Serie: Verfolgung der amerikanische Präsidentenwahl am 6./7. November 2012 im English Theatre in Frankfurt am Main, Teil 4/4

 

Klaus Hagert und Rebecca Riehm

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wann kippte eigentlich das Amerikabild in Deutschland? Eine latent antiamerikanische Stimmung gab es in gewissen Kreisen immer und diese hatten ja auch nicht unrecht, weil das amerikanische System von sich selbst erwartet, daß die Welt THE AMERICAN WAY geht.

 

Vergleicht man unser heutiges Leben in Europa mit früher, sind wir alle Amerikaner geworden. Auch diejenigen, die amerikakritisch sind, haben Lebens- und Einkaufsgewohnheiten und mit den vielen technischen Geräten auch die Anglizismen übernommen. Es gehört aber für viele trotzdem zum guten Ton zu sagen: „Nie wollte ich in Amerika leben.“ Wir können uns die ungeheure Weite dieses Kontinent, den die Vereinigten Staaten bilden, kaum vorstellen. Denn für uns in Europa sind die Entfernungen sehr nah, vergleicht man diese mit denen der USA. Wie sollte es also eine gemeinsame Lebensgrundlage geben.

 

Darüber diskutieren die Umsitzenden, während sich andere weiter mit unserem Buch beschäftigen. Jetzt kommt der vierte und abschließende Akt, die Präsidenten unserer Zeit ab 1933, von denen wir die letzten schon erwähnten. Das Kapitel selbst wird erst einmal mit Franklin D. Roosevelt begonnen, dessen Amtszeit genau die seines Gegners Adolf Hitler war: 1933 bis 1945. Und beide starben im April. Hitler am 30. durch Selbstmord und Roosevelt am 12. April infolge einer Gehirnblutung. Allerdings war er die Jahre schon todkrank gewesen, was der politischen Situation wegen geheimgehalten wurde. Und der politischen Zeit wegen wurde er auch – einzig in der Geschichte der USA – nach seiner Wahl noch dreimal wiedergewählt, starb aber nach drei Monaten der vierten Amtszeit von vier Jahren.

 

Roosevelt ist aber auch aus anderen Gründen einzig. Er erkrankte 1921 an Kinderlähmung. Und kandidierte trotzdem für den Gouverneursposten seines Heimatstaates New York. Seine Behinderung war überhaupt nicht bekannt und wurde auch nach seiner Wahl 1932 nicht bekannt. Das waren noch Zeiten, wo Privates respektiert wurde, denn natürlich wußten es die Nahestehenden und die politischen Freunde wie Gegner auch. Aber es hätte sich einer oder eine Zeitung, die das berichtet hätte, nur selbst geschadet, weil es degoutant war, Derartiges an die Öffentlichkeit zu zerren.

 

Das schreibt Ronald D. Gerster voller Bewunderung, die wir teilen, wie überhaupt dieser Präsident einer der sozialsten war und sein NEW DEAL – eine Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen, die den Staat zum Handelnden machte – vielleicht eine politische Volte wäre, die ein Obama heute brauchen könnte, um aus den verquickten politischen und finanziellen Problemen einen Ausweg zu finden. Zum abgebildeten Rollstuhl und Roosevelts Büste kommen hier viele Bilder hinzu, die zeigen, daß dieser Roosevelt auch, was den Wohnort angeht, einzig ist. Denn er lebte lebenslang in Springwood in Hyde Park in ein und demselben Haus, in dem er am 30. Januar geboren wurde und als Präsident starb.

 

Da er nicht nur so lange als Präsident residierte, sondern auch die Kriegszeiten hinzukommen, kann man nachvollziehen: „In der langen Amtszeit Roosevelts wurde Hyde Park wiederholt zu einer Art alliiertem Hauptquartier und zum Ziel bedeutender Staatsgäste, die um die Unterstützung Amerikas ersuchten, das zu einer Stärke von historischem Ausnahmecharakter heranwuchs.“ (103 f) Mit diesem Führungsbild von Amerika sind wir aber alle aufgewachsen. Das verkörperte vor allem in den 50er Jahren Dwight D. Eisenhower, auf den das neue Amerika folgte: John F. Kennedy.

Daß dieser im dritten Jahr seiner Amtszeit 1963 ermordet wurde, bleibt Trauma Amerikas und der westlichen Welt. Auch Lyndon B. Johnson ist noch bekannt und erst recht Richard Nixon, der als einziger Präsident der USA zurücktreten mußte und vom Vize, Gerald Ford ersetzt wurde. Jimmy Carter folgte, der Erdnußfarmer war und unterschätzt wurde, weshalb seine Wiederwahl gegen Ronald Reagan grandios scheiterte. Vater Bush konnte nur eine Amtszeit regieren, denn dann kam Bill Clinton. Das geht völlig in unsere Zeit über und die amerikanischen Präsidenten sind uns und den Umsitzenden einfach geläufig, weil die USA fast wie ein Teil der Bundesrepublik wahrgenommen wurde, oder eigentlich: lange Zeit die BRD Deutschland am Arm der USA geführt wurden.

 

Tatsächlich, da ist sich die Diskussion einig, ist zwar das Interesse für und das Wissen von den USA noch immer groß, aber es war Altkanzler Gerhard Schröder, der der amerikaabhängige Bundesrepublik die Emanzipation bracht durch die - im amerikanischen Sprachgebrauch – Unabhängigkeitserklärung der Deutschen: das deutliche NEIN zum Irakkrieg. Wenn es dereinst ein Buch über deutsche Kanzler geben sollte, wäre dies sein Ritterschlag. Doch für all das bleibt jetzt keine Zeit, denn es ist nach vier Uhr in der Nacht und die Wahlergebnisse purzeln auf dem Bildschirm.

 

Die überwältigend rote US-Staatenkarte hatte seit Stunden Romney vorne gesehen, aber jetzt geht es Schlag auf Schlag. Jeder weiß, die Stichzahl ist 270 Wahlmänner. Und wir haben ständig die unglaublichen Pauschalierungen gehört: Weiße Männer wählen Romney, Frauen wählen Obama, Väter wählen Romney, Mütter Obama, Junge wählen Obama, schon ab 40 Jahren wählen mehr Romney. Die ohne Abschluß wählen mehr Obama, die mit College-Abschluß Romney, aber die Doktoren und höhere akademische Grade wählen Obama. Je ärmer, desto eher Obama, je reicher, rechter und Kirchgänger, desto mehr Romney. Und in den Großstädten wird Obama zu 69 Prozent – das sind Zweidrittel – gewählt und in der Kleinstadt Romney zu 56 Prozent.

 

Längst ist schon der Jubel ausgebrochen, als die 270 erreicht waren und Washington, Oregon, Nevada, Kalifornien!! hinzukamen, nachdem Colorado und New Mexiko schon für ihn gesichert waren. Hawaii war ein Heimspiel, und Alaska bleibt republikanisch. Nun ist Schluß bei 303 gegen die 206 des Herausforderers Romney, denn Florida ist noch nicht zu Ende ausgezählt. Es ist 8 Uhr morgens und erst jetzt erscheint der Präsident mit Familie, nachdem der unterlegene Romney sein verfehltes Wahlziel öffentlich eingestanden hat. So sind die Bräuche und wir erhoffen uns eine gute Präsidentschaft, die den Vereinigten Staaten soziale Gesetze und ein ein besseres Miteinander bescheren. Die Voraussetzung sind mit dieser Wahl erst mal da. Das Buch ist längst zugeklappt.

 

 

 

Ronald D. Gerste, Rendevouz mit Amerikas Präsidenten. Unterwegs zu den Orten ihres Lebens, Primus Verlag, 2012