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Kategorie: Zeitgeschehen
p atomSerie: Sollte die EU ihre Iranpolitik nicht ändern, lassen die USA den Iran-Deal platzen, Teil 2/4

Matthias Küntzel

Hamburg (Weltexpresso) - Am 29. Dezember 2017, einen Tag nach Ausbruch dieser Revolte, erklärte das State Department der USA: „Die Führer des Iran haben ein wohlhabendes Land mit einer reichen Geschichte und Kultur in einen ökonomisch ausgepowerten Schurkenstaat verwandelt, dessen wichtigste Exportgüter Gewalt, Blutvergießen und Chaos sind. Wie von Präsident Trump bereits ausgeführt ist das am längsten leidenden Opfer der iranischen Führung das eigene Volk. Die Vereinigten Staaten verurteilen die Verhaftung von friedlich Protestierenden auf das Schärfste. Wir rufen alle Nationen dazu auf, das iranische Volk und dessen Forderungen nach grundlegenden Rechten und einem Ende der Korruption öffentlich zu unterstützen.“[3]

Vier Tage später, in der Nacht zum 3. Januar, meldete sich erstmals die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, zu Wort:

„In den letzten Tagen standen wir mit iranischen Regierungsstellen in Verbindung. Im Geiste der Offenheit und des Respekts, der Grundlage unserer Beziehung, erwarten wir von allen Betroffenen, Gewalttaten zu unterlassen und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu garantieren – dies auch im Lichte der Stellungnahmen der iranischen Regierung.“[4]

Das Subjekt des Aufstandes bleibt in dieser ersten EU-Stellungnahme ebenso unerwähnt, wie die von den Demonstranten erhobenen Forderungen. Stattdessen wird der Terror des Regimes mit den „Gewalttaten“ der Demonstrierenden auf eine Stufe gestellt, als stünden sich im Iran zwei gleichermaßen bewaffnete Armeen gegenüber.

Einige Stunden später folgte am 4. Januar eine Regierungspressekonferenz in Berlin, auf der die Bundesregierung Teheran dazu aufrief, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu achten. Gleichzeitig betonte der Sprecher des Auswärtigen Amts, „dass teilweise [iranische] Videos kursierten, die einige Jahre alt waren“, ganz so, als habe man auch am sechsten Tag der Revolte nicht wissen können, was im Iran wirklich geschah.

Natürlich hätte die Bundesregierung damit drohen können, dass die deutsche staatliche Förderung von Iran-Geschäften eingestellt wird, falls Demonstrationen gewaltsam unterbunden werden. Stattdessen teilte der Regierungssprecher stolz mit, dass seit Mitte 2016 Hermesbürgschaften für Risikogeschäfte mit Iran in Höhe von 795 Millionen Euro bewilligt worden seien. Man wolle „den eingeschlagenen Weg fortsetzen“ und sei davon überzeugt, „mit dem Handel auch den Wandel in der Region voranbringen zu können.“[5]

Kurz darauf bestätigte das Auswärtige Amt, dass es dem Wunsch des Ajatollah Mahmoud Schahrudi, sich in Hannover medizinisch behandeln zu lassen, nachgekommen sei und gemeinsam mit den niedersächsischen Behörden über Wochen hinweg für dessen Schutz gesorgt habe.[6] Schahrudi soll mehr als 2.000 Todesurteile gegen teilweise noch minderjährige Kritiker des Regimes verhängt haben und gehört zu dessen namentlich bekannten Schwerverbrechern. Obwohl Strafanzeigen gegen ihn gestellt wurden, sorgten Bundesregierung und Landesbehörden dafür, dass er Deutschland am 11. Januar klammheimlich verlassen konnte.

Doch damit nicht genug. An eben diesem 11. Januar trommelte der deutsche Außenminister nicht nur seine britischen und französischen Kollegen sowie die EU-Außenbeauftragte Mogherini zu einer Sondersitzung zusammen, sondern zusätzlich Mohammad Zarif, den Außenminister Irans, um für den Atomdeal gemeinsam zu werben.

Natürlich hätten sich die Minister der wichtigsten EU-Staaten zu diesem Zweck auch ohne ein Mitglied der iranischen Führung treffen können, oder man hätte als iranischen Gast Shirin Ebadi einladen können, die iranische Friedensnobelpreisträgerin, die sich hinter die Proteste der iranischen Bevölkerung gestellt hatte.
Doch dies geschah nicht.

Sigmar Gabriel, der dieses Treffen nach eigener Auskunft eingefädelt hatte, wollte trotz der gewalttätigen Niederschlagung der iranischen Protestbewegung den öffentlich demonstrierten Schulterschluss mit dem Regime. Auch deshalb hatte bei den EU-Beratungen am 11. Januar und der sich daran anschließenden Pressekonferenz der drei EU-Außenminister die iranische Protestbewegung und deren Unterdrückung so gut wie keine Rolle gespielt. Es war ein unmissverständliches Signal der Entsolidarisierung, das die drei wichtigsten EU-Staaten an die iranische Protestbewegung sandten.

Wird die EU ihre Kollaboration mit den iranischen Machthabern trotz des Trump-Ultimatums fortsetzen? Um dies zu erreichen, lud jetzt das iranische Regime die Außenminister Frankreichs und Deutschlands zu Gesprächen nach Teheran ein.[7]

Oder wird sich die EU auf die Seite der USA und damit gegen das Regime in Teheran stellen? Um dies sicherzustellen, wird der amerikanische Außenminister Rex Tillerson noch in der laufenden Woche London, Paris und Warschau besuchen.[8]


ANMERKUNGEN

[3] https://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2017/12/276811.htm. Übersetzung und Hervorhebung: M.K..
[4] Declaration by the High Representative on behalf of the EU on the situation in Iran, 02.01.2018, 22:40. Übersetzung und Hervorhebung: M.K..
[5] Regierungspressekonferenz vom 3. Januar 2018.
[6] Regierungspressekonferenz vom 8. Januar 2018.
[7] Iran will sich im Konflikt um das Atomabkommen stärker der EU zuwenden, in: Neue Zürcher Zeitung, 17.01.18.
[8] Reuters.com, Iran to dominate many Tillerson conversations in Europe next week, 20.01.2018.

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