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Kategorie: Messe & Märkte
Droht eine Kommerzialisierung von freiem Wissen?

Klaus Jürgen Schmidt

Norddeutschland (Weltexpresso) – Ich bin Mitglied bei WIKIMEDIA, einer „Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens“. Und ich bin Zwangsmitglied bei einer weiteren Einrichtung, die Wissen und Bildung „für alle“ bereitstellen soll, die nennt sich „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ und befindet sich gerade auf dem Weg ins digitale Zeitalter, ohne genau zu wissen, wie sein gesetzlicher Auftrag mit dem Wildwuchs von Profit-Jägern im Internet zu vereinbaren sein wird.


Bei der ersten gibt es im Internet eine Einrichtung namens WIKIPEDIA, einem online-Lexikon mit inzwischen fast 60 Millionen Artikeln in zahlreichen Sprach-Versionen – und ich kann da jederzeit selber zu einem mir wichtigen Thema einen Artikel veröffentlichen, muss aber akzeptieren, wenn mich andere zurecht korrigieren. Dafür muss ich keinen Pfennig zahlen, kann aber spenden.

Unabhängiges und Freies Wissen blieb auch 2021 für viele Menschen von großer Bedeutung. Mit 345.493 Einzel-Spenden wurde dafür ein Zeichen gesetzt. Es kamen 9,2 Millionen Euro zusammen.

Nun gibt es Menschen, die es gar nicht gut finden, dass jede/jeder so einfach das machen kann, was früher einer Klasse vorbehalten war, der sogenannten Intelligenz. Solche „verkopften“ Bürger sprechen WIKIPEDIA das Recht ab, sich mit einem von Wissenschaftler lektorierten Lexikon zu vergleichen. Das wäre ja noch schöner, wenn das Wissen der Welt nicht mehr Zugangsbeschränkungen, Exklusivrechten und Eigentumsvorstellungen vorbehalten bliebe.

Dann gibt es aber auch Menschen, die längst im Auftrag von Profit-Jägern das Potential von WIKIPEDIA erkannt haben, z.B. Suchmaschinen und Sprachassistenten. SIRI von Apple z.B. oder ALEXA von Amazon nutzen schon lange WIKIPEDIA kostenlos und machen Kohle damit.

Das nun war den Machern von WIKIMEDIA schon länger ein Dorn im Auge. Deshalb gründeten sie eine Stiftung, die als Unternehmen Verträge über die kommerzielle Nutzung z.B. von WIKIMEDIA-Daten abschließen kann. Das klingt dann auf deren neuer Website so:

> Die Wikimedia Enterprise API ist ein neuer Dienst, der sich auf kommerzielle Wiederverwender von Wikimedia-Inhalten in großem Umfang konzentriert. Es wird einen neuen Finanzierungsstrom für die Wikimedia-Bewegung bieten; größere Zuverlässigkeit für gewerbliche Wiederverwender; und größere Reichweite für Wikimedia-Inhalte.

> Greifen Sie mit einer einheitlichen Struktur und garantierter Verfügbarkeit auf eine der größten öffentlichen Datenquellen im Internet zu.

> Profitieren Sie von offen lizenzierten, lizenzfreien Daten.

Hallo! Das sind unter anderem meine Daten, und als WIKIMEDIA-Mitglied hat mich niemand gefragt, ob ich damit einverstanden bin.

Viel größer aber ist meine Sorge, dass bei diesem Versuch, jetzt von Kleinspendern auf Großspender umzusteigen, das passieren wird, was bisher alles im Internet kaputt gemacht hat, was einst als autonome Kommunikation für alle gedacht war.

„Wikimedia-Enterprise“ ist als Firma in der U.S.-amerikanischen Steuer-Oase Delaware registriert. Die Wochenzeitung „der freitag“ berichtete jüngst:
„Über eine technische Schnittstelle – gehostet bei AWS Amazon – erhalten Kunden wie Google, Apple oder Facebook die Möglichkeit, schneller, aktueller und zuverlässiger große Datenmengen aus WIKIMEDIA-Projekten in ihre werbefinanzierten Dienste einzubinden.“

Wer wird wie kontrollieren, ob und wie oft die neuen Großkunden WIKIMEDIA-Daten selber bearbeiten oder erfinden, um noch mehr Geld zu verdienen?

Foto:
©Wikimedia

Info:
https://enterprise.wikimedia.com/

Quelle: