UNESCO-Urkunde zum Weltdokumentenerbe Grimm in Kassel übergeben

 

Eric Fischling

 

Kassel (Weltexpresso) - Während einer Feierstunde im Flora-Saal im Schloss Wilhelmshöhe in Kassel haben Dr. Verena Metze-Mangold, Vizepräsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, und Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard für das Deutsche Memory of the World-Komitee im Auftrag der UNESCO-Generaldirektion die neu ausgestellte Urkunde des Weltdokumentenerbes „Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm“ übergeben.

 

 

Für das Land Hessen nahm Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann, für die Stadt Kassel Oberbürgermeister Bertram Hilgen und für die Brüder Grimm-Gesellschaft e. V. Vorsitzender Dr. Werner Neusel das Schriftstück entgegen. Im Gegensatz zu der bisherigen Urkunde, die alleinig als Institution die Brüder Grimm-Gesellschaft nannte, ist die neue Urkunde ausgestellt auf „Land Hessen / Stadt Kassel in Kooperation mit der Brüder Grimm-Gesellschaft“.

 

Ich bin sehr glücklich, daß wir heute ein langes Verfahren zu einem guten Abschluss bringen können und danke allen Beteiligten für ihre Mühen“, sagte Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann und wies darauf hin, daß fünf der zurzeit 17 deutschen Einträge auf der Liste des Weltdokumentenerbes aus Hessen stammen.

 

Heute wurde der glückliche Schlusspunkt hinter einen lange währenden Prozess gesetzt“, kommentierte Oberbürgermeister und Kulturdezernent Bertram Hilgen die Übergabe. „Im Dienst der Sache haben wir eine Lösung gefunden, die alle Beteiligten einvernehmlich mitgetragen haben.“

 

Zum Weltdokumentenerbe zählen insgesamt fünf Bücher der „Kinder- und Hausmärchen“ aus dem persönlichen Besitz der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Bei diesen so genannten Handexemplaren handelt es sich jeweils um Band 1 und 2 der ersten (1812 und 1815) und der zweiten Auflage (1819) sowie um den zur zweiten Auflage erstmals erschienenen Kommentarband (1822). Alle Bücher enthalten zahlreiche handschriftliche Notizen, Ergänzungen und Anmerkungen von Jacob und Wilhelm Grimm.

 

Mit der Anerkennung als Weltdokumentenerbe ist die Auflage verbunden, daß der Eigentümer die öffentliche Zugänglichkeit und die professionelle Pflege des Kulturguts gewährleistet. Da nicht geklärt ist, ob das Land Hessen oder die Stadt Kassel Eigentümer der Handexemplare ist – das is tja eigenartig, gibt es keine alten Schriftstücke darüber in den Archiven und soll das noch geklärt werden oder ist es unerheblich? - , haben Stadt und Land gegenüber der UNESCO erklärt, daß sie gemeinsam die Verantwortung für Pflege und Zugänglichkeit übernehmen.

 

Zurzeit werden die Handexemplare in einer Spezialvitrine im Brüder Grimm-Museum Kassel gezeigt; ab Juni 2015 werden sie in der Grimm-Welt auf dem Weinberg ausgestellt werden.

 

 

Hintergrund

 

In dem 2004 von der Brüder Grimm-Gesellschaft eingereichten Antrag zur Aufnahme der Handexemplare der „Kinder- und Hausmärchen“ in das UNESCO-Programm „Memory of the World“ bezeichnete die Brüder Grimm-Gesellschaft sich als Eigentümerin der fünf Handexemplare. Nach der Anerkennung als Weltdokumentenerbe und der alleinigen Ausstellung der Urkunde auf die Brüder Grimm-Gesellschaft wurden dieser Sachverhalt und weitere Passagen im elektronischen Antragstext öffentlich von verschiedenen Seiten kritisiert.

 

Die Handexemplare gehörten seit 1932 zum Bestand der Hessischen Landesbibliothek. Aufgrund der wechselhaften Geschichte der Hessischen Landesbibliothek, deren Trägerschaft zwischen dem Land Hessen und der Stadt mehrmals wechselte, sind die Eigentumsverhältnisse zwischen den beiden strittig. Die Brüder-Grimm-Gesellschaft macht dagegen keine Eigentumsansprüche geltend. Land und Stadt haben in Folge der öffentlichen Diskussion entschieden und gemeinsam erklärt, daß der öffentliche Zugang und eine adäquate restauratorische Betreuung des international bedeutsamen Kulturguts vorrangig seien.

 

Die von der UNESCO kritisierten Stellen im Antragsformular wurden unter Federführung der Stadt und in Abstimmung mit dem Land und der Brüder Grimm-Gesellschaft überarbeitet und der UNESCO Ende 2012 zur Prüfung vorgelegt. Neu gefaßt wurde der Gegenstand der Beantragung; die Provenienz der Bücher wurde unstrittig dargelegt, und die Authentizität der Werke wurde von einem unabhängigen Experten belegt. Des Weiteren wurden die Bibliographie überarbeitet und mit Prof. Dr. Heinz Rölleke und Prof. Dr. Hans-Jörg Uther zwei ausgewiesene Experten für die Grimmsche Märchenforschung benannt.

 

Die Ausstellung der Urkunde in ihrer neuen Form ist das Resultat dieses Prozesses.

Die Zugehörigkeit der Bücher zum Weltdokumentenerbe bestand auch während dieser Zeit und war zu keinem Zeitpunkt von der UNESCO in Zweifel gezogen worden.