retten“, erinnert sie sich.
Doch dann kam die Wende für Chester. Stefanie Zimmer adoptierte ihn ohne Zögern und vom ersten Augenblick an schien er gespürt zu haben, dass sein Leben nun in andere Bahnen gelenkt wird. „Er ist mit mir mitgekommen, als wäre es das Normalste der Welt“, erzählt sie. „Kein Zurückschauen, kein Weinen. Das hat mir gezeigt, dass er seine Vergangenheit hinter sich lassen wollte.“
Die ersten Tage waren geprägt von Erschöpfung und vorsichtiger Annäherung. Chester schlief viel, zeigte sich frech und unerzogen und wich seinem neuen Frauchen kaum von der Seite. Seine größte Sorge: wieder verlassen zu werden. Doch gleichzeitig war da eine tiefe Verbundenheit, die vom ersten Augenblick an spürbar war. „Er hat mir sofort vertraut“, sagt Stefanie Zimmer. „Das war wie ein stilles Versprechen, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.“
Mit Liebe, Geduld und klarer Struktur begann sie, Chester ein neues Leben zu ermöglichen. Wo er zunächst Aggressionen zeigte, lernte er, Vertrauen zu fassen. Wo Angst überwog, wuchs mit der Zeit Gelassenheit. Heute, drei Jahre später, ist aus dem verstörten Schicksalshund ein lebensfroher, verschmuster „Quatschkopf“ geworden, wie sie ihn lachend beschreibt. „Chester ist mein Seelenhund. Wir verstehen uns blind und manchmal reicht eine kleine Kopfbewegung, und wir wissen beide, was der andere meint.“
Doch Chester ist nicht nur für Stefanie ein Glücksfall. In Enzklösterle hat er längst viele Herzen erobert. Ob beim Spielen mit den Kindern im Heidelbeer-Dorf oder beim Toben im Kurpark. Seine offene, freundliche Art begeistert Menschen und Tiere gleichermaßen. Besonders eng ist seine Bindung zu Hündin Alma, die selbst aus einer spanischen Tötungsstation gerettet wurde. Mit ihr teilt er Futter, Spielzeug und sogar das eigene Bett. Mehr noch: Er beschützt sie und zeigt ihr, dass Autos oder Fahrräder keine Bedrohung sind.
Für Stefanie Zimmer war die Entwicklung ihres Vierbeiners mehr als nur eine persönliche Bereicherung. Sie entdeckte darin eine neue Aufgabe: anderen Hunden und Menschen zu helfen, Vertrauen zueinander zu finden. Heute unterstützt sie bereits bei der Suche nach entlaufenen Tieren, hilft, verängstigte Hunde einzufangen, und möchte nun offiziell den Hundetrainerschein machen. „Es ist mir ein Herzensanliegen, anderen zu zeigen, dass auch Hunde mit schwieriger Vergangenheit eine zweite Chance verdienen“, betont sie.
Ihre Botschaft ist klar: „Hunde aus dem Ausland zu adoptieren ist eine große Verantwortung. Es ist kein leichter Weg, aber es lohnt sich. Diese Tiere danken es einem ein Leben lang.“
So wurde Chester nicht nur gerettet, er wurde zum besten Freund, zum Begleiter, zum Hoffnungsträger. Und wer den weißen Mittelspitz heute im Kurpark von Enzklösterle fröhlich mit den Kindern spielen oder durchs Wasser springen sieht, kann kaum glauben, welch bewegende Geschichte sein Leben erzählt. Stefanie Zimmer lächelt wenn sie davon erzählt: „Eigentlich haben wir uns beide gerettet. Er mich – und ich ihn.“
Foto:
Chester und Stefanie Zimmer
© Sabine Zoller