kpm KPD LogoDie Aushöhlung des Rechtsstaats am Beispiel des KPD-Verbots, Teil 2/2

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Foschepoth erinnert in seinem Buch auch daran, dass das Grundgesetz ursprünglich die Rechtsvorschriften der Anti-Hitler-Koalition des Potsdamer Abkommens, vor allem ein Verbot des Nationalsozialismus und Militarismus, enthielt (Artikel 139).

Jede Form von Nachfolgeorganisationen der NSDAP und ihrer Gliederungen waren verboten. In der heute gültigen Fassung heißt es lediglich: „Die zur »Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus« erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.

Roman Herzog, Staatsrechtler und Co-Autor des maßgeblichen Grundgesetzkommentars (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz), ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Bundespräsident, schrieb dazu im Jahr 2005: "Mit dem Abschluss der sog. Entnazifizierung ist Art. 139 obsolet geworden. [...] Abzulehnen ist insbesondere der Versuch, ihn als Grundsatzaussage über die Haltung des GG gegenüber nationalsozialistischen und verwandten (z. B. faschistischen) Staatsauffassungen anzusehen und insoweit natürlich fortgelten zu lassen."

Auch Herzogs juristischer Lehrer, Theodor Maunz, ehemals ein führender NS-Jurist, der ähnlich wie Carl Schmitt, Ernst Rudolf Huber, Karl Larenz, Otto Koellreutter, Herbert Krüger und Ernst Forsthoff den Unrechtsstaat zu legitimieren versucht hatten, und späterer Grundgesetz-Kommentator, hatte ähnlich argumentiert. In Zuschriften an die „Deutsche National- und Soldatenzeitung“, die anonym veröffentlicht wurden, hatte er über Jahre hinweg gegen die weitere Anwendung der alliierten Bestimmungen plädiert.

Doch trotz der formalen Abschwächung des Grundgesetz-Artikels führte an der Einstufung der 1949 gegründeten Sozialistischen Reichspartei (SRP) als Nachfolgeorganisation der NSDAP kein ein Weg vorbei. Dennoch sprachen sich sowohl Kanzler Konrad Adenauer, Bundesinnenminister Thomas Dehler (FDP) und der dritte Koalitionspartner der Bundesregierung, die Deutsche Partei (DP), gegen ein Verbot aus. Doch auf Druck der westlichen Alliierten, die auf Einhaltung der Rechtsvorschriften zur Entnazifizierung bestanden, wurde am 19.11.1951 ein Verbotsantrag gegen die SRP beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Diesem folgte am 22.11.1951 der KPD-Verbotsantrag.

Diesen politischen Entscheidungen war die Washingtoner Außenministerkonferenz vom 10. bis zum 14.11.1951 vorausgegangen. Deren Ergebnisse enthielten den Willen zur Integration der Bundesrepublik in eine europäische und atlantische Gemeinschaft und proklamierten bereits offiziell die Wiederbewaffnung der BRD.
Formaljuristisch wurde durch diese parallel eingereichten Verbotsanträge der Rechtsradikalismus gleichgesetzt mit pointiert linken sowie linksradikalen Positionen. Einer solchen Einschätzung begegnet man auch heutzutage noch – von CDU/CSU bis hin zur SPD.

Foschepoth bewertet das in seiner Studie mit der notwendigen Eindeutigkeit: “So wurde das KPD-Verbot zu einem entscheidenden Instrument im antikommunistisch begründeten Staatswerdungsprozess der Bundesrepublik und deren Integration in die Bündnisstrukturen des Westens.“

Die SRP wurde bereits am 23.Oktober 1952 verboten, das Verfahren gegen die KPD zog sich jedoch über fünf Jahre hin. Zunächst lag das an Kompetenzstreitigkeiten zwischen 1. und 2. Senat im Bundesverfassungsgericht, dann an einer Überlastung des Gerichts sowie an der Vordringlichkeit jener Verträge, die eine Europäische Verteidigunsgemeinschaft ermöglichen sollten. Es gab gerichtsintern sogar Stimmen, die an der Sinnhaftigkeit eines KPD-Verbots zweifelten und die die Frage aufwarfen, ob ein solches Verbot überhaupt weiterverfolgt werden sollte.

Foschepoth vermutet anhand des mittlerweile zugänglichen Briefwechsels zwischen Bundesregierung und Verfassungsgericht, dass die Prozessverzögerung auch mit der Person des ersten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Höpker Aschoff, zu tun hatte. Der war trotz Vorbehalten und offener Ablehnung wegen seiner NS-Vergangenheit durch die britische Besatzungsmacht mit Unterstützung von Thomas Dehler, Konrad Adenauer und Theodor Heuss 1951 zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt worden. Höpker Aschoff fürchtete sich offenbar vor „den politischen und persönlichen Folgen und Implikationen des höchst umstrittenen Prozesses“, wie Foschepoth es formuliert.

Darüber hinaus gelangt Foschepoth nach der Auswertung lange Zeit als geheim eingestufter Quellen, die Treffen und Absprachen zwischen Mitgliedern der Bundesregierung, des BVerfG und des BGH belegen, zu der Überzeugung, dass ein mündliches Verfahren gegen die KPD niemals hätte eröffnet werden dürfen. „Der KPD-Prozess war somit von Anfang an verfassungswidrig, weil dessen staatliche Akteure fortgesetzt gegen grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates verstießen. Der KPD-Prozess war kein Prozess eines unabhängigen Gerichts. Er war ein »Staatsprozess«, in dem die rechtsstaatliche Teilung der Gewalten aufgehoben war.“

Die bereits im Vorfeld des Prozesses vorgenommenen Absprachen zwischen Regierungsvertretern und Verfassungsrichtern wurden auch während des eigentlichen Verfahrens selbst (23.11.1954 bis 17.11.1956) fortgesetzt, vor allem zwischen Hans Ritter von Lex als Leiter der Prozessführungsstelle und dem Berichterstatter, Verfassungsrichter Erwin Stein.

Und Foschepoth folgert daraus: „So wurden die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung über Bord geworfen, wenn sie dem Zwecke dienten, die KPD der Verfassungswidrigkeit überführen zu können. So wurden durch Richter Stein Dokumente gefälscht und als Beweismittel in den KPD-Prozess eingeführt. So wurden Strategie und Taktik des Verfahrens zwischen dem Berichterstatter und der Prozessvertretung der Bundesregierung abgestimmt, Geheimakten geführt und immer wieder Recht gebeugt. So wurden die Richter von der Exekutive immer wieder bedrängt und ihnen zuletzt sogar per Gesetz angedroht, die Zuständigkeit für das Verfahren zu entziehen, wenn sie nicht bis zum 31. August 1956 zu einem Urteil kämen.“

In dieses Bild passt auch, dass noch vor der Verkündigung des Urteils am 17.8.1956 Kriminal- und Schutzpolizei Parteibüros der KPD durchsuchten oder bereits schlossen und Beschlagnahmungen vornahmen. Vereinzelt kam es sogar zu Verhaftung von Funktionären. Zwischen1957 bis 1967 wurden ca. 3.000 Urteile gegen Kommunisten gefällt. Dabei wurden vielfach Haftstrafen verhängt und mehrfach auch Vermögen eingezogen.

Während die von Konrad Adenauer geführten Bundesregierungen längst ehemalige NS-Funktionsträger, Wehrmachtsoffiziere und selbst Kriegsverbrecher amnestiert hatten (Rücknahme der Entnazifizierung durch das Straffreiheitsgesetz vom 31.12.1949 sowie die Aufhebung der durch Artikel 131 GG Betroffenen), wurde eine Begnadigung kommunistischer Gefangener konsequent abgelehnt. Das KPD-Verbot sollte, wie Foschepoth es ausdrückt, jede „radikale Opposition unterdrücken“ und die „Staatsautorität der BRD im deutsch-deutschen Kalten Bürgerkrieg stärken.“

Foto:
Offizielles Logo der KPD © unbekannt

Info:
Bibliografische Angaben:
Foschepoth, Josef
Verfassungswidrig!
Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Erscheinungsdatum 11.09.2017
Auflage
Ladenpreis 40,00 EUR
492 Seiten mit 38 Abbildungen, 14 Grafiken und 1 Tabelle
Hardcover
ISBN-13 9783525301814