Die BurgDovirtuawnload 1Wiedergesehen, Wiedergelesen, Wiedergehört, 2025/26, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ursula Poznanski ist eine der umsatzstärksten Autorinnen deutscher Sprache. Das wissen nicht so viele, weil sie erstens auch viel für Jugendliche geschrieben hat und zudem Österreicherin ist. Bei ihr wird jedes Buch zu einem Erfolg. Diesmal haben wir zwei Thriller ausgesucht, bei denen die KI wütet. In DIE BURG erzählt die Autorin von einem Escape Raum, was schon fast Deutsch ist, also einem Raum, wo eine Gruppe von Spielern eingeschlossen ist, um eine ganz bestimmte, genau definierte Aufgabe zu lösen - und ohne Lösung kann man oft den Raum nicht verlassen. Es geht also um Rätsel, um Geheimnisse, die gelüftet werden müssen, um Fallstricke, um Logik, um....

Ursula Poznanski, Die Burg. Die KI kennt den Ausweg. Mitleid kennt sie nicht. 

Nevio einer dieser Neureichen, die so reich sind, daß sie auf Nachnamen verzichten können, hat eine mittelalterliche Burg gekauft. Die sind bis heute Sinnbild von Trutz und Widerständigkeit, gleichzeitig gesschichtliche Heroen, denn nur die auserwählten Burgen haben unsere Zeit erreicht. Seine Absicht setzt er um, in der alten Burg die neuesten Techniken walten zu lassen und für Leute, die sich dazu einfinden, ein Rätselspiel besonderer Güte zu veranstalten, mit all dem modernen technologischen Krimskrams, den heutige Zeiten vorrätig haben, hat man genug Geld, diesen zum Einsatz zu bringen. 

Die Gruppe, die sich zusammenfindet, um dort Abenteuer zu bestehen, besteht aus einem Geschichtsprofessor mit dem Schwerpunkt Mittelalter, einer älteren Rästelfrau, einer dieser halbnackten Promis zweiter Güte, diesmal ein Mann namens Emil, der seine Gespielin, eine Nervensäge sondergleichen mitgebracht hat, eine erfolgreiche Influencerin und einem Inhaber einer bisher erfolgreichen Kette von Escape-Rooms. Letzterer will sich anschauen, was hier passiert, denn er ahnt schon, daß diese Konkurrenz seiner Geschäftsidee den Hals abschnürrt. Diese Gruppe wurde insbesondere damit geködert, daß sie die ersten sind, die die KI generierte Mittelaltersause erleben dürfen. Überleben dürfen? Und wer weiß, welche Schrecken in mittelalterlichen Burgen verborgen sind, die mörderischen Geräte sind bis heute tradiert, der weiß, wie KI dem Ganzen noch die Krone aufsetzen wird. 

Wer wem nach dem Leben trachtet und was es mit der KI auf sich hat, ist dann eine der Fragen, die Leser stellen und eine Antwort erwarten, auch bekommen. Das alles wäre nicht berichtenswert, wenn dann nicht wirklich ein Mord geschähe. Sofort sieht alles ganz anders aus und muß neu bewertet werden. Das können Sie dann tun!


Karl Olsberg, Virtua. KI – Kontrolle ist Illusion

Ganz anders kommt die KI bei Olsberg daher. Hier geht es stärker darum, wie und von wem sie beherrschbar ist - oder ob sie au ßer Kontrolle gerät und was dann passiert?! Warum ist denn eigentlich Daniel so nervös, als er beim Vorstellungsgespräch bei Lisa, partout nicht darüber reden will, warum er, der früher im Team, dann selbständig gearbeitet hatte, sich jetzt bei Mental Systems bewirbt. Aber es kommt wie immer, das, was man vermeiden will, bringt man durch seine Äußerungen selbst zur Sprache. Es ist der unbewältigte Selbstmord einer Klientin, deren Behandlung er abbrach,  als sie ihm gestand, sie habe sich in ihn verliebt. Das geht einfach nicht, daß man dann eine Psychotherapie weiterbetreibt. Das ist wirklich so, aber er macht sich Vorwürfe, daß er nicht für einen neuen Therapeuten für sie sorgte. Sein schlechtes Gewissen hindert ihn, einfach weiterzumachen, aber auf seine vielen Bewerbungen hat keiner eine positive Antwort gegeben. Nun ist er sicher, daß er wieder nicht genommen wird, denn Lisa, die er durch seine Brille als lebendige Frau wahrnahm ist ein Bot, "eine künstliche Möchtergern-Intelligenz", die aber im Chat nicht von einer echten Frau zu unterscheiden war. 

Doch er wird genommen und stürzt sich mit Feuereifer in die Arbeit; für ihn ist klar, daß er die Kontrolle behält und die KI ihm untertan ist. Doch wird ihm nach und nach klar, daß seine Auffassung ein frommer Wunsch ist und daß vor seinen eigenen Augen die KI längst die Macht übernommen hat. Sein Kollege Chen weiß das schon lange und spricht es auch aus, daß sie die Weisungsgebundenen geworden sind, die von der KI gesteuert werden und nur vordergründig nach glauben sollen, daß es umgekehrt ist, daß die Menschen das Sagen haben. Und dann ist Chen verschwunden. Man folgt den Erkenntnissen und Erlebnissen von Daniel gerne, weil der Einstieg, ein Psychologe, der menschlich gescheitert ist, einfach eine Nähe zur Person garantiert und ein Interesse, wie es mit ihm weitergeht. Dieses Buch ist hervorragend geeignet, den Lesern, die wenig über KI wissen, deren Anwendungsbereiche sowie Möglichkeiten und Gefahren nahe zu bringen. 

Ja, es ist ein Thriller, aber doch sehr viel mehr. Ein menschliches Buch, das gleichzeitig über die technischen Phänomene der KI sehr detailliert berichtet und wissenschaftlich Fundiertes in Romanform weitergibt. Spannend dazu. 

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Umschlagabbildungen

Info:
Ursula Poznanski , Die Burg. Die KI kennt den Ausweg. Mitleid kennt sie nicht.
 Thriller, Knaur Verlag 2024
ISBN 978 3 426 44837 3

Karl Olsberg, Virtua. KI – Kontrolle ist Illusion.
Thriller.
Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2023.
384 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 978374664


 

 

 

 

 

 

 

 
Wo verläuft die Grenze zwischen Chance und Gefahr?

Karl Olsberg zeichnet in „Virtua“ ein real vorstellbares Zukunftsszenario nicht-kontrollierter künstlicher Intelligenz

Virtua spielt zwar in der Zukunft, aber ist der Realität doch vom ersten Moment an näher, als der Leser vielleicht erwartet. Der gescheiterte Psychologe Daniel heuert bei einem Konzern an, der sich mit Künstlicher Intelligenz und deren mentaler Anwendung beschäftigt. Weil sich ihm hier eine neue Chance bietet, bemerkt er die Gefahren der neuen Welt zunächst gar nicht, und hält die KI für jederzeit kontrollierbar.

Erst als er bereits mitten in die Anwendung eingestiegen ist und durch den Entwicklerkollegen Chen neue und nähere Einblicke erhält, erkennt er, dass die Grenze des tatsächlich Steuerbaren längst überschritten ist. Chen macht sich zunehmend durch seine innerhalb der Firma ausgesprochenen Warnungen unbeliebt und verschwindet schließlich bei einem Hackerangriff spurlos. Spätestens hier versteht Daniel die Gefahr, in der die Menschheit schwebt.

Karl Olsberg schafft es vom ersten Moment an, als Daniel seinen neuen Arbeitsplatz betritt, diesen als faszinierend und verlockend und auch als große Chance für den jungen Mann darzustellen. Während sich sehr schnell Spannung aufbaut, bleibt Daniel dennoch greifbar, authentisch und der Leser kann sich leicht mit ihm identifizieren. Er zeigt menschliche Emotionen und verbindet diese zugleich mit der technologischen Entwicklung, für die Daniel mit verantwortlich ist und deren Einsatz er aktiv vorantreibt, ohne sich deren Gefahren bewusst zu sein.

Spannend und beklemmend zugleich, euphorisierend und einschüchternd, so lässt sich das Werk von Karl Olsberg, einem Meister seines Faches, bezeichnen. Ohne Scheuklappen und Vorwarnungen begegnet der Leser seinem energiegeladenen Text. Dadurch vermag er zu erreichen, dass die Rezipienten zum Nachdenken angeregt werden und sich auch nach dem Lesen noch weiter inhaltlich mit einer Entwicklung wie der von Virtua auseinandersetzen dürften. Hierzu trägt auch die feine Zeichnung der Nebenfiguren bei, die die Realität des Thrillers befördern, während der Leser zugleich eine Vielzahl an Informationen rund um die KI erhält.

Ein sehr gut recherchiertes und aufgrund seiner fachlichen Expertise überzeugendes Buch ist dem Autor gelungen. Obwohl er es als Thriller verpackt hat, ist die reale Gefahr deutlich spürbar, die von der KI ausgehen kann. Ein Plädoyer für Regulierung und staatliche Kontrolle, aber auch dafür, dass die Menschen letztlich über die KI und deren Einsatz zu bestimmen in der Lage sind, und nicht die KI über uns.