Bildschirmfoto 2021 09 14 um 02.28.11Andreas Grubers neuer Fall für Maarten S. Sneijder, im Goldmann Verlag und im Hörverlag

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich habe ich hier eine Menge Bücher stehen, die besprochen werden müssen. Dann kam am Samstag TODESSCHMERZ und – ja, Andreas Gruber und Verlag, es funktioniert – sofort zog ich den neuesten Thriller vor und las und hörte und las. Deshalb im Wechsel, weil ich so am schnellsten durchkomme und besprechen kann! Außerdem macht es Spaß, sich das holländisch angehauchte Deutsch von Maarten S. Sneijder, perfekt gelesen von Achim Buch, anzuhören. Eine schöne Abwechslung zum Selberlesen und wenn die Situation, wie das Autofahren, kein Lesen möglich macht.

Aber das bleibt der einzige Spaß, das Deutsch des Sneijder zu hören! Lieber Krimi-Autor Andreas Gruber: Wir haben sie alle gelesen, die Todesreihe: TODESFRIST, TODESURTEIL, TODESMÄRCHEN, TODESREIGEN, TODESMAL und jetzt den TODESSCHMERZ. Wir wissen, daß Krimis nichts für Mädchenpensionate oder zarte Seelen sind, aber so viele Toten wie in diesem Krimi, das muß einfach nicht sein. Ja, wenn es die richtigen träfe und die Schurken, Verbrecher und ganz ganz Bösen dranglauben müßten. Das könnte man ja akzeptieren. Aber hier wird das rechtschaffene Aufklärungsteam um Sneijder derart dezimiert, tja die meisten auf Dauer, also tot, daß es so einfach nicht weitergehen darf, denn die TODESREIHE soll doch weitergehen? Oder nicht? Gut, am Schluß passiert, was wir eh schon ahnten....aber von vorne.

Das Jahr ist unbekannt. Jetztzeit. Prolog 22. Mai. Bevor man aber liest, sollte man die Landkarte links anschauen, dann wird man vorbereitet, daß die Thrillerhandlung in Norwegen stattfindet, von Oslo im Norden bis runter nach Frederikstad und Tonsberg. Dazwischen liegt Sande und Selvik und da mitten im Land, am Meer, passieren die schlimmen Sachen, auf die uns der Prolog vorbereitet, wo eine wohl sehr ansehnliche Prostituierte erst viele Geld einsteckt, dann aber während des Geschlechtsakts vom noch Unbekannten über ihr erstochen wird, weil – das ahnen wir und erfahren es am Schluß – es die tote Frau braucht, um seinen Höhepunkt zu erreichen. Krank. Total krank, und dann nimmt er ihr auch noch das viele Geld aus dem Portemonaie, das hätte ihr zwar nichts mehr genutzt, aber man sieht, welch Realitätstüchtiger hier seine Probleme auf den toten Leibern von Prostituierten abarbeitet. Für die Umwelt jedoch ist er ein wichtiger Unternehmer, mit Frau und schönem Heim, dem so etwas keiner zutrauen täte. Oder doch, Eingeweihte natürlich schon. Und dann noch die Deutschen vom Bundeskriminalamt, dem BKA...

Was das heißt? Der Reihe nach. In Oslo ist die deutsche Botschafterin in ihrer Residenz zusammen mit ihrem Sicherheitschef ermordet worden. Doch das soll nicht nach draußen dringen, sondern BKA-Ermittler Maarten S. Sneijder soll mit seinem Team nach Norwegen. Eigentlich will er das gar nicht, denn es läuft gerade eine Insidergeschichte, da gibt es im eigenen Laden ein Leck, Verräter, einen Maulwurf, was die Ursache sind, daß die letzten Ermittlungen immer dicht vor dem Erfolg aufflogen, weil die Kriminellen weg waren, auf jeden Fall gewarnt und das BKA als dumme Jungs dastanden. Aber Sneijder  hat Vorgesetzte, die das anordnen und er ahnt sehr bald, daß innerhalb seiner Vorgesetzten auch der Verräter sitzt. Ganz am Schluß wird seine Ahnung bestätigt, aber der erfahrene Krimiautor läßt lange, lange einen bestimmten Vorgesetzten als den Geheimnisverräter erscheinen, bis klar wird, daß dieser vom Eigentlichen immer nur angewiesen wurde...

Darin ist die Norwegen-Handlung eingebunden, die aber für sich fast alle 586 Seiten einnimmt, so viel passiert dort und sehr spät wird klar, daß die beiden Fälle: der innere Verrat durch einen Maulwurf und der Mord in Oslo zusammenhängen. Die Haupthandlung selbst geht um die beiden Brüder Alexander und Haakon Jorgensen in Norwegen, samt Haakons Ehefrau Astrid, die allerdings ein Kind von Alexander bekommt, wovon der Ehemann nichts weiß, allerdings sicher ist, daß es nicht von ihm ist, denn er hat sich vor 10 Jahren sterilisieren lassen, damit er – ein Albino – keine Kinder von den tausend Geliebten bekommt, die er ständig aufsucht. Haakon ist ein Krimineller im großen Stil, der allerdings inzwischen derartige finanzielle Polster hat, daß er sich mit normalen Geschäften beschäftigen kann. Wobei auf einmal deutlich wird, daß der Mord an der deutschen Botschafterin in der Machart denen gleicht, die seit Jahren immer wieder als Wasserleichen auf dem Fjord auftauchen. Immer junge Prostituierte, meist knabenhaft mit langen schwarzen Haaren. Aber noch sehr viel mehr derartige Mädchen werden seit vielen Jahren vermißt.

Haakons jüngerer Bruder Alexander, ein strahlender Schönling, Rechtsanwalt von Beruf und als Ehrenmann bekannt, wird ziemlich schnell als derjenige belastet, der für die ersten Morde, die geschehen, verantwortlich sein muß. So liest sich das. Wenn so früh schon ein Schuldiger feststeht, weiß man ziemlich sicher, daß er sich als Nullnummer erweist.

Ha, da aber ist Andreas Gruber vor! Denn durch die Verquickung der inzwischen dreifädigen Handlung: Maulwurf, Diplomatenmord, Prostituiertenmord gibt es eben mehrfache Schuldige. Inzwischen ist Sneijder mit seiner Entourage in Oslo angekommen, das sind so viele Leute, daß wir nur seine engsten Mitarbeiter nennen. Das ist als Wichtigste sein Eichkätzchen, Sabine Nemez, fast gleichberechtigt und blitzgescheit, mutig dazu. Sie ist gerade des Nachts mit Marco zugange, einem, mit dem Sneijder gerade an der Maulwurfsache sitzt. Warum ihm die Nächte der beiden nichts ausmachen, hat mit seinem Schwulsein zu tun, das diesmal insgesamt etwas viel Raum einnimmt, zumal sein nächtlicher Überraschungspartner dann auch noch erschossen wird. Auf jeden Fall verlagert sich die Handlung schnell Richtung Fjord, wo der reiche Haakon ein großes Anwesen besitzt und die gesamte BKA-Mannschaft einlädt, was vor allem Guldbrandsen recht ist, denn der norwegische Hauptermittler kann die Deutschen nicht leiden und gibt ihnen kaum Informationen, will sie los sein. Was die Deutschen da noch nicht ahnen, ist, daß auch dieser auf der geheimen Gehaltsliste von Haakon steht, der sich wirklich als derjenige erweist, bei dem alle kriminellen Fäden zusammenlaufen.

Wichtig noch, von Cora zu berichten, die trotz der Einwände von Sneijder mit nach Oslo kommt. Sie ist vom Bundesnachrichtendienst (BND), der mitdrinnenhängt, sowohl was die Ermittlungen des Mordes an der Botschafterin, wie auch das Datenleck in beiden Behörden angeht. In gekonnter Manier laufen nun die Ermittlungen; was wir aber anfangs anmerkten, wollen wir hier vertiefen: es geht einfach nicht, wenn auf Seiten des deutschen Teams, der eine abgestochen und im Koma im Krankenhaus liegt, am Schluß auch stirbt, der andere, ein schon pensionierter Rollstuhlfahrer, der für Sneijder aus vielen Gründen wesentlich ist, auf düsterste Art verbrennt, die BNDfrau ertrinkt, als das Containerschiff, das Haakon und die noch lebenden deutschen Kriminalen von Oslo nach Kaliningrad bringt und die Informationen birgt, wer der Maulwurf ist und was überhaupt ausspioniert wird, wo dann auch noch Sabine Nemez...mehr verraten wir nicht. Machen Sie sich auf was gefaßt!

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Cover

Info: 
Andreas Gruber, Todesschmerz

Buch: Goldmann Verlag, September 2021
ISBN 978-3-442-49109-4

mp3-Lesung, Hörverlag, Laufzeit 11h 17 min
äußerst angenehm und interessant gelesen von Achim Buch
ISBN 978-3-844 5-4084-0