Serie: Deutscher Buchpreis 2013, Teil 19

 

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Seit Jahren ist der Zugang zum Kaisersaal des Frankfurter Römer anläßlich der Preisverleihung des Deutschen Buchpreises trotz Überfülle streng limitiert, was für die Attraktivität der Veranstaltung spricht. Vor dem Festakt stehen im Limpurgsaal, das ist eine Treppe herunter vom Kaisersaal im nächsten Haus des dreiteiligen mittelalterlichen Römer, vor prächtigem Gobelin an der Längsseite die letzten sechs Autoren für Pressefotos zur Verfügung, was nach Bekanntgabe des Preises sich für Fotos und Interviews fortsetzt.

 

 

Natürlich nur noch für die Preisträgerin, für Therézia Mora, die zwei Stunden durchstand und bei den vielen Befragungen von verschiedenen Fernseh- und Rundfunkanstalten sowie ganz normalen Journalisten sich sichtlich von der Überraschung der Preisverleihung erholte und immer sicherer mit der Auswahl auf sie und dem Gehalt ihres Romans wurde. Wobei auch sie öfter betonte, daß es ein starker Jahrgang sei, diese Sechserliste, aus der sie nun als Gewinnerin gekrönt wurde. Allerdings hatte sie die anderen Bücher nicht selbst gelesen, aber die Teile, die in den LESEPROBEN der letzten 20 Bücher, die der Börsenverein erstmals herausgab, studiert und für stark gehalten. Dazu im nächsten Artikel mehr.

 

In der Preisverleihung war von Gottfried Honnefelder die Begründung der Jury vorgelesen worden: „Ein schwarzer Strich zieht sich durch den Buchtext von Terézia Moras Roman ,Das Ungeheuer‘. Er teilt die Geschichte von Darius Kopp und Flora. Sie waren ein Ehepaar, er ein Jedermann, der seine Frau mehr als alles, aber heillos liebte und überfordert war von ihrer Krankheit, ihren Depressionen. Flora hat Selbstmord begangen. Kopp bleibt zurück mit ihrer Asche in einer Urne und einer Datei, in der die Ungarin Flora Tagebuch über ihre Krankheit führte. Er macht sich auf den Weg durch Osteuropa von Ungarn nach Kroatien, nach Albanien und immer weiter bis er schließlich in Griechenland strandet, auf der Suche nach einer Heimat für die Asche und seine Verzweiflung. ,Das Ungeheuer‘ ist ein stilistisch virtuoser, perspektivenreicher Nekrolog und eine lebendige Road-Novel aus dem heutigen Osteuropa. Terézia Mora findet eine radikale Form, der verstorbenen Flora und ihrem Leiden, das sie Darius nicht mitteilen konnte, eine Stimme zu geben. Ihre Tagebuchdatei ist parallel zur Reiseerzählung von Darius unter dem schwarzen Strich zu lesen, ein Mosaik autobiografischer und medizinischer Skizzen zur Depression. Als Schriftstellerin gelingt es Mora, zwei Charaktere, die sich im Leben verfehlten, und zwei Textformen miteinander in Verbindung zu setzen. Terézia Mora vereint hohes literarisches Formbewusstsein mit Einfühlungskraft. ,Das Ungeheuer‘ ist ein tief bewegender und zeitdiagnostischer Roman.“

 

Das ist eine sehr lange Begründung der Jury, die im Jahr 2013 aus folgenden Personen bestand: Helmut Böttiger (freier Kritiker, Jury-Sprecher), Katrin Lange (Literaturhaus München), Ursula März (Die Zeit), Jörg Plath (freier Kritiker), Andreas Platthaus (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Klaus Seufer-Wasserthal (Rupertus Buchhandlung, Salzburg, Österreich) und Claudia Voigt (Der Spiegel).
 
„Je mehr Kommunikation, Kaufentscheidung und Medienkonsum ins Internet abwandern, umso mehr wächst auf der anderen Seite das Bedürfnis, der Autorin oder dem Autor näher zu kommen, ihm oder ihr persönlich zu begegnen, seine oder ihre Sicht der Welt näher kennen zu lernen“, hatte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und Vorsitzender der Akademie Deutscher Buchpreis, bei der Begrüßung der rund 300 Gäste im Kaisersaal des Römers gesagt.  „Autoren haben nicht nur literarisch etwas zu sagen, das Publikum will seine Autoren erleben - sehen und hören. Und Buchpreise sind dabei wie die Scheinwerfer, die die Autoren ins Blickfeld rücken und Literatur einer breiter werdenden Leserschicht erschließen.“

 

Zusammenfassend muß man zum Urteil der Jury noch einmal sagen, daß dies in Ordnung geht, wenn man der Begründung lauscht. Man sollte aber deutlich sagen, daß es diesmal keinen Roman gab, der nicht des Buchpreises würdig gewesen wäre. Darum in Kürze noch einmal: Bonnés Roman zeichnet sich durch eine Verbindung von Gegenwart und Kriegsvergangenheit aus, wo innerer und gesellschaftlicher Verlust und Verlusterscheinungen in eins gehen. Reinhard Jirgl hat schon das nächste Zeitalter erschrieben, in dem die Menschen ausgerottet sind und hat denen, die das nicht glauben wollen, daß es ohne Menschen weiterginge, hinterhergeschoben, daß dies dazumal auch die Dinosaurier gedacht hätten.

 

Clemens Meyer war mit Frau Mora der Mitfavorit und man muß demnächst mal eruieren, ob sich die Verkaufszahlen dieser Sechs gravierend von einander unterscheiden. Auf jeden Fall hatte Meyer die größte Presse und auch die größte Zustimmung. Marion Poschmann hat die sprachlich schönsten Sätze geschrieben und sehr viel Disparates in eine Form gegossen, die nur Sprache herstellen kann, wofür die den Wilhelm-Raabe-Preis von 30 000 Euro erhielt. Auch noch diesen Buchpreis zu bekommen, hätte das Feld verzerrt. Schließlich Monika Zeiner, die ein feines Buch geschrieben hat, dessen größtes Ereignis ist, daß dies ein Debütroman ist und gleich so hoch eingeordnet wird, ein sehr angenehm zu lesenden Buch, in dem die Musik eigentlich die Hauptrolle spielt, was viel zu selten vorkommt. Fortsetzung folgt.

 

 

INFO:

 

Terézia Mora hat sich durchgesetzt gegen: Mirko Bonné (Nie mehr Nacht, Schöffling & Co.), Reinhard Jirgl (Nichts von euch auf Erden, Hanser), Clemens Meyer (Im Stein, S. Fischer), Marion Poschmann (Die Sonnenposition, Suhrkamp) und Monika Zeiner (Die Ordnung der Sterne über Como, Blumenbar).
 
Sie erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Der Preisträger wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Die sieben Jurymitglieder haben 201 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2012 und dem 11. September 2013 erschienen sind. Aus diesen Romanen wurde eine 20 Titel umfassende Longlist zusammengestellt. Daraus haben die Juroren sechs Titel für die Shortlist gewählt.
 
Mit dem Deutschen Buchpreis 2013 zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den besten deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Partner des Deutschen Buchpreises sind Paschen & Companie, die Stiftung der Frankfurter Sparkasse, die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur übertrugen die Preisverleihung live im Rahmen von „Dokumente und Debatten“ auf den LW 153 und 177 kHz, per Livestream im Internet unter www.deutschlandradio.de sowie im Digitalradio DAB+. Interessierte konnten die Preisverleihung per Video-Livestream unter www.deutscher-buchpreis.de mitverfolgen.
 
Die kostenlose App des Deutschen Buchpreises bietet Lese- und Hörproben aller nominierten Titel der Longlist. Sie ist unter bit.ly/dbp-ios über den iTunes App Store bzw. unter bit.ly/dbp-android über Google Play verfügbar. Exklusive englische Übersetzungen von Leseproben der sechs Shortlist-Titel sowie zu jedem Shortlist-Buch und -Autor ein englischsprachiges Dossier stehen unter www.new-books-in-german.com bereit.
 
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