gegen Rechtsentwicklung in Europa
FIR
Berlin (Weltexpresso) - In den letzten Tagen erreichten uns Berichte von antifaschistischem Widerstand aus verschiedenen Ländern, die nicht nur den gesellschaftlichen Protest gegen Rechtsentwicklung zeigen, sondern auch, wie die staatlichen Organe auf diese politische Bewegung reagieren.
In Belgien erlebte das ganze Land einen dreitägigen politischen Generalstreik, getragen von den Gewerkschaften und linken Organisationen wie der PTB/PVDA, gegen die sozialpolitischen Pläne der Regierung des flämischen Nationalisten Bart de Wever. Es war kein klassischer Arbeitskampf um bessere Löhne. Es war ein gesellschaftlicher Widerstand gegen die Zerstörung der Sozialsysteme in Belgien. Solche Pläne sind Bestandteil des gesellschaftlichen Umbaus in Belgien, mit denen nicht nur die soziale Lage der Menschen, sondern auch das Zusammenleben und der innere Zusammenhalt gefährdet wird. Um so erfreulicher war der breite politische Widerstand, der sich darin zeigte, dass drei Tage lang in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in Belgien nichts mehr lief. Nicht nur das Transportwesen und viele Verwaltungen blieben geschlossen, auch Schulen und andere Einrichtungen schlossen sich dem Protest und den öffentlichen Kundgebungen an. Kleine Geschäftsleute solidarisierten sich. Es war eine eindrucksvolle Wortmeldung der belgischen Beschäftigten, die sich mit diesem Streik artikulierten. Interessant war das Verhalten der Polizei und anderer Sicherheitskräfte. Angesichts der gesellschaftlichen Breite und der inhaltlichen Forderungen, von denen nicht wenige Polizisten selber betroffen sind, wurde nur von wenigen Rangeleien und Einsätzen berichtet. Die in den Medien vorhergesagten „Chaos-Tage“ blieben aus, die Streikenden waren ruhig und diszipliniert.
In Deutschland erlebte am vergangenen Wochenende die hessische Stadt Gießen ebenfalls ein deutliches Signal des politischen Widerstandes gegen die Rechtsentwicklung. Etwa 50.000 Menschen gingen mit unterschiedlichen Aktionsformen auf der Straße, um die Gründung einer Jugendorganisation der „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu behindern. Die größte Aktion war die Kundgebung der Gewerkschaften, an der mindestens 20.000 Menschen teilnahmen. Andere Gruppen versuchten mit kreativen Protestformen, Blockaden und Spontan-Demonstrationen die Anreise der Delegierten zu behindern und den Neonazis damit deutlich zu machen, dass weder ihre neofaschistische Gesinnung, noch ihre Organisation in dieser Stadt willkommen sind.
In diesem Fall reagierten die Polizeikräfte gänzlich anders als in Belgien. Bereits viele Tage zuvor wurden Verbote gegen antifaschistische Demonstrationen ausgesprochen. Die Stadt wurde mit mehr als 6.000 Polizisten, Wasserwerfern, Polizeibooten, Hubschraubern und Drohnen-Einsatz in ein Heerlager verwandelt. Hauptverkehrsstraßen, Autobahnabfahrten, selbst die Bahnhofsumgebung wurden von der Polizei gesperrt, um antifaschistische Proteste zu verhindern. Um so eindrucksvoller war der politische Widerstand, der in der überwiegenden Mehrheit von jungen Leuten getragen wurde. Zwar konnte der Protest die Gründung selber nicht verhindern, aber er schaffte es, dass nur ein Teil der angekündigten Delegierten bis zur Kongresshalle gelangten. Manche „Sponsoren“, die sich bei der Veranstaltung präsentieren wollten, blieben außerhalb. Die anschließenden Berichte der extremen Rechten klangen wie das sprichwörtliche „laute Pfeifen im dunklen Wald“. Die Proteste zeigten, wie lebendig der gesellschaftliche Widerstand gegen diesen Teil der Rechtsentwicklung ist.
In Italien konnte man in der vergangenen Woche hautnah erleben, was es bedeutet, wenn die extreme Rechte bereits die Linie des Sicherheitsapparates diktiert. In Schio (Vincenza) stellten sich verschiedene antifaschistische Kräfte einem provokativen Aufmarsch der neofaschistischen Gruppe „Forza Nuova“ entgegen. Es war bereits ein politischer Skandal, dass die Stadtverwaltung diesen Aufmarsch überhaupt genehmigt hatte. Eine Steigerung erfuhr dieses Verhalten nur noch durch den massiven Polizeieinsatz am Tag der Demonstration. Die Protestdemonstration von ANPI und der Gewerkschaften wurde mit Wasserwerfern angegriffen. Videos vom Einsatz zeigen, wie mit ausnehmender Härte, Schlagstockeinsatz und anderen Formen von Gewalt, die zahlreiche Demonstranten ins Krankenhaus brachten, die Polizei insbesondere jüngere Antifaschisten attackierte und die neofaschistische Provokation durchsetzte. Erschreckend ist die Reaktion der Bürgermeisterin, die öffentlich behauptete, die Unruhen seien „von denen verursacht worden, die sich als antifaschistische Gruppe präsentierten“. Sie kritisierte selbst Stadträte, die sich dem antifaschistischen Protest angeschlossen hätten, das sei nicht hinnehmbar. Solche Vorgänge wie in Schio illustrieren die Veränderung der politischen Kultur in Italien unter der Meloni-Regierung.
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Quelle: FIR Newsletter 2025-49 dt.
FIR: Fédération Internationale des Résistants, internationale Dachorganisation von Verbänden antifaschistischer Widerstandskämpfer