Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) – Wenige Tage vor dem Ende der Präsidentschaft von Donald Trump haben sich einige Internetplattformen wie Twitter und Facebook dazu aufgerafft, dem Lügenbaron aus dem Weißen Haus die Rote Karte zu zeigen. Sie haben das getan, was Leserbriefredaktionen rund um den Globus jeden Tag machen: manche werden veröffentlicht, andere nicht.
Niemand sieht darin einen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsäußerung. Dass es jetzt den amerikanischen Präsidenten getroffen hat, ist zwar von anderem Kaliber, im Grunde aber Dasselbe. Bundeskanzlerin Merkel hat die Öffentlichkeit durch ihren Sprecher Steffen Seibert wissen lassen, dass sie die Sperrung des Twitter-Accounts von Donald Trump „problematisch“ findet. Das sei ein Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, das wegen seiner elementaren Bedeutung nur durch den Gesetzgeber, nicht aber nach Maßgabe von Unternehmen eingeschränkt werden könne.
Mit Verlaub, inwiefern muss sich Trump in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlen? Wenige Stunden nachdem ihm die so genannten sozialen Medien den Stuhl vor die Tür gesetzt haben, hat er völlig unbehindert sein Verhalten vor dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol gerechtfertigt. Seine Aussagen wurden weltweit verbreitet und kommentiert und niemand sah darin etwas Ungewöhnliches. Wenn der mächtigste Mann der Welt den Mund aufmacht, hören alle zu.
Jahrelang haben ihm die Herren von Twitter, Facebook, Instagram und wie sie alle heißen ein Millionenforum geboten; seine Lügen und Hassparolen haben schließlich das Geschäft prächtig belebten. Erst als eine zunehmende Zahl von Menschen begriff, was es heißt, wenn der erste Mann im Staate seine Anhänger zu Gewalt gegen das Kapitol aufruft, den architektonischen Inbegriff der Demokratie, dämmerte auch ihnen, dass da etwas schief gelaufen war und ihr Geschäftsmodell dringend vor Schaden bewahrt werden musste. Jetzt galt es, Boden bei denen gut zu machen, die ihm bislang kritisch gegenüber standen.
Auch Steffen Seibert sprach davon, dass die Betreiber sozialer Netzwerke Verantwortung dafür tragen, dass die politische Kommunikation nicht mit Hass und Anstiftung zur Gewalt vergiftet werden darf. Sie jetzt zu rügen und ihnen einen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit vorzuwerfen, weil sie ihrer Verantwortung nachgekommen sind, reimt sich nicht zusammen. Das sieht auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ so. Die notwenige Debatte über die Rolle einiger Unternehmen aus dem Silicon-Valley ändere nichts daran, dass die Entscheidung richtig gewesen sei. Twitter & Co. seien lange zu recht kritisiert worden, zu wenig gegen Hetze zu tun, weshalb sich nun, mit den Bildern aus Washington vor Augen, schwer argumentieren lässt, sie seien zu weit gegangen. „Es war höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen.“
Als sich herausstellte, dass amerikanische Geheimdienste die befreundete deutsche Regierung ausspionieren, reagierte Bundeskanzlerin Merkel entsetzt. „Das geht gar nicht“, sagte sie damals. Jetzt die Notwendigkeit anzuzweifeln, Trumps Maßlosigkeit in letzter Minute zu begrenzen, das geht erst recht nicht.
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