BAMF1Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 892

Redaktion

Berlin (Weltexpresso)  - Zur öffentlichen Anhörung zur geplanten Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzbedürftigen im Innenausschuss, zu der der Paritätische als Sachverständiger geladen war, haben wir eine ausführliche Stellungnahme abgegeben.


Der Paritätische Gesamtverband lehnt die geplante Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten nach § 104 Abs. 14 AufenthG-E entschieden ab.

Das Vorhaben verstößt gegen das grund- und menschenrechtlich garantierte Recht auf Schutz des Familienlebens der Betroffenen, die in der Regel schon seit Jahren auf ein Visum zum Familiennachzug warten.

Auch wenn aus Art. 7 der EU-Grundrechte-Charta, Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kein generelles Recht auf Familiennachzug abgeleitet werden kann, so müssen Eingriffe in dieses Recht doch verhältnismäßig sein und die Interessen aller Beteiligten sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass – wie bei subsidiär Schutzberechtigten der Fall – eine Familienzusammenführung nicht im Herkunftsland und in der Regel auch nicht in einem Drittstaat möglich ist und sich darüber hinaus bereits Familienmitglieder in Deutschland aufhalten. Insbesondere kann mit Blick auf die noch immer volatile Sicherheitslage in Syrien auch nicht davon ausgegangen werden, dass zeitnah eine Rückkehr nach Syrien erfolgen kann. Dies belegt auch die Tatsache, dass das BAMF noch keine Widerrufsverfahren eingeleitet hat.

Insbesondere wenn Kinder betroffen sind, muss darüber hinaus dem Kindeswohl besondere Rechnung getragen werden und Art. 10, 18 und 22 Abs. 2 der UN-Kinderrechtskonvention berücksichtigt werden, wonach Anträge auf Familienzusammenführung beschleunigt und wohlwollend zu prüfen sind und das Recht des Kindes auf beide Elternteile verankert ist. Auch migrationspolitische Erwägungen können vor diesem Hintergrund von der Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, zurückgedrängt werden.

Vor allem vor dem Hintergrund gesunkener Asylantragszahlen und der sehr unterschiedlichen Auslastung der Aufnahme- und Integrationsstrukturen je nach Kommune ist dieser massive Eingriff in die Grund- und Menschenrechte nicht zu rechtfertigen. Familiennachzug ist eine planbare, integrationsfördernde und rechtssichere Möglichkeit, um Schutzsuchende aus Kriegs- und Krisengebieten aufzunehmen. Sichere Zugangswege, wie der Familiennachzug, sind die einzigen Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende, insbesondere für Frauen und Kinder, bei denen sie sich nicht auf lebensgefährliche Wege begeben müssen. Für Deutschland als Aufnahmeland ermöglicht der Familiennachzug darüber hinaus eine sehr viel bessere Planbarkeit für die betroffenen Aufnahme- und Integrationsstrukturen.

Schon nach den aktuellen Regelungen ist der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten mit maximal 12.000 Personen pro Jahr stark begrenzt. Die Erfahrungen aus der letzten Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte zeigen darüber hinaus: Die Aussetzung entlastet weder Gerichte noch Behörden, sondern führt zu erheblicher Mehrbelastung durch Eilverfahren und Verfahren zur Aufnahme im Einzelfall gemäß §§ 22, 23 AufenthG. Es ist zu erwarten, dass diese Maßnahme somit keinesfalls zu den in der Formulierungshilfe genannten Einsparungen führt, sondern im Gegenteil zu höheren Ausgaben. 

Darüber hinaus wirkt sich eine dauerhafte Trennung von der Familie nachteilig auf die Integration derjenigen aus, die bereits in Deutschland leben und perspektivisch auch dauerhaft bleiben werden. So belegen mehrere Studien, dass die Einheit der Familie nicht nur für die psychische Gesundheit, sondern auch für die soziale Eingebundenheit und die Bewältigung von Herausforderungen im Alltag, wie etwa die Aufnahme einer Arbeit, unverzichtbar ist.

Sollte trotzdem an einer entsprechenden Regelung festgehalten werden, so muss zumindest eine Übergangs- sowie eine effektive Härtefallregelung in den Gesetzeswortlaut Eingang finden, für die wir in unserer Stellungnahme einen konkreten Formulierungsvorschlag gemacht haben.

Den Gesetzgebungsentwurf sowie alle Sachverständigengutachten finden Sie auf der Homepage des Innenausschusses: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw26-pa-inneres-familiennachzug-1086756

Dokumente zum Download

250619_StN-Anhörung-Aussetzung-Familiennachzug_DPWV.pdf (262 KB)

Foto:
©BAMF