Ein fulminanter Konzertabend in Bad Wildbad
Sabine Zoller
Bad Wildbad (Weltexpresso) - Das Schwarzwald Musikfestival würdigt den Jahrhundertkomponisten mit einer kraftvollen Hommage - Als sich am 10. Juli 1995 die Musikwelt anlässlich des 100. Geburtstags von Carl Orff versammelte, dirigierte ein junger Schwarzwälder das Festkonzert im traditionsreichen Gärtnerplatztheater in München: Mark Mast, Wahl-Bayer mit Wurzeln im Schwarzwald, übernahm die musikalische Gestaltung dieses bedeutenden Jubiläums. Was damals wie ein besonderer Moment erschien, erwies sich rückblickend als künstlerischer Wendepunkt – eine Initialzündung für Masts intensive Auseinandersetzung mit dem Werk des Komponisten.
Die enge Verbindung zu Orffs Musik führte Mast wenig später zu den neu gegründeten Orff-Festspielen in Andechs, dem Ort, an dem der Komponist seine letzte Ruhe fand. Diese Nähe zum Schaffen Orffs wurde zum Fundament einer künstlerischen Reise, die ihren Höhepunkt 2009 mit der Gründung der Orff-Tage der Bayerischen Philharmonie im Münchner Prinzregententheater fand. In nur 15 Jahren entwickelte sich das Festival zur zentralen Plattform für Orffs Musik in Bayern – mit Strahlkraft über alle sieben Regierungsbezirke hinaus.Zwischen Tradition und Moderne – ein Fest für die Sinne
Auch das Schwarzwald Musikfestival 2025 ist eng mit dieser Entwicklung verknüpft und eröffnete am Sonntagabend in der prachtvollen Trinkhalle von Bad Wildbad mit einem eindrucksvollen Konzert. Mark Mast führte das Publikum mit sicherer Hand durch einen Abend, der den klassizistischen Bau in einen pulsierenden Resonanzraum verwandelte. Am Ende gab es stehende Ovationen – und ein hörbar bewegtes Publikum. Im Mittelpunkt: die Musik Carl Orffs – in all ihrer rhythmischen Wucht und archaischen Kraft, zugleich durchzogen von modernen Klangfarben, die dem Werk eine neue Tiefe verliehen. Mast, der Orffs Kompositionen seit Jahrzehnten mit Hingabe interpretiert, gelang es, Vergangenheit und Gegenwart musikalisch zu verknüpfen, ohne die emotionale Dichte des Originals zu verlieren. Der Abend folgte einer klaren Dramaturgie: Ausdrucksstarke Klangbilder wechselten sich mit leisen, fast kontemplativen Momenten ab. Ein hochkarätiges Ensemble machte das Konzert zu einem intensiven Erlebnis – musikalisch wie atmosphärisch.
Orffs Geist lebendig gehalten
Ein wesentliches Element der Aufführung war der Chor der Bayerischen Philharmonie, der im kommenden Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert. Eine Besonderheit: Die Sänger:innen singen die Carmina Burana auswendig – ohne Notenblätter –, was zu einer außergewöhnlichen klanglichen Dichte und emotionalen Präsenz führt. In Bad Wildbad trat der Chor gemeinsam mit dem Kinderchor des Kepler-Gymnasiums Freudenstadt auf, was dem Konzert eine berührende, generationsverbindende Dimension verlieh.
Auch die Solist:innen überzeugten auf ganzer Linie: Anastasya Taratorkina (Sopran), Gustavo Martín Sánchez (Tenor) und Martin Berner (Bariton) beeindruckten mit stimmlicher Kraft und Ausdruck. Das Klavierduo Yudum Çetiner und Selin Şekeranber verlieh dem Werk mit zwei Konzertflügeln eine orchestrale Fülle – unterstützt von fünf Schlagwerkern, die Orffs rhythmische Energie in eindrucksvoller Weise zum Klingen brachten.
Die aufgeführte Fassung von Wilhelm Killmayer, eine reduzierte Version mit zwei Flügeln, ließ dennoch nichts an Wirkung vermissen – im Gegenteil: Sie öffnete Raum für eine feinsinnige, dichte Klanggestaltung, getragen von höchster musikalischer Qualität.
Künstlerische Krönung durch Ensemble Spark
Ein Glanzpunkt des Abends war der Auftritt des vielfach ausgezeichneten Ensembles Spark unter der Leitung von Daniel Koschitzki. Die Musiker:innen bewegen sich souverän zwischen Klassik, Crossover und Avantgarde – und fügten dem Konzert eine faszinierende neue Ebene hinzu. Mit „Spark“ betrat ein Quintett die Bühne, das die Blockflöte ins Rampenlicht rückte. Mit über 40 verschiedenen Flöten, unterstützt von Violine, Cello und Klavier, schufen die fünf Musiker:innen einen Klangteppich, der zwischen Johann Sebastian Bach und John Lennon schwebte. Werke wie “Norwegian Wood” von Lennon/McCartney oder das eigens komponierte “Closer to Paradise” von Daniel Koschitzki begeisterten durch Virtuosität und Charme.
„Diese Interpretation macht viel Spaß, und die Kombination von Klassik und Moderne ist auch der Schlüssel, um klassische Musik so einzubetten, dass sie für ein breites Publikum ansprechend wird. Genau das ist heute in Bad Wildbad gelungen“, so Ursula Jahn-Zöhrens, Erste Bürgermeister-Stellvertreterin der Kurstadt.
In der gemeinsam aufgeführten Komposition „The Eternal Second“ von Victor Plumettaz wurde erneut Orff’sche Wucht mit Spark’s Experimentierfreude verwoben und musikalisch der „ewige Zweite“ gewürdigt. Mit Christoph Graupner, ein zu Unrecht vergessener Zeitgenosse Bachs, begeisterte dessen barocke Passacaglia in sieben Loops von überraschender Modernität und führte zu Begeisterungsstürmen des Publikums.
Der Konzertabend wurde so zu einer musikalischen Entdeckungsreise, die Carl Orffs Vision von Musik als direkt erfahrbarem Ereignis eindrucksvoll ins Heute übertrug – mitreißend, kraftvoll und voller künstlerischer Tiefe.
Foto: Impressionen aus der Trinkhalle in Bad Wildbad © Sabine Zoller