Bildschirmfoto 2022 11 21 um 22.52.51Die Koreanerin Gu Byeong-Mo im Ullstein Verlag

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein schlichter Titel, aber eine Geschichte, die es in sich hat, knallhart, blutrot und dennoch von einer tiefen Traurigkeit durchzogen, daß die Welt so ist, wie sie ist – ach was, wie die geschilderten Menschen glauben, wie Aufziehpuppen ein Schicksal erleiden zu müssen, daß gar nicht das ihre sein müßte, würden sie sich aus Abhängigkeiten befreien.

Das Stärkste am Buch ist der Auftakt, weil man da noch nichts davon weiß, daß diese unscheinbare ältere Frau mit den grauen Haaren, auf denen sie einen elfenbeinfarbenen Filzhut trägt, angetan mit einem T-Shirt mit Blumendruck, einer gerade geschnittenen Hose, einen klassischen khakifarbenen Leinenmantel und mit einer mittelgroßen braunen Tasche über dem Arm, daß diese zwar sichtbare, aber nicht wahrgenommene Frau eine bewährte Auftragsmörderin ist und gleich zuschlagen wird, aha Titel!, mit dem Messer, denn das liegt ihr immer blitzschnell in der Hand. Noch nutzt sie es nicht, denn es ist noch nicht soweit. Erst mal liest sie mit der Lupe die Bibel, weil das etwas ist -Achtung, Korea ist überwiegend christlich, erfolgreich evangelisch missioniert im 19. Jahrhundert - , was für so alte Leute normal ist und Normalität ist ihr Ziel, denn dann „fliegt sie unter dem Radar“. Damit unser Erschrecken oder auch unsere Abscheu nicht zu doll ausfällt, wird ihr Opfer, ein Mann Ende fünfzig, der „abgewetzte schwarze Ferragamo-Schuhe trägt“ und eine Aktentasche mit sich führt, „wie sie gerne Schuldeneintreiber tragen, die für Kredithaie arbeiten" sich gegenüber einer Schwangeren so bösartig verhalten, ja sie schlagen, daß kein Mitleid aufkommt, wenn er beim Aussteigen aus der U-Bahn auf einmal zusammenbricht, Da er auf den Rücken gelegt wird, sieht erst einmal keiner den Messerstich, den ihm von hinten die noch Unbekannte verpaßt hat. Nicht nur das, die Spitze des Messers war mit zyankaliähnlichem Gift versehen, das sie nun abwischt, deren Namen wir später  als Hornclaw alias Nails erfahren.

Dies war nur die Eingangsszene des 286 Seiten Romans, der Ihnen sofort deutlich macht, daß hier eine Frau schreibt. Kein Mann würde mit derartigem Interesse über Kleidung und Verhalten von älteren Frauen schreiben. Was sich dann auftut, ist aber nicht mehr so knallhart, sondern einfach tieftraurig, vom Schicksal eines für sie selbst verfehlten Lebens zu lesen. Ganz früh kam sie durch Zufall zu ihrer Tätigkeit, die verquickt war mit der Liebe zu einem Mann, der sie als Mörderin ausbildete und auch mit ihr weiterarbeitete, als Angehörige eines Opfers seine Frau mitsamt dem Baby umbringen. Nein, sie dürfen hier keinesfalls in Mitleid verfallen, sonst können sie das professionelle Abschlachten von Menschen nicht ertragen.

Sie müssen sich das eher als eine Geschichte wie auf dem Schachbrett vorstellen, wo immer mal einer rausfällt aus dem Spiel, sprich Leben, und wo sich die Handlung in eine Richtung entwickelt, daß, wer den ersten Schachzug schon falsch begann, der Verlierer sein wird. Das ist ein gnadenloses Gesellschaftsbild, das die 46jährige, vielfach ausgezeichnete Autorin schildert, das nicht in den modernen europäisch/amerikanisch angehauchten, sondern in alten koreanischen vielbevölkerten Vierteln spielt, wo ständig einer umgebracht wird.

Im Roman steht das individuelle Schicksal dieser Frau im Mittelpunkt, die aus ihrer Auftragsmörderinnenkarriere nicht mehr herauskommt und auf einmal im Alter den Opfern und ihren Familien gegenüber Gefühle entwickelt. Das tut ihrer Arbeit nicht gut, die auf einmal mit Skrupeln versehen vom Morden ablenkt und sie selbst gefährdet. Doch hatte sie sich, ohne dies zu ahnen, sehr früh in ihrer Mörderei menschlich gezeigt und ein Kind überleben lassen, was sich übel auszahlt. Mehr darf man nicht verraten von dieser schwarzen Geschichte, die leider keine Komödie, sondern bitterschwarze Tragödie ist.

P.S. Als ich las, aus dem Englischen von Wibke Kuhn, stöhnte ich, denn es ist so ärgerlich, daß die meisten, bei uns übersetzten Romane von Koreanern, original auf Englisch geschrieben sind, wohl, weil dann ihre Verbreitung in der englischsprachigen Welt gesichert ist und auch die Übersetzungen ins Deutsche und andere Sprachen eher erfolgen. Aber das stimmt für diesen Roman nicht! Er ist schon 2013 auf Koreanisch erschienen und erst in diesem Jahr auf Englisch und dann gleich vom Englischen auf Deutsch erschienen. Trotzdem bleibt ärgerlich, daß wir nicht eine direkte Übersetzung aus dem Koreanischen haben, sondern eine doppelte Übersetzung, erst ins Englische und dann ins Deutsche. Mag sein, daß das billiger ist, aber Leser sollten sich Übersetzungen vom Original wünschen.

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Info:
Gu Byeong-Mo, Frau mit Messer, Ullstein Verlag 2022
ISBN 978 3 550 20150 9