pixabay.deDer Buchmarkt in Deutschland: Buchhandlungen und Verlage erfolgreich in der Pandemie, aber von neuen Krisen herausgefordert

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eigentlich hatte der Buchmarkt die schwierigen Coronajahre - die ja nicht vorbei sind, es tun nur fast alle so - ganz gut überstanden. Aber auf Dauer hat sich doch eine Verschiebung ergeben, die zu Lasten der Buchhandlungen geht. Unterstützt durch die Verbote des direkten Kontakts infolge der Pandemie, haben sich die Internetanbieter - und natürlich ist da nur von Amazon zu reden - die Käufer unter den Nagel gerissen. Das zeigt nun durch Schließung von Buchhandlungen Wirkung. Leider. Und es gibt ein zweites Problem. Zu viel der Buchkäufe gelten Bestsellern, so daß wenige Bücher einen großen Teil des Umsatzes ausmachen. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: die Jugend liest wieder mehr und kauft!

Pandemie, Papierkrise, Konsumflaute – Der deutsche Buchmarkt bewegt sich in unruhigen Zeiten. Buchhandlungen und Verlage haben die Corona-Krise bisher mit großem Einsatz, Innovationsgeist und Kund*innennähe gemeistert. Der Gesamtumsatz der Branche stieg 2021 um 3,5 Prozent. Die vergangenen beiden Jahre haben die Branche wirtschaftlich dennoch stark gefordert. Nun steht sie durch Beschaffungsengpässe, steigenden Kostendruck und die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine vor neuen Hürden. Das schlägt sich bereits in der Halbjahresbilanz 2022 nieder. Nach den ersten sechs Monaten beläuft sich der Umsatzrückstand im Buchhandel vor Ort auf 11,1 Prozent und über alle Absatzwege (u.a. inkl. Online-Handel) auf 3,0 Prozent gegenüber 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie. Diese und weitere Wirtschaftszahlen stellte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in der letzten Woche in Frankfurt vor.

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins: „Die Buchbranche hat sich in der Corona-Krise bewährt. Buchhandlungen und Verlagen ist es dank hoher Resilienz, kreativer Lösungen und ausgeprägter Digitalkompetenz gelungen, Menschen für das Lesen zu begeistern und sie, auch dank stabiler Logistik, trotz langer Lockdowns mit Büchern zu versorgen. Es stimmt mich zuversichtlich, dass gerade bei jungen Leser*innen die Nachfrage nach Büchern groß war.“

Trotz der positiven Umsatzbilanz im letzten Jahr habe die Corona-Pandemie Buchhandlungen und Verlage wirtschaftlich stark belastet. Schmidt-Friderichs: „Die wachsenden Online-Umsätze der Buchhandlungen sind durch hohe Kosten für die logistische Abwicklung erkauft; das verringerte bei vielen die Erträge, was in einer ohnehin margenschwachen Branche stark ins Gewicht fällt. Menschen kauften zudem gezielter und griffen häufiger zu Bestsellern und bekannten Autor*innen. Die Inspiration, die Kund*innen auch neue, unbekannte Titel entdecken lässt, fehlte aufgrund monatelang geschlossener Buchhandlungen. Das ist beunruhigend für die große Vielfalt, die den deutschen Buchmarkt auszeichnet. In Zeiten knapper Budgets setzen auch Verlage eher auf ,sichere‘ Titel – das Abseitige, Mutige, Innovative kommt dann manchmal zu kurz. Die Wiederkehr von Präsenzveranstaltungen wie der Frankfurter Buchmesse ist für die Branche essenziell; sie steigern die öffentliche Aufmerksamkeit für Bücher und sind für die Geschäfte und Netzwerke in der Branche unersetzbar.“


Krisen nehmen 2022 zu – Unterstützung der Politik gefragt

Durch die Pandemie wirtschaftlich geschwächt trifft die Buchbranche im Jahr 2022 auf weitere Krisenfaktoren. Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen erschüttern die Menschen und führen zu einer drastischen Verunsicherung und Konsumeinschränkung. Es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass sich die allgemeine Kaufzurückhaltung auch im Buchhandel niederschlägt. Daneben setzen steigende Kosten und Beschaffungsengpässe etwa beim Papier Verlage und Buchhandlungen unter Druck.“

Die GfK attestiert im Juni 2022 dem Konsumklima ein neues Allzeittief. Die Frequenz in den Innenstädten liegt aktuell noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. Daneben verzeichnen die Unternehmen der Buchbranche signifikante Preisanstiege bei Energie, Rohstoffen und Personal. Laut Statistischem Bundesamt sind die Druckkosten für Bücher im Mai 2022 um 21,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Im Dezember 2021 waren es noch 3,8 Prozent. Der Preis für grafische Papiere und Pappen steigt ebenfalls und lag im Mai 2022 58,2 Prozent über dem Vorjahresmonat.

Wenn die Buchbranche weiterhin ihren wichtigen kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag in der Gesellschaft erfüllen soll, müsse die Politik zügig handeln. Kraus vom Cleff: „Angesichts einer Wirtschaftskrise von diesem historischen Ausmaß ist die Politik gefragt, betroffene Branchen zu unterstützen. Für die Buchbranche wäre etwa die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Bücher auf null Prozent bei vollem Vorsteuerabzug, wie sie durch die EU-Gesetzgebung jetzt möglich ist, eine große Hilfe. Um die Vielfalt auf dem Buchmarkt aufrechtzuerhalten, sind auch strukturelle Förderungen vonnöten. Darüber hinaus brauchen wir durchdachte und finanziell gut ausgestattete Programme für die Belebung der Innenstädte, wie sie etwa der Deutsche Kulturrat zusammen mit einer Verbändeallianz aktuell fordert. Als kulturelle Anziehungspunkte und Dritte Orte par excellence können Buchhandlungen bei der Revitalisierung der Stadtzentren eine wichtige Funktion übernehmen.“


Die Zahlen 2021 im Überblick

Die Branche erwirtschaftete 2021 einen Gesamtumsatz von insgesamt 9,63 Milliarden Euro (2020: 9,30 Milliarden Euro). Der stationäre Buchhandel blieb mit 3,76 Milliarden Euro und einem Anteil von 39,1 Prozent der größte Vertriebsweg für Bücher. Allerdings ging der Umsatz vor Ort um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück, und sogar um 12,3 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019. Weiterhin wachsend ist der Umsatz des Internetbuchhandels, von dem etwa die Hälfte auf die Online-Shops der Buchhandlungen entfällt: Die Umsätze stiegen 2021 um 16,2 Prozent von 2,24 auf 2,61 Milliarden Euro. Der Umsatzanteil des Internetbuchhandels am Gesamtmarkt lag damit 2021 bei 27,1 Prozent (2020: 24,1 Prozent). Ein Blick auf den Publikumsbuchmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) zeigt: Der Buchhandel vor Ort hat beim Online-Geschäft während der beiden Pandemie-Jahre am deutlichsten zugelegt. Mit 43,7 Prozent lag die Zuwachsrate bei den buchhändlerischen Webshops 2021 im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau mehr als doppelt so hoch wie bei Amazon mit 18,4 Prozent.

Die positive Umsatzbilanz 2021 schlägt sich in fast allen Publikums-Warengruppen nieder. Die mit 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr größten Zuwächse verzeichnete die Belletristik. Mit einem Umsatzanteil von 31,9 Prozent bleibt sie die wichtigste Warengruppe. Auch Kinder- und Jugendbücher (+4,4 Prozent), Sachbücher (+3,0 Prozent) und Ratgeber (+0,5 Prozent) legten zu. Reisebücher verbuchten ein kleines Minus von 0,4 Prozent.

Die Buchkäufe im vergangenen Jahr konzentrierten sich stärker auf Bestseller: Während die Gesamtabsätze um 3,0 Prozent zurückgingen, stieg der Absatz der Top-Titel auf der Bestsellerliste – also der meistverkauften Titel – deutlich an. Insgesamt nahm der Absatz der Top-10-Titel um 23,6 Prozent zu, in der Belletristik waren es sogar fast 40 Prozent.

Die Nachfrage nach digitalen Buchformaten stieg auch im zweiten von Lockdowns und Ladenschließungen geprägten Jahr weiter. Besonders deutlich wuchs der Markt der Hörbuch-Downloads mit einem Plus von 20,4 Prozent. Die Zahl der Abonnements, also Flatrate-Angebote für E-Books und Hörbücher, verbuchte mit 24,1 Prozent ebenfalls große Zuwächse. Der Umsatz der E-Book-Downloads am Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) stieg im zweiten Pandemiejahr nur noch leicht um 3,2 Prozent, ihr Umsatzanteil am Publikumsmarkt lag bei 5,7 Prozent (2020: +16,2 Prozent auf 5,8 Prozent).

Die Zahl der Buchkäufer*innen ging 2021 weiter zurück: Rund 27,0 Millionen Menschen erwarben Bücher, das sind 5,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Diejenigen, die Bücher kauften, intensivierten aber ihre Käufe. Am deutlichsten steigerten in der Pandemiezeit die 10- bis 19-Jährigen ihre Ausgaben, nämlich um 26,9 Prozent zwischen 2019 und 2021.  Außerdem ist die durchschnittliche Kaufintensität bei der jüngsten Käufer*innengruppe deutlich angestiegen von im Schnitt 6,8 Büchern im Jahr 2019 auf 8,0 Bücher 2021.

Die Zahl der Erstauflagen der Verlage ging 2021 deutlicher zurück als in den Vorjahren. Sie sank von 69.180 im Jahr 2020 auf nun 63.992 Titel – das entspricht einem Minus von 7,5 Prozent. Besonders stark war der Rückgang in einigen Wissenschaftsbereichen. Überdurchschnittlich sanken außerdem die Kinder- und Jugendbücher (-9,2 Prozent), weniger stark Belletristik-Titel (-3,1 Prozent). Der Anteil der Übersetzungen an den Erstauflagen stieg zwar gegenüber dem Vorjahr von 13,2 auf 13,6 Prozent leicht an, bleibt über die Jahre jedoch konstant. Im Jahr 2021 erschienen insgesamt 8.703 Titel aus anderen Sprachen (2020: 9.164) neu auf dem deutschen Buchmarkt. Der Lizenzverkauf deutscher Verlage ins Ausland stieg nach einem leichten Knick im Jahr 2020 um 2,4 Prozent von 7.597 auf 7.777 Titel an. Die beiden wichtigsten Warengruppen im deutschen Lizenzgeschäft legten deutlich zu: die Kinder- und Jugendbücher um 10,8 Prozent, die Belletristik um 9,9 Prozent.

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Quellen und weitere Informationen


Die Zahlen zu den Anteilen und Umsatzveränderungen der Warengruppen sowie zur Absatzentwicklung 2021 und zur Umsatzentwicklung 2022 stammen aus dem Handelspanel von Media Control. Die Käufer*innenzahlen, die Daten zur Entwicklung der Online-Shops, E-Books und Hörbücher basieren auf dem GfK Consumer Panel Media*Scope Buch. Die Daten zur Papier- und Druckkostenentwicklung stellt das Statistische Bundesamt zur Verfügung.

Zahlen und Daten des Buchmarkts 2021 werden zusammengefasst in der Publikation „Buch und Buchhandel in Zahlen 2022“, die vom Börsenverein herausgegeben wird und im August im Verlag des Technologie- und Informationsanbieters MVB erscheint.

Alle aktuellen Zahlen zum deutschen Buchmarkt sind unter www.boersenverein.de/buchmarkt abrufbar.