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Kategorie: Zeitgeschehen
eine gruppe kinder im fluechtlingslager moria auf der griechischen insel lesbos berlin will 50 unbegleitete minderjaehrige aufneh1Die sie aber von guten Geistern verlassen nicht wahrnimmt - während die neue Wirklichkeit keinen Rückzug in die nationale Enge zulässt

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Urbi et orbi ist das, was vom Katholizismus kommend immer am meisten faszinieren konnte. Obwohl die Spanische Grippe schon mal Lehrmeisterin war, findet sich keinerlei Inspiration für die Herstellung einer Gesellschaft der Heilsamkeit und Sorge für das Wohl der Geringsten - und Jüngsten, jetzt. 

Es wird unterschwellig überall in Nationalismus und Selbstzentrismus gemacht und - machen wir uns nichts vor – das bestimmt unter der Hand auch das linke Lager aufgrund der Furcht vor dem Ungeist der Stammtische, die parteiübergreifend in Funktion sind.
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Orban gibt die Richtung vor

Orban ist kein europäischer Ausreißer, er ist nur in besonderer Weise manisch-depressiv und wirkt daher so aufgebracht; das hätte er längst aufarbeiten lassen müssen (‚Das Virus der Diktatur‘, mit sprechendem Foto auf Seite 9, FR 31.03.2020). Aber wie das in den Ländern der asiatischen Despotie, die gleich hinter unserer Ostgrenze anfängt, möglich sein soll, ist eben leider fraglich.
 
Hätte die Linke sich irgendwann auch mal ausgiebig auf Freud eingelassen, wäre sie längst schon einen Deut weiter und argumentierte nicht immer nur überwiegend ökonomisch. Da bleibt eben nicht viel übrig für die Letzten unter der großen Zahl der Gefährdeten.

Die mittlerweile Gestraftesten in Anbetracht der ausfallenden Menschheit sind die 1600 am meisten gefährdeten Flüchtlingskinder, die in überfüllten und vernachlässigten Lagern Griechenlands warten. Tatsache ist aber auch, dass noch 14 000 in überfüllten Camps ausharren. Eigentlich sollten ursprünglich alle ca. 14-1600 besonders Schutzbedürftigen in unserem Land aufgenommen werden. Nun aber bleibt es doch erst nur bei 50. Das ist schändlich für das sonst so von sich eingenommene Selbstverständnis des christlich-sozialen Abendlandes.

Junge Menschen und unsere Zukunft, aber gerade diesen gegenüber zeigt Europa sich hart und grausam, obwohl die junge Welt allein schon ob ihrer großen Zahl überall das Potential einer versöhnten Menschheit mit sich bringt, sofern ihr in ihren Möglichkeiten Förderung und Hilfe zukommen würde. Junge Menschen sind wissbegierig, solange sie keinem Schleifer in die Hände fallen. Die versöhnte Menschheit war der Zentralbegriff der Kritischen Theorie, aber sie wurde in klassisch linken Kreisen der Gesellschaft des bloßen Selbstinteresses nie zum zentralen Gegenstand erhoben. Das fiel jetzt wieder auf, als im Artikel ‚Die Ökonomie des Gemeinsinns‘ (FR 08.04.2020), verfasst von Katja Kipping, nach einem - im Geist der aktuellen Sache - inspirierenden Gedanken Ausschau gehalten wurde. Das im Artikel beschworene Gemeinsame ist nämlich keineswegs auf die internationale Notwendigkeit der in prekären Zuständen verharrenden Länder gemünzt.

Von Hegel herkommend ist der Weltbegriff der Philosophie bei Kennern geläufig. Marx hat ihn übernommen und ihn auf die Internationale der Kämpfe zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten bezogen. Marx war Geistesheroe, er hat wenig mit denen gemein, die nach ihm kamen. Die sich gegenwärtig auf ihn berufen, missbrauchen ihn leichterdings, wie das chinesische Regime, das sich selbst noch kommunistisch ‚schimpft‘. Das ist nichts als Betrug und Volksverdummung. Marx wird all die weilen noch immer gern beklaut. Aber selbst bei Versuchen der Wiederaufnahme von Marx mangelt es am Willen zu einer weitsichtigen und zeitgemäßen Exegese. Zwar geht es immer ganz zurecht gegen den Egoismus größerer und kleinerer Spieler dieser Welt, aber der nordische Selbstzentrismus der eigenen Klientel gilt doch als Grundlage und Voraussetzung einer privilegierten Lebensform.

Zur Einschätzung von Kippings Rede, die viel Richtiges erkennt, wäre anzumerken: sie bedient sich zu vieler sprachlich abgegriffener Schubladen und kreist in einem abgeschotteten System um die nationale Klientel. Das ist die vielfach beklagte „geschlossene Weltanschauung“, sie steht im Gegensatz zur Kritischen Theorie, ist ‚verfangen im System‘. Es findet sich keine neue Sprache für die Idee einer neu entworfenen Welt, aus Angst vor der AfD in den eigenen Kreisen; so traut sich frau und man schlicht zu wenig. Es fehlt die Erhebung über die Situation.


Die EU innerhalb von 7 Tagen im März 2020: wieder mal gescheitert

Grotesk hat sich die quälende Veranstaltung um die Rettung der paar hundert Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern ausgewachsen. Schnell mal angekündigt war es dann zu keinen Taten gekommen. Trotzig reihten sich Polen, Tschechien und Ungarn auf gegen das, was im christlichen Abendland eigentlich als menschlich anständig gilt, sie schmetterten es einfach ab. Währenddessen zum selben Zeitpunkt schon 142 Städte dieses Landes bereit waren, die besonders Gefährdeten in die europäische Sicherheit aufzunehmen. Da aber das deutsche Innenministerium dies beständig blockiert, leben Kinder, Frauen, Männer weiter in katastrophalen Verhältnissen.

Von der Partei Die Linke haben sich vornehmlich Sevim Dagdelen und Dietmar Bartsch entschieden für die Aufnahme der im Elend Gestrandeten und Festgesetzten ausgesprochen. Von Bernd Riexinger findet sich in der Site der Linken eine Stellungnahme ähnlicher Art, die auf den 23. Dezember 2019 zurückgeht. Es dürften im Lager also Kontroversen ausgetragen werden, denn eine ältere Klientel hat sich noch nicht aus staats-sozialistischen Restbindungen gelöst und muss sich an ihrer Basis rechtfertigen. So scheint sich um das Thema dauernd ein Hohlraum der Indifferenz zu legen. Lag Wolf Biermann also doch nicht so ganz daneben als.er während seines Auftritts im Bundestag zur Linken gewendet den Vorwurf der Drachenbrut wiederholte? Ein nicht unwesentlicher Teil der Linken hat ein taktisches Verhältnis zu menschenrechtlichen Ansagen. Mit der Diktion einer Sahra Wagenknecht waren Xenophobie und Fernsten-Gleichgültigkeit schon notorisch geworden. Was sie treibt ist nur als Linkspopulismus zu bezeichnen.

Als verräterisch für den Umgang mit dem Los der Geflüchteten wurde auch vermerkt, dass die sonst so vielgesprächige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nur über die Lager hinwegflog, statt auch mal in deren Nähe zu landen und die Camps in augenscheinliche Betrachtung zu nehmen. Auch wurde darauf hingewiesen, dass den 40 000 Erntehelfern die Einreise gestattet werde, während jetzt nur bis zu 500 Flüchtlingskinder kommen dürften, deren wahre Zahl aber bei 14 000 liegt. Wenn Menschen aus prekären Staaten Löhne unterbieten gilt das für die Vorteilsnehmer als wirtschaftlich geschickt und im Sinne der Konsumenten erscheint es als ein legitimer Vorteil.

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