VerbraucherezntraleVeröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 1017

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Der Paritätischen Gesamtverband hat zum Antrag der BT-Fraktion Die Linke „Keine Leistungskürzungen in der Pflege“ vom 14. Oktober 2025 (Drucksache 21/2216) anlässlich der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 03. Dezember 2025 eine Stellungnahme abgegeben. Die Linke fordert, dass es in der Pflegeversicherung keine Leistungskürzungen geben dürfe, wie etwa eine (Teil-)Karenzzeit, Leistungsverschlechterungen im Pflegegrad I oder höhere Schwellenwerte zur Zuordnung zu den einzelnen Pflegegraden.


Im Weiteren wird im Antrag begründet, dass Pflege bereits auf dem heutigen Leistungsniveau eine Armutsfalle darstellt und es statt der Leistungskürzungen eines Systemwechsels hin zu einer Pflegevollversicherung bedarf, bei der gleichzeitig die Einnahmebasis der Pflegeversichsicherung verbreitert und die private Pflegeversicherung in das solidarische System eingegliedert wird. Der Paritätische unterstützt die grundsätzliche Zielrichtung des Antrages. Die Situation von Pflegebedürftigen droht sich durch Leistungskürzungen und steigende Kosten zu verschlechtern. Eine weitere Pflegereform darf nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen. Stattdessen fordert der Paritätische mit Einführung einer solidarischen Pflegevollversicherung ebenfalls einen Systemwechsel. Allerdings: Eine Überprüfung der Schwellenwerte der Pflegegrade ist vor dem Hintergrund der Geschichte zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zumindest plausibel, die Schlechterstellung von Pflegebedürftigen muss aber ausgeschlossen werden.

Die Linke sieht mit dem Koalitionsvertrag und den Entwicklungen in der Bund-Länder-AG „Zukunftspakt Pflege“ einen über Jahrzehnte und über alle Parteigrenzen hinweg bestehenden politischen Konsens in Gefahr, dass Leistungskürzungen in der Pflegeversicherung tabu sind. Daher beschränkt sie sich im Antrag darauf, die Beibehaltung dieser Übereinkunft zu fordern. 

Der Paritätische teilt und unterstützt das Ziel, die Soziale Pflegeversicherung (SPV) und die pflegerische Versorgung zukunftsfähig aufzustellen: demographiefest, generationengerecht und nachhaltig. Auf Grundlage des Koalitionsvertrages und der Aufgabenbeschreibung der B-L-AG, die zu Beginn der Sitzungen Anfang Juli 2025 bekannt geworden ist, war die Befassung mit „Leistungskürzungen“, Rationalisierung und Karenzzeiten zu befürchten. Wir begrüßen, dass lt. Zwischenbericht der B-L-AG (Oktober 2025) die Streichung des Pflegegrad I vom Tisch ist. Erstmals wird der Pflegegrad I als das bezeichnet, was er ist: Ein Präventionspflegegrad. Zu den anderen Kürzungsaspekten enthält der Bericht und der dargelegte Erörterungsstand jedoch keine klaren Aussagen und gibt somit keinen Anlass zur Entwarnung. Auch eine Zusammenfassung von „Budgets“ kann für den einzelnen Pflegebedürftigen eine Kürzung bedeuten, wenn die Mittel der Pflegeversicherung so kalkuliert werden, dass die bisher nicht in Anspruch genommenen Leistungen gekappt werden. Eine Ausgabenkappung zu Lasten der Pflegebedürftigen und Pflegenden wird die defizitäre Finanzsituation der Pflegeversicherung nicht lösen.

Das grundsätzlich die Schwellenwerte der Pflegegrade überprüft werden könnten, ist nachvollziehbar. Der Abschlussbericht zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs aus 2013 liefert dafür eine wissenschaftliche Grundlage, die aber zwingend auf der Basis aktueller empirischer und wissenschaftlicher Daten erfolgen muss. Darüber hinaus müssen bei wissenschaftlich begründeten und notwendigen Änderungen der Begutachtungsdynamik Bestandsschutzaspekte und Günstigkeitsprinzipien greifen.

Hinsichtlich der Finanzierung der Pflegeversicherung begrüßen wir, dass das umlagebasierte Teilleistungssystem weiterhin Bestand haben soll. Hier sehen wir die dringende Aufgabe, eben dieses zukunftssicher weiterzuentwickeln und keine neuen Säulen zu etablieren. Der Zwischenbericht zeigt, dass neben dem hauptsächlich im Fokus stehenden kapitalgedeckten Element („obligatorische“ Pflegezusatzversicherung), auch der Sockel-Spitze-Tausch als eine Option weiter geprüft werden soll (mit Gegenfinanzierung über die Mittel des Zuschlages nach § 43c SGB XI). Allerdings wird im Bericht auf S. 4 hervorgehoben, dass eine weitere Befassung lediglich von „einem Teil der Mitglieder der Fach-AG“ angeregt wurde. Die Relativierung wird damit deutlich. Mit rein privaten verpflichtenden Zusatzversicherungsmodellen ist eine nachhaltige und generationengerechte Weiterentwicklung der SPV aus unserer Sicht nicht zu erreichen.

Um Leistungskürzungen zu verhindern, ist ein Systemwechsel in der Finanzierung der Pflegeversicherung notwendig. Unser mit einem breiten Bündnis in Auftrag gegebenes Gutachten zu den Beitragssatzeffekten einer Pflege-Bürgervollversicherung zeigt, wie sich die Beitragssatzentwicklung und die Finanzen der Pflegeversicherung bei steigenden Ausgaben stabil halten lassen. Ein konkreter Reformvorschlag ist die solidarische Pflegevollversicherung, unter Einbeziehung der Privatversicherten in die Sozialversicherung, der Einbezug weiterer Einkommensarten und die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Wie die Berechnungen zeigen, sind die durch die Bürgerversicherung generierten Mehreinnahmen auch langfristig ausreichend, um die Vollversicherung (vollständige Übernahme der pflegebedingten Kosten in der stationären Pflege und eine bedarfsgerechte Leistungserhöhung im ambulanten Bereich) zu finanzieren. Für die Pflegeversicherung führen die Bürgerversicherungselemente zu einer Beendigung der strukturellen Einnahmeschwäche und stabilisieren die Finanzierung dieses Systems daher auch nachhaltig.

Weitere Informationen zur Anhörung: 

Deutscher Bundestag - Anhörung zu Leistungskürzungen in der Pflege

Weitere Meldungen zum Thema: 

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/gruende-gegen-eine-verpflichtende-private-zusatzversicherung-in-der-pflege/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/mehrheit-will-solidarischen-weg-aus-der-pflege-krise/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/bund-laender-arbeitsgruppe-zukunftspakt-pflege-veroeffentlicht-zwischenbericht-systemwechsel-nicht-in-sicht/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/pflegereform-ohne-systemwechsel-bleibt-stueckwerk/

https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/forderungen-zum-start-der-bund-laender-ag-zur-erarbeitung-einer-grossen-pflegereform/


Dokumente zum Download

Deutscher Bundestag Drucksache 21/2216 Antrag der Abgeordneten Evelyn Schötz, Nicole Gohlke, Dr. Michael Arndt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke Keine Leistungskürzungen in der Pflege (151 KB)

251202_Stellungnahme_Antrag_DIE_LINKE_DS21_2216_AfG_Paritaet.pdf (70 KB)

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