meierSerie: DIE KRIMIBESTENLISTE im September 2020 , Teil 2

Elisabeth Römer

Hamburg  (Weltexpresso) - „Gerade noch reingerutscht auf den letzten Platz der Krimibestenliste ist MEIER und wir sind so froh darum! „Das hatten wir schon im August formuliert, aber dann haben wir die Rezension noch nicht veröffentlicht, denn es gab fünf Artikel zur damaligen Krimibestenliste. Das war genug. Außerdem waren wir uns sicher, daß es MEIER auch auf die Krimibestenliste September schafft. Wie geschehen.

Denn das ist mal ein völlig anderer Krimi als andere, anders vom Thema her. Denn Meier, der Mörder, der Frauenmörder, der für 12 Jahre verurteilt ist und im Knast sitzt, ist unschuldig.

Er war des Mordes an einer ihm unbekannten Frau durch zwei Zigarettenkippen mit seiner DNA und seinen Baseballschläger mit ihrem Blut ‚überführt‘ worden. Der rote Transporter, Peugeot Partner 1900, Baujahr 2003, Diesel, Anhängerkuppel ist nie wieder aufgetaucht. Den habe er als Tatort wegen des Bluts im Weiher versenkt, hieß es dann. Ein Indizienprozeß.

Wenn man das liest, daß einer wegen eines Frauenmordes 12 Jahre Gefängnis erhielt, aber unschuldig ist, hat man mindestens zwei ambivalente Gefühle: Wie muß das sein, unschuldig wegen Mordes verurteilt zu sein, wie schrecklich muß das sein, wird man nicht jeden Tag versuchen, seine Unschuld zu beweisen....

Aber dann sofort der zweite Gedanke, wieso gibt es für einen Mord an einer Frau nur 12 Jahre?? Das ist doch viel zu wenig. Aber dies weiterzuverfolgen ist hier sinnlos, denn der Mann ist ja unschuldig und dieser unschuldige Meier will auch unser Mitgefühl und Miteid überhaupt nicht, sondern Tommi Goerz teilt uns in äußert knappen und sehr lakonischen Sätzen Meiers Überlegungen und Vorhaben mit, nachdem er in den Anfangswochen im Gefängnis lernt, wie man sich verhalten muß, um nicht Opfer zu werden. Opfer zu sein. Das ist aber erst der Anfang. Denn er hält diese Jahre nur deshalb durch, weil er sein Ziel im Auge, nämlich an denen Rache zu üben, die ihm das eingebrockt hatten, von allen Knastbrüdern das lernt, weswegen sie – schuldig – im Gefängnis sitzen: wie man am besten Autos kurzschließt und frisiert, ihre Kennzeichen austauscht, wie man Kameras umgeht, bzw. sie abschaltet, damit man besser einbrechen kann, wie man das Internet nutzt, um andere auszuforschen, all das, was potentielle Verbrecher können und wissen müssen, das lernt Meier.

Denn er braucht dieses Insiderwissen, weil er sich fachmännisch und fachgerecht rächen wird. Aber wie er das machen wird, wo die Schwierigkeiten liegen, das dürfen wir hier noch nicht verraten, denn das ist sein Geheimnis, das erst der Leser entschlüsselt. Echt gut gemacht und – wie gesagt – mal wirklich was Neues.


DIE KRIMIBESTENLISTE im September 2020

1(6)
Max Annas
Morduntersuchungskommission.
Der Fall Melchior Nikoleit
Rowohlt, 336 Seiten, 20 Euro

Gera, Jena 1985. Melchior war Bassist einer Punk-Band. Jetzt liegt der 19-Jährige
tot im Schuppen. Die Ermittler stöbern in unsozialistischem Familiendreck:
Kriegsverbrechen, Diebstahl, Prügel. Freundin Julia erzählt von Aufbruch, Musik,
Liebe und Verrat. Hommage an Punk, die Sehnsucht frei zu sein.


2(-)
Garry Disher
Hope Hill Drive
Aus dem Englischen von Peter Torberg.
Unionsverlag, 334 Seiten, 22 Euro

„Tiverton“, South Australia. Alles wie immer: Es wird geklaut, gesoffen, geprügelt,
Einsame sind einsam. Hirsch, allein auf sehr weiter Flur, ist „freundlicher Dorfpolizist“. Da wird eine Frau erschossen, zwei Kinder fliehen, Hauptstadt-Cops
schaffen Chaos. Große Literatur, entstanden aus Kleinem.


3(9)
Lauren Wilkinson
American Spy
Aus dem Englischen von Antje Althans et al.
Tropen, 366 Seiten, 16 Euro

USA, Burkina Faso. Ein überlebter Mordanschlag zwingt Marie Mitchell, sich
ihrer Vergangenheit zu stellen. Die CIA engagierte die ehrgeizige Afroamerikanerin
als Honigfalle für den charismatischen Präsidenten von Burkina Faso. Nicht
eingeplant im Kalten Krieg: die Liebe. Obama hat es gern gelesen.


4(-)
Parker Bilal
London Burning
Aus dem Englischen von Ulrike Thiesmeyer.
Rowohlt, 494 Seiten, 12 Euro

London. Scharia-Fake? Die Frau des Immobilienmoguls Thwaite und ein Japaner
liegen gesteinigt in der Baugrube einer Luxuswohnanlage. DS Drake und Partnerin
ermitteln unter Gentrifizierungs- und Irak-Krieg-Traumatisierten, rechten Schlägern und rechtgläubigen Migranten. London vor der Auflösung.


5(-)
Steph Cha
Brandsätze
Aus dem Englischen von Karen Witthuhn.
Ars Vivendi, 336 Seiten, 22 Euro

Los Angeles. 1991 wurde Afroamerikanerin Ava, 15, von der koreanischen Ladenbesitzerin Yvonne erschossen, 2019 wird diese selbst Opfer eines Attentats. Nach
einem realen Fall und Mustern en masse erzählt Cha vom Kampf zweier Familien
beim persönlichen Versuch, dem Fluch des Rassismus zu entgehen.


6(1)
Zoë Beck
Paradise City
Suhrkamp, 280 Seiten, 10 Euro

Deutschland in 100 Jahren. Der Norden unter Wasser, Gesundheits-App KOS
wacht, fast alle sind zufrieden. Nur Liina und Kollegen widerstehen, sie arbeiten
für die „Wahrheitspresse“. Erst recht, als eine Kollegin ermordet wird. Gesund sein
oder frei sein? Brennende Fragen, zum Mitfiebern.


7(2)
Lee Child
Der Bluthund
Aus dem Englischen von Wulf Bergner.
Blanvalet, 448 Seiten, 22 Euro

Wyoming. Beim Umsteigen ersteht Reacher antiquarisch einen Westpoint-Ring,
ahnt Schlimmes für die Besitzerin. Im entlegensten Bergtal stößt der Einzelkämpfer, mit Kumpels diesmal, auf reine Opioide, Fluch und für manche auch
Segen. Reacher ist zarter als sonst, jedenfalls zu den Guten. Echt stark.


8(7)
James Lee Burke
Blues in New Iberia
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger.
Pendragon, 586 Seiten, 22 Euro

New Iberia. Detective Robicheaux liebt Louisiana „wie eine Religion“. Und die
wird beschmutzt von einem Serienmörder aus der Mythenfabrik Hollywood:
Frauen treiben ans Kreuz genagelt auf dem Meer. Stellen kann das Böse nur, wer
den Tod hinter sich gelassen hat. Eine Naturgewalt von einem Roman.


9(10)
Tommie Goerz
Meier
Ars Vivendi, 164 Seiten, 18 Euro

Franken. Zehn Jahre hat Meier unschuldig gesessen für Mord. Jetzt ist er raus,
repariert Autos und hebt abgesunkene Scheunen. Schön ist das Leben, schöner die
Rache. Im Knast hat er gelernt, wie man Täuscher und Betrüger aufs Kreuz legt.
Knochentrocken serviert, die Ballade vom zufriedenen Knacki.


10(-)
Scott Thornley
Der gute Cop
Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet und
Andrea O’Brien. Suhrkamp, 524 Seiten, 16 Euro

„Dundurn“ am Ontariosee. Leichen im Hafenbecken, wo ein Museum Dundurns
Zukunft werden soll. Superintendent MacNeice ist gefragt, ein resoluter Diplomat
der Aufklärung, dem nichts entgeht. US-Veteranen, ein Biker-Krieg, dazu ein
Serienmörder – Mac hat zu tun in seinem ersten deutschen Fall.



Die Krimibestenliste, wo kann man sie lesen, wer erstellt sie, wo wird sie veröffentlicht?

WO? außerhalb von WELTEXPRESSO
Die Krimibestenliste auf Deutschlandfunk Kultur
www.deutschlandfunkkultur.de

Die Krimibestenliste erscheint am ersten Sonntag des Monats: www.faz.net
Die zehn besten Kriminalromane der Monate in 2020 sind allerdings nur noch über online verfügbar. In der Vergangenheit veröffentlichte die FAS, die Sonntagszeitung der FAZ, an jedem ersten Sonntag im Monat die jeweilige Liste im Feuilletonteil. Leider gibt es die Liste seit 2020 nur noch im Internet. Ob die FAZ und FAS wissen, welche Einbuße sie damit bei Krimilesern erfahren?

An jedem ersten Sonntag des Monats geben 19 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Die Krimibestenliste ist eine Kooperation der Frankfurter Allgemeinen mit Deutschlandfunk Kultur.


Die Jury:
Tobias Gohlis, Sprecher der Jury |
Volker Albers, „Hamburger Abendblatt“ |
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, BR |
Gunter Blank, „Rolling Stone“ |
Thekla Dannenberg, „Perlentaucher“ |
Hanspeter Eggenberger, „Tages-Anzeiger“ |
Fritz Göttler, „Süddeutsche Zeitung“ |
Jutta Günther, „Radio Bremen Zwei“ |
Sonja Hartl, „Zeilenkino“, „Culturmag“, „Deutschlandfunk Kultur“ |
Hannes Hintermeier, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ |
Peter Körte, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ |
Alf Mayer, „Culturmag“, „Strandgut“ |
Kolja Mensing, „Deutschlandfunk Kultur“ |
Marcus Müntefering, „Der Spiegel“ |
Ulrich Noller, „Deutschlandfunk Kultur“, „Deutschlandfunk“, SWR, WDR |
Frank Rumpel, SWR | 
Ingeborg Sperl, „Der Standard“ |
Sylvia Staude, „Frankfurter Rundschau“ |
Jochen Vogt, „NRZ“, „WAZ“


Foto:
Cover 

Info:
Besprechungen  der Krimibestenliste im August 2020
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/19706-paradise-city-von-zoe-beck-suhrkamp-auf-platz-1
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/19720-lee-child-mit-der-bluthund-blanvalet-auf-platz-2
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/19742-lauren-wilkinson-american-spy-tropen-verlag-auf-platz-9
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/19708-eine-wahre-freundin-von-william-boyle-polar-auf-platz-4
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/19706-paradise-city-von-zoe-beck-suhrkamp-auf-platz-1