haarmonieHAARmonie verspricht Annette König

Lona Berlin

Berlin (Weltexpresso) – Ich bin ein bißchen spät dran, denn das Thema war superaktuell und schaffte es überall ins Fernsehen, als am 1. März endlich die Friseure wieder schneiden durften – und alles andere auch. Damals war sozusagen nationaler Notstand und man konnte – ebenfalls im Fernsehen – viele Prominente mit längerer Haartracht erleben und auch die Genugtuung der Bevölkerung, als die eigenen Haare fielen.

Haare, das heißt die Haartracht, sind mit das ausdrucksstärkste Zeichen für eine Zeit, was wir fälschlich viel stärker auf die Kleidung, auf die Mode projizieren. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß man die Jahrhunderte hindurch an Kleidung und Haartracht die jeweilige Epoche erkennt. Das galt auch noch für das 20. Jahrhundert. Der große Schock nach dem Ersten Weltkrieg brachte den Bubikopf und die kurzen Kleider, die Dreißiger sind entweder schick, wie man den Diven in Filmen ansieht, oder in Deutschland die brave Mutti. Die Vierziger sind auch noch sehr weiblich, mit langen Haaren, oft aufgesteckt, und nach dem Krieg kommt eine verschwenderische Rocklänge und -weite, dann aber auch das schmale Etuikleid und die neue Kurzhaarfrisur, allerdings tragen Romy Schneider und Brigitte Bardot in ihren Rollen Haaraufgetüme. Sehr attraktiv.

In den Fünfzigern waren dann auch die karierten Stoffe und die weiten Röcke mit dem Petticoat angesagt, mit denen man den Rock N‘Roll besonders flatternd tanzen konnte. Ansonsten waren die Frisuren weiterhin aufgebauscht, das Toupieren war selbstverständlich, hochgesteckt wie bei Audrey Hepburn, die privat aber auch der Kurzhaarfrisur frönte, wie auch Jean Seberg, die in AUßER ATEM einen neuen Typ Frau verkörperte, oft gab es ein Band im Haar, aber auch längere Kurzhaarfrisuren gab es wie bei Doris Day, die die praktische Frau verkörperte.

Die Siebziger Jahre mit Flower Power hatte sowohl was Haare angeht, wie auch die Kleider, einen wiederum abweichenden Stil zu den Sechzigern. Man erkennt auf Anhieb, aus welchem Jahrzehnt Kleider und Frisuren stammen, genauso wie die Bäder in Orange und Olivgrün gekachelt und gestrichen wurden. Wichtig übrigens, daß die Männerfrisuren sich auch ändern. Die alten Soldatenfrisuren, ziemlich kurz geschoren, ließ schon in den Fünfzigern mehr Haare zu. Mit den Beatles kam dann eine ganz neue Männermodefrisur in die Welt. Die sogenannten Pilzköpfe verstörten damals die Eltern der Söhne, die ihnen nacheiferten und bei anderen wie John Lennon wurde das vor seinem Tod zur Langhaarfrisur. Das war die Zeit, in der auch der Gummiring für Männer mit einer Art Pferdeschwanz in Mode kam. Und die Rockmusiker ließen sowieso alles sprießen, freuten sich, wenn sie Locken hatten oder drehten sich welche.

In den Achtzigern gab es einmal diese verrückten breiten Schultern mithilfe von riesigen Schulterpolstern, die bei Kostümen gekoppelt waren mit einem engen kurzen Rock und bei den Frisuren waren hauptsächlich Locken angesagt, wilde Mähnen. Aber schon bei den Neunzigern verläßt uns die Kenntnis, dafür kommt die Erkenntnis ins Spiel, daß es keinen Trend mehr gibt, als den, daß jeder machen kann, was er will, daß einerseits die frühere Sportkleidung, die Leggins, die T-Shirts und Jogginganzüge auf einmal Tageskleidung werden, die Frisuren sind vielfältig. Und wenn wir ehrlich sind, ist es dabei geblieben. Es gibt in der Mode keinen bestimmten Stil, den man auf Anhieb auf Fotos zum Beispiel erkennen würde als Ausdruck der Nuller oder 10er Jahre. Es gibt eine Vielfalt, die dennoch Einfalt ist.

Das gilt nicht für die Haare. Wieso haben heute so viele Männer Glatzen oder Halbglatzen. Das gab es früher wirklich nicht. Oder die Haarschnitte, die vor allem Fußballer bevorzugen, geschoren an den Seiten, hochaufgebürstet auf dem Kopf. Also sind die Frisuren, die Haarschnitte inzwischen aussagekräftiger für eine Zeit als die jeweilige Mode. Interessant.

Wenn man die Literatur anschaut, die es zu Dingen des Körpers gibt, fällt auf, daß Haare viel seltener vorkommen als Haut oder Gymnastik etc. Wir haben ein Buch gefunden, HAARmonie von Annette König, das Styling, Pflege und Ausstrahlung verspricht, schon aus dem Jahr 2002, aber der Inhalt ist nicht veraltet. Es ist ein deutsches Phänomen – und das finden wir gut – immer bei Adam und Eva anzufangen. Nicht buchstäblich, aber mit dem Artikel HAARE: KULT UND KULTUR. Daß im alten Rom Blondinen bevorzugt wurden, wußten wir nicht, und daß heutzutage nur noch 14 Prozent der Weltbewvölkerung naturblond sind, auch nicht, wohl aber, daß man die römischen Köpfe und Statuen – ähnlich wie die griechischen Vasen – im Fünfjahresrhythmus zeitlich bestimmen kann, denn die Haarmode wechselte alle paar Jahre. Eine derartige zeitliche Bestimmung aufgrund der Haare, aufgrund der Frisur, wäre heute nicht möglich! !

Das hätte ich nie gedacht, wie interessant sich diese schmale Büchlein liest! Auch, wenn in den Märchen den Haarmoden nachgespürt wird. Was will uns Rapunzel sagen? Und auf völlig neuem Terrain lerne ich dann viel über die Struktur der Haare, von denen ich keine Ahnung hatte. Daß es Haarwurzeln gibt, das wußte ich schon und daß man ein Haar, das bei einer Ermordeten liegt, genetisch zuordnen kann, auch. Aber was Spindelhaare, Ringelhaare, gegabelte Haare, Schlingenhaare, Bambushaare, Pinselhaare sind, keine Ahnung und nach dem Lesen vergesse ich es auch gleich wieder, aber, was Spliss ist, weiß ich von entsprechenden Shampoos, die dagegen gut sein sollen.

Faszinierend dann auch die Haaranalyse, die sozusagen aussagt, was ich gestern gegessen und getrunken habe. So weit geht es zwar noch nicht, aber den Haaren ist unser Leben anzumerken, nicht dem Aussehen nach, sondern der Lebensweise, der Ernährung und auch der falschen Lebensführung eben. Allerhand. „Das Haar als Seismograph für die innere Balance“ heißt das ausführliche Kapitel, wo man ins Staunen kommt, was man über die Jahre den eigenen Haaren anmerken kann. Dann kommen Kapitel,wie man pfleglich mit seinen Haaren umgehen sollte. Aber das soll jeder für sich durchlesen.

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Info:
Annette König, HAARmonie. Styling, Pflege und Ausstrahlung, Irisiana, Hugendubel Verlag 2002
ISBN 3 7205 2364 0